Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 52

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 52 (NJ DDR 1984, S. 52); 52 Neue Justiz 2/84 Da eine monopolkapitalistische Gesellschaft niemals anti-, höchstens prä- oder postfaschistisch sein kann, muß eine antifaschistische Rechtsauffassung unabdingbar antimonopolistisch und demokratisch sein, die Beziehungen zwischen Recht und Gesellschaft aufdecken und dem gesetzmäßigen historischen Fortschritt mit rechtlichen Mitteln den Weg ebnen.'2 Dabei ist das gesamte Erbe des rechtsphilosophischen Denkens, Aktiva wie Passiva, kritisch zu verarbeiten. Diesen mühevollen Weg sind antifaschistische Juristen in der DDR seit 1945 genauso gegangen wie ihre juristischen Mitstreiter in anderen Ländern, in denen Faschismus auch rechtsphilosophisch bewältigt wurde. 12 Vgl. H. Klenner, Rechtsphilosophie ln der Krise, Berlin 1976, S. 111 fl. Besonderheiten der Strafverfahren zur Ahndung von Nazi-Justizverbrechen GÜNTHER WIELAND, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Richter und Staatsanwälte der faschistischen Ausnahmejustiz in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt zu haben, jedenfalls stärker, als das irgendwann zuvor in den vergangenen drei Jahrzehnten der Fall war das gehört gewiß zum Verdienst der wissenschaftlichen, publizistischen und justitiellen Auseinandersetzung mit den Naziverbrechen in den letzten Jahren. Wer seit langem Tausende Beweisdokumente der „Judikatur“ des Volksgerichtshofs, der Sonder- und Kriegsgerichte sowie nicht zuletzt der beim Reichsgericht angestrengten „Nichtigkeitsbeschwerden“ zur Auswertung und zur strafrechtlichen Verfolgung der Schuldigen an Juristen der Bundesrepublik Deutschland übergeben und dabei zuweilen selbst von gutwilligen Empfängern gehört hat, man müsse es wohl bei der freilich oft zu privilegierten Konditionen erfolgenden Funktionsenthebung der dort wieder zu Amt und Würden gelangten schwerbelasteten Nazi-Juristen bewenden lassen1, der weiß diese Entwicklung durchaus zu würdigen. Schließlich hat die Deutsche Demokratische Republik die in. der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) anhängigen einschlägigen Ermittlungen nicht nur stets durch Rechtshilfe gefördert, sondern sie häufig sogar initiiert: So-r wohl dem Bundesjustizministerium als auch dem General-bundesanwalt der BRD und zahlreichen General- und Oberstaatsanwälten sind die Beweise in Hülle und Fülle ins Haus getragen worden.1 2 Verschiedentlich war den Adressaten diese DDR-Hilfe recht unerwünscht, so beispielsweise, weil der ehemalige Ankläger am Sondergericht Kattowitz, Ottersbach, sich schon wieder Sporen bei der Verfolgung von Antifaschisten in Lüneburg erwarb. Natürlich haben sich die Strafverfolgungsorgane der DDR niemals darauf beschränkt, lediglich auswärtige Ermittlungen zu fördern. Im Gegenteil: Schon unmittelbar nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus wurde in der damaligen sowjetischen Besatzungszone mit der systematischen Aufdeckung, Aufklärung und Ahndung der faschistischen Verbrechen (einschließlich derjenigen der Nazi-Justiz) begonnen. Bis zum 31. Dezember 1982 sind in der DDR insgesamt 12 868 Angeklagte rechtskräftig wegen Teilnahme an faschistischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen worden, darunter 149 Personen, die an Justizverbrechen beteiligt waren. Bereits am 29. Juni 1948 verurteilte das Landgericht Dresden vier Nazi-Juristen zu Zuchthausstrafen.3 Aber auch in den letzten Jahren gab es noch derartige Verfahren: So verurteilte das Stadtgericht Berlin Hauptstadt der DDR am 19. Oktober 1981 einen Staatsanwalt des Sondergerichts Graudenz zu 12 Jahren und am 5. April 1982 einen Staatsanwalt des Volksgerichtshofes zu 15 Jahren Freiheitsentzug.4 Verfahren gegen Nazi-Juristen unterscheiden sich sowohl materiellrechtlich als auch prozeßrechtlich von anderen Strafverfahren : Wird üblicherweise Anklage gegen denjenigen erhoben, dessen Tun oder Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstieß, so wird dem Nazi-Juristen gerade die Anwendung von justitiell bemäntelten Unrechtsbestimmungen zur Last gelegt Als „Kern der Anklage“ formulierten die Richter des US-amerikanischen Militärtribunals am 4. Dezember 1947 im Nürnberger Juristenprozeß, „daß die Gesetze, die Hitler-Erlasse und das drakonische, korrupte und verderbte nationalsozialistische Rechtssystem als solche in sich selbst Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen und daß eine Teilnahme an dem Erlaß und der Durchführung dieser Gesetze verbrecherische Mittäterschaft bedeutet“.5 Prozeßrechtlich heben sich die Ermittlungen gegen Nazi-Juristen von anderen Verfahren wohl vor allem durch die Art der Beweisführung ab. Die hier in Betracht kommenden Hauptverhandlungen gewinnen zusehends den Charakter von Dokumentenprozessen, zumal aus den Aktenbeständen der Nazi-Justiz weit mehr Originalbeweise überliefert sind, als das sonst bei Schreibtischtätern der Fall ist. So wertvoll der objektive, emotionsfreie, gegen nachträgliche Beeinflussungen jedenfalls mehr als jedes andere Beweismittel gefeite Dokumentenbeleg ist, so wird doch jeder umsichtige Jurist danach streben, ihn durch Zeugen- und Sachverstän-digenbekundungen zu ergänzen. Tatsache ist aber: Sinkt die Zahl der Zeugen, die zur Aufklärung faschistischer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beitragen können, ohnehin von Jahr zu Jahr, so trifft das auf die Verfolgung der Nazi-Justizver-brechen im besonderen zu: Die wohl bedeutsamsten Tatzeugen dieser Kriminalität, nämlich die von der Nazi-Justiz ihren Henkern überantworteten Opfer, können nicht mehr gehört werden. Soweit es zum Tode Verurteilten in Einzelfällen gelungen ist zu flüchten oder dank anderer außergewöhnlicher Umstände seinerzeit zu überleben, sind sie fast durchweg entweder inzwischen verstorben oder aus gesundheitlichen Gründen den Strapazen einer eingehenden Vernehmung heute nicht mehr gewachsen. Der Zeugenbeweis muß sich daher fast immer auf die Vernehmung der (meist jüngeren) Mitangeklagten, die von der Nazi-Justiz nicht zum Tode verurteilt worden waren, oder anderer damals im Verfahren vor dem Nazi-Gericht anwesend gewesener Personen konzentrieren. Die Erfahrungen zeigen: Die Opfer der Nazi-Justiz (und oft auch die seinerzeit im Gerichtssaal zugegen gewesenen Angehörigen der Angeklagten) können häufig wertvolle Details der Verhandlungen schildern, die Rückschlüsse auf die Zielsetzung der Nazi-Staatsanwälte und Nazi-Richter erlauben. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß sich diese Aussagen meist nur auf das Verhalten des Gerichtsvorsitzenden und des Anklagevertreters beziehen. Informationen über die Haltung der beisitzenden Richter sind auf diese Weise nur selten zu erlangen. Nahezu völlig unergiebig bleibt in der Regel die Vernehmung jener Personen, die selbst in die Nazi-Justiz integriert gewesen waren. Die ehemaligen Protokollantinnen, Justizwachtmeister usw. wenden oft nicht einmal unglaubhaft ein, sie könnten sich schon angesichts der Vielzahl gleichartiger Verfahren, in denen sie mitgewirkt hatten, nur bei extremen Ausnahmen noch an Details erinnern. Demgegenüber ist auffällig, daß den jetzt angeklagten 1 Dieser Einwand ist heute nicht mehr aktuell: längst haben wohl alle in Betracht kommenden Nazi-Juristen das Pensionsalter erreicht und erhalten in der BRD fast ausnahmslos eine ungeschmälerte Altersversorgung. 2 Zu Bedeutung und Umfang dieser Rechtshilfe vgL ADN-Interview mit dem Generalstaatsanwalt der DDR, Dr. Dr. h. c. Josef Streit, in: NJ 1982, Heft 7, S. 290 fl.; ferner die Dokumentation: Die Haltung der beiden deutschen Staaten zu den Nazi- und Kriegsverbrechen (Hrsg.: Generalstaatsanwalt der DDR und Ministerium der Justiz der DDR), Berlin 1965, S. 42 ff. und 95 ff. 3 Der in diesem Verfahren verurteilte Dr. Dr. Erich Anger wurde übrigens nach der Strafverbüßung wieder Staatsanwalt in Essen (BRD). 4 Vgl. Urteil vom 19. Oktober 1981 - 101 a BS 40/81 - (NJ 1982, Heft 1, S. 38) mit Anmerkung von R. Beinarowitz; zum Urteil vom 5. April 1982 101 a BS 17/82 Vgl. ND vom 6. April 1982, S. 2. 5 Fall 3: Das Urteil im Juristenprozeß, Hrsg. P. A. Steiniger/ K. I.eszczyriski, Berlin 1969, S. 136.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 52 (NJ DDR 1984, S. 52) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 52 (NJ DDR 1984, S. 52)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Linie der Dezernate und des Untersuchungsorgans der Zollverwaltung teilnahmen. Ausgehend davon wurden von den Leitern der beteiligten Organe auf Bezirksebene die Schwerpunkte ihres Zusammenwirkens klarer bestimmt und die sich daraus für den Untersucht! rkung im Strafverfahren wird vollem Umfang gewährleistet sha tvcIzug ablei Aufgaben zur Gewährlei tung dieses Rechts werden voll sichergestellt. Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und damit yefbundender ahrensrecht-licher Maßnahmen. Dabei haben sich im Ergebnis der durchgeführten empirischen Untersuchungen für die Währung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Realisierung von Maßnahmen der inoffiziellen und offiziellen Beweisführung sowie bei der Beweis Würdigung; der komplexe, aufeinander abgestimmte Einsatz der tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden zur politisch-operativen Absicherung der Die Festigung des Vertrauensverhältnisses und der Bindung der inoffiziellen Kontajktpersonen an das; Ministerium für Staatssicherheit Einige Probleme der Qualifizierung der Auftragserteilung und Instruierung sowie beim Ansprechen persönlfcHeiÄ Probleme, das Festlegen und Einleiten sich daraus ergebender MaßnälmeS zur weiteren Erziehung. Befähigung und Überprüfung der . Die Leiter der operativen Diensteinheiten und in der Zentralen Personendatenbank Staatssicherheit. Die Registrierung der Akten und die Er- fassung der zu kontrollierenden Personen in den Abteilungen.

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