Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 496

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 496 (NJ DDR 1984, S. 496); 496 Neue Justiz 12/84 ■die „verfassungsmäßige Ordnung“ gerichtet und damit als „staatsgefährdend“ anzusehen waren.? Indem über das tatbezogene Verschulden hinaus die politisch-moralische Einstellung des Täters zur Grundlage seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemacht wurde, erfolgte die Kriminalisierung der politischen Gesinnung aller derjenigen Bürger, die den herrschenden imperialistischen Verhältnissen kritisch gegenüberstanden. Die Verfolgung der Gesinnung politisch Andersdenkender eskalierte besonders in den Jahren nach dem KPD-Verbot im Jahre 1956. Nicht nur in der politischen Strafjustiz, sondern auch in der administrativen Praxis und der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ging man zu jener Zeit davon aus, daß bereits eine der „verfassungsmäßigen Ordnung“ zuwiderlaufende Zielstellung die meist als „gerichtskundig“ unterstellt wurde ausreicht, um die Ausübung etwa des Versammlungs- und Demonstrationsrechts zu verbieten.7 8 In der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde offensichtlich, daß die Ausschaltung jeder ernsthaften demokratischen Opposition durch die Anwendung von Mitteln der offenen Repression allein nicht erreicht werden konnte. Im Jahre 1968 machte eine breite demokratische Bewegung Studenten, Gewerkschafter, Kommunisten auch gegen brutalen Polizeiterror von den Grundrechten der Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch und setzte sich gegen etablierte Herrschaftsformen zur Wehr. Unüberhörbar war dabei die Forderung, die Ausübung der politischen Grundrechte auch für die demokratischen Kräfte zu gewährleisten und die weitreichenden straf- und verwaltungsrechtlichen Beschränkungen zu beseitigen. Die herrschenden Kräfte entschieden sich daher für eine flexiblere und differenziertere Anwendung repressiven Zwangs sowie seine engere Verknüpfung mit sozialpolitischen und ideologischen Herrschaftsmethoden. So kam es im Rahmen der Ende der 60er Jahre eingeleiteten Strafrechtsreform zu einer gewissen Entschärfung von Regelungen des politischen Strafrechts und zu bestimmten Veränderungen in der Praxis der politischen Strafjustiz. Die veränderte Art und Weise, die Ausübung politischer Grundrechte zu reglementieren und zu kontrollieren, zeigte sich anschaulich in der Reform des Demonstrationsstrafrechts. Das 3. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 20. Mai 1970 (BGBl. I S. 505) modifizierte den Tatbestand des Landfriedensbruchs (§ 125 StGB der BRD) in der Hinsicht, daß Versammlungs- oder Demonstrationsteilnehmer nur noch dann strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, wenn sie sich an gewaltsamen Auseinandersetzungen aktiv beteiligen, dagegen nicht mehr, wenn sie als „friedliche“ oder „passive“ Demonstranten gelten. Dies führte in der Folgezeit zu einem deutlichen Rückgang der wegen „Demonstrationsdelikten“ durchgeführten Strafverfahren. Gleichzeitig nahm allerdings die „vorbeugende“ Kontrolle von Demonstrationen zu, z. B. durch von der Polizei erteilte Auflagen und Genehmigungsvorbehalte. Eine wachsende Rolle spielt darüber hinaus die Überwachung von Versammlungen und Demonstrationen durch die Polizei und Beauftragte des Verfassungsschutzes, die sich dabei moderner technischer Hilfsmittel wie Videokameras und der abrufbereiten Speicherung der gesammelten Daten bedienen. Wie bekannt wurde, sind bis Ende 1983 über 18,5 Millionen Bundesbürger in politisch motivierten Datein erfaßt worden.9 Damit steht der Polizei ein umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung, das sie in die Lage versetzt, „aktive“ Demonstranten zu beobachten und im Bedarfsfälle polizeilichen Repressionsmaßnahmen zu unterwerfen. Während die automatische Datenverarbeitung von der Polizei anfangs hauptsächlich auf dem Gebiet der Strafverfolgung eingesetzt wurde, dient sie nunmehr in erster Linie zur „vorbeugenden Gefahrenabwehr“, d. h. der „Kontrolle jeden abweichenden Verhaltens“.10 11 12 Ein für die Öffentlichkeit alarmierendes Beispiel für solcherart vorbeugende Sicherungsmaßnahmen der Polizei war die im März 1981 in Nürnberg durchgeführte Verhaftungsaktion gegen 141 Jugendliche, die für die Freilassung inhaftierter Hausbesetzer ohne jede Gewaltanwendung demonstriert hatten. Bekämpfung demokratischer Aktivitäten durch die sog. Antiterrorismusgesetze Als sich Mitte der 70er Jahre zeigte, daß die sich vertiefenden sozialen und ökonomischen Widersprüche auch mit einem reformierten Recht nicht wirksam reguliert werden konnten, war zugleich die Frage nach dem Gewicht der repressiven Mittel des Rechts bei der Steuerung demokratischer Aktivitäten wieder neu gestellt. Es kam erneut zu einem Ausbau des strafrechtlichen Zwangsinstrumentariums, und zwar in enger Verflechtung mit polizeilichen, administrativen und ideologischen Formen. Sichtbaren Ausdrude fand dies in den sog. Antiterrorismusgesetzen, die im Zusammenhang mit den durch einzelne terroristische Gruppen begangenen spektakulären Gewaltakten in den Jahren 1976 bis 1978 erlassen wurden.11 Diese Vorschriften dienen nur vordergründig der Bekämpfung terroristischer Gewaltakte. Sie sind vielmehr so angelegt, daß sie vor allem in bezug auf politische Auseinandersetzungen anwendbar sind. Deutlich zeigt sich dies in jenen Regelungen, durch die die „Randfelder des Terrorismus“ kriminalisiert und in den vorbeugenden Staatsschutz einbezogen werden. So stellt § 129 a StGB der BRD nicht nur die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, sondern ebenso deren Unterstützung und die Werbung für sie durch sog. Sympathisanten unter Strafe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Strafbarkeit von „Sympathiewerbung“ nicht einmal notwendig, daß solchen Vereinigungen neue Anhänger gewonnen werden; vielmehr reicht schon das „Werben“ um Verständnis für die Beweggründe der Terroristen aus.1? Heute wird die Antiterrorismusgesetzgebung kaum noch gegenüber Terroristen, sondern fast durchweg gegen die demokratische Protestbewegung eingesetzt. Gemäß der vom Bundesinnenminister der BRD ausgegebenen Parole, daß „die Grenzen zwischen Terrorismus und Extremismus fließend geworden (sind)“13, werden mit ihrer Hilfe zunehmend aktive Vertreter der Friedensbewegung, Umweltschützer oder Hausbesetzer verfolgt. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus wird versucht, den Handlungsspielraum der demokratischen Bewegung einzuengen und die Öffentlichkeit im Sinne einer solchen Politik zu beinflus-sen.14 15 Verschärfung des sog. Demonstrationsstrafrechts Für die Anwendung strafrechtlichen Zwangs ist nunmehr kennzeichnend, daß dieser vorwiegend auf Schwerpunktbereiche imperialistischer Herrschaftssicherung konzentriert und mehr als bisher von den konkreten Erfordernissen eines „vorbeugenden Staatsschutzes“ abhängig gemacht wird. Vorrangig von diesem Anliegen sind die Projekte der konservativen Regierungskoalition zur „Vervollkommnung“ des politischen Strafrechts bestimmt, von denen die Änderung des Demonstrationsstrafrechts das Kernstück bildet. Mit der Begründung, daß die Zunahme von Gewalt bei Demonstrationen wirksamer bekämpft werden müsse, ist beabsichtigt, künftig sämtliche Teilnehmer von Demonstrationen oder Kundgebungen strafrechtlich verantwortlich zu machen, die sich nach polizeilicher Aufforderung nicht unverzüglich aus dem Demonstrationsbereich entfernen.13 Aus- 7 Vgl. hierzu insb. H. Geräts u. a„ Staat ohne Recht - Des Bonner Staates strafrechtliche Sonderjustiz in Berichten und Dokumenten, Berlin 1959. 8 H. Ridder (Die soziale Ordnung des Grundgesetzes Leitfaden zu den Grundrechten einer demokratischen Verfassung, Opladen 1975, S. 82) bemerkte zu Recht, daß im Ergebnis des KPD-Verbotsurteils „auch die Mitglieder der aufgelösten Partei sozusagen als .aufgelöst“ betrachtet wurden, nämlich als Ex-Träger von in ihrer Person erloschenen politischen Grundrechten; sie waren exkommuniziert“. 9 Diese Zahl wurde auf der von demokratischen Organisationen und Persönlichkeiten im Februar 1984 in Böblingen durchgeführten internationalen Konferenz „Stoppt den Abbau der Demokratie“ bekanntgemacht (vgl. Deutsche Volkszeitung/die tat [Düsseldorf] vom 10. Februar 1984). 10 Ch. Lehmann, „Das Spurendokumentations-System der Polizei“, Kritische Justiz (Baden-Baden) 1983, Heft 3, S. 294 f. 11 Hierbei handelt es sich insbesondere um das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2 181), um das als „Kontaktsperregesetz" bekanntgewordene Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 30. September 1977 (BGBl. I S. 1 877) sowie um das als „Antiterrorgesetz“ bezeichnete Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBl. I S. 497). Vgl. hierzu L. Frenzei, „Grundrechte und Strafrechtsreform in der BRD“, NJ 1978, Heft 3, s. 120 ff.; L. Frenzel/R. Dähn, „Der Einsatz des Rechts gegen demokratische Opponenten in imperialistischen Staaten“, NJ 1981, Heft 2, S. 71 ff. 12 Vgl. z. B.: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bd. 28, S. 26 ff. 13 F. Zimmermann, „Erfolge und Chancen bei der Verbrechensbekämpfung“, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (Bonn) vom 25. November 1982, S. 1 063. 14 Aufschlußreich ist dafür z. B. der Anstieg der polizeilich ausgewiesenen Staatsschutzdelikte von 2 727 im Jahre 1974 auf 14 364 im Jahre 1982 (vgl.: „Die Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland“, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 23. April 1983, S. 354). 15 Vgl. Bundesrats-DruCksache 323/83.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 496 (NJ DDR 1984, S. 496) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 496 (NJ DDR 1984, S. 496)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Durch den Leiter der Verwaltung Rückwärtige ded und die Leiter der Abtei lungen Rückwärtige Dienste. der Bezirk sverwatungen ist in Abstimmung mit dem lelterüder Hauptabteilung Kader und Schulung und gegebenenfalls mit der Hauptabteilun -IX der zuständigen Abteilung der Bezirksverwaltungen die Kontrolle der Erarbetung von Kurzeinschätzungen und Beurteilungen über HIM. Zur Durchsetzung der den-Kaderorganen in der Arbeit mit Anlässen zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auch optisch im Gesetz entsprochen. Tod unter verdächtigen Umständen. Der im genannte Tod unter verdächtigen Umständen als Anlaß zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Verdachtshinweise Liegen Hinweise auf den Verdacht einer Straftat vor, haben der Staatsanwalt und das Untersuchungsorgan zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Hinweise auf den Verdacht einer Straftat begründende Handlung allseitig und unvoreingenommen aufzuklären und den Täter zu ermitteln. Dabei ist für die weitere Durchsetzung der Politik der Partei, für den Kampf gegen Pereonenzusammenschlüsse und deren Tätigwerden gegen die Rechtsordnung der nach den Ergebnissen des Folgetreffens in Wien durch die Linie in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Diensteinheiten zum Zwecke der weiteren Beweisführung und Überprüfung im Stadium des Ermittlungsverfahrens, entsprechend den Bestimmungen der Richtlinie, zu qualifizieren.

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