Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 437

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 437 (NJ DDR 1984, S. 437); Neue Justiz 11/84 437 Verfassung und ökonomische Strategie Prof. Dt. habil. UWE-JENS HEUER, Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Theorie des Staates und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR Mit der vom X. Parteitag der SED beschlossenen ökonomischen Strategie stellt sich die DDR auf die neuen Anforderungen der 80er Jahre ein. Mit großem Nachdruck war die Notwendigkeit eines rasdien Leistungsanstiegs unter komplizierter gewordenen äußeren Bedingungen als Grundlage der Fortsetzung des Kurses der Einheit von Wirtschaftsund Sozialpolitik hervorgehoben worden. Dieser Leistungsanstieg erfordert eine zunehmende Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und ein schnelleres, flexibleres Reagieren auf veränderte Nachfrage auf den äußeren Märkten. In diesem Sinne wird immer nachdrücklicher betont: „Alle wirtschaftlichen Prozesse unterliegen heute und künftig einer hohen Dynamik.“1 Dynamik ökonomischer Prozesse und stabilisierende Wirkung des Rechts Wie verhält sich die hier gebieterisch geforderte und aus objektiven Notwendigkeiten abgeleitete Dynamik, Reaktionsfähigkeit, Flexibilität ökonomischer Prozesse zum Charakter des Rechts, auch des Verfassungsrechts, als „Regulator (Ordner)“1 2 gesellschaftlicher Verhältnisse, gesellschaftlicher Verhaltensweisen, zu seiner stabilisierenden Wirkung? Wird dadurch sein Raum eingeschränkt, sind wir gezwungen, jetzt unsererseits von einem dynamischen Charakter des Rechts auszugehen, oder geht es darum, die stabilisierende Wirkung des Rechts gerade in den Dienst dieser Dynamik zu stellen ? Die objektiv geforderte Dynamik ökonomischer Prozesse ist nicht beliebiger Natur. Es geht nicht um Veränderungen schlechthin, sondern um Veränderungen, die auf den weiteren Anstieg der Leistungskraft der Volkswirtschaft, die Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution, die allseitige Festigung und Stärkung des Sozialismus überhaupt gerichtet sind. Die Dynamik ist also zielgerichtet, sie ist an bestimmten gesamtgesellschaftlichen Zielsetzungen, letztlich am Ziel des Sozialismus zu messen. Daraus ergibt sich auch, daß diese dynamischen Veränderungen mit Stabilität von Verhältnissen, von Verhaltensweisen nicht nur verbunden werden können, sondern verbunden werden müssen. Das gilt auch für die Stabilität der politischen Grundlagen der DDR, für stabile Verhaltensweisen beim Schutz unserer politischen Ordnung, bei der Sicherung des Friedens und beim Ausbau der Beziehungen zu den sozialistischen Bruderländern. Das gilt aber ebenso für die Stabilität ökonomischer Grundverhältnisse, für stabile Verhaltensweisen in Leitungs- und Kooperationsbeziehungen. Rasche Reaktionen beim Finalproduzenten müssen vom Zulieferer zuverlässig mitvollzogen werden, Erfindungen der Wissenschaft bedürfen entsprechender Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft beim investierenden Industriekombinat, entsprechender Entscheidungen staatlicher Organe, um zu einer die Volkswirtschaft vorantreibenden Innovation zu werden. Veränderung der Produktivkräfte und Stabilität in den Kooperationsbeziehungen müssen eine Einheit bilden. Die stabilisierende Wirkung des Rechts muß gerade auf das Hervorbringen solcher Verhaltensweisen gerichtet sein. Eben dadurch sichert sie die erforderliche Dynamik der ökonomischen Prozesse, der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung überhaupt. Das Bedürfnis nach Stabilität geht also nicht vom Recht aus, sondern es ist ein Erfordernis der Entwicklung der Produktivkräfte, die gleichermaßen Veränderung und Stabilität im Bereich der Produktionsverhältnisse wie auch des Überbaus verlangt. So wie Dynamik zielgerichtete Dynamik ist, so wird auch Stabilität bestimmter Beziehungen, bestimmter Verhaltensweisen gefordert. Das bedeutet im übrigen auch, daß im Bereich der Politik Stabilität und Veränderung miteinander dialektisch verbunden sind. Aus dieser Sicht wird deutlich, daß die stabilisierende Wirkung des Rechts gerade auf solche Verhältnisse, auf solche Verhaltensweisen gerichtet sein muß, die zur Durchsetzung der ökonomischen Strategie stabil gewährleistet werden müssen. Wir müssen das Recht befragen, wie es mittels seiner spezifischen Möglichkeiten Konservatismus bekämpft und Innovationsbereitschaft befördert. Das bedeutet auch, daß das Recht nicht absolut stabil sein kann und darf, daß es geändert werden muß, wenn die von ihm geforderten Verhaltensweisen der Entfaltung des Sozialismus, vor allem den ökonomischen Erfordernissen, nicht mehr gerecht werden. Insofern ist die Stabilität des Rechts Mittel zum Zweck, ist sie relativ. Auch hier gelten die allgemeinen Erkenntnisse von der Abgeleitetheit der Form vom Inhalt, aber von ihrer relativen Selbständigkeit, durch die sie allein dem Inhalt dienen kann. In welcher Weise sichert nun die Verfassung der DDR die Verwirklichung der ökonomischen Strategie? Gilt das hier für die stabilisierende Rolle des Rechts Gesagte auch für die Verfassung und, wenn ja, in welcher Weise? Zur Beantwortung dieser Frage soll auf die interessanten Diskussionen der Staatsrechtler in den letzten Jahren zurückgegriffen werden. Die Spezifik der Verfassung und ihrer Wirkung Die Verfassung bildet die höchste Ebene des Rechts mit eigener Spezifik, die gerade für ihre Wirkungsmöglichkeiten zur Durchsetzung der ökonomischen Strategie von großer Bedeutung ist. Worin aber besteht diese Spezifik? Von manchen wird in diesem Zusammenhang der Standpunkt vertreten, daß es sich bei der Verfassung um ein politisch-rechtliches Grundsatzdokument des Staates handele, und ihre spezifische Wirkung wird gerade aus diesem Charakter abgeleitet.3 Diese Auffassung wird auf ihren Klassencharakter, ihr Entstehen und ihre Form, aber auch auf ihre verständliche Systematik und Sprache gestützt. Hier werde die politische Natur des Rechts am deutlichsten und umfassendsten ausgeprägt.4 Dagegen wurde m. E. zu Recht eingewandt, daß alles Recht politischer Natur ist, daß es deshalb überflüssig und sogar gefährlich sei, dem Recht im Ganzen oder speziell der Verfassung eine solche Doppelnatur einzuräumen. Ein solches Vorgehen sei geeignet, die relative Selbständigkeit des Verfassungsrechts, seine aktive Rolle und damit seine Autorität zu mindern.5 6 Wir alle sind bestrebt, den sozialistischen Gehalt unseres Rechts immer tiefer herauszuarbeiten. Dieser sozialistische Gehalt liegt letztlich darin begründet, daß dieses Recht dem Sozialismus dient, die Entfaltung seiner Triebkräfte fördert, alles freisetzt, was das sozialistische Eigentum an produktiven Potenzen hervorzubringen vermag. Alles dies muß es als Recht, als relativ selbständiger Teil des Überbaus, bewirken. Es wird von der Basis hervorgebracht und von der Politik als Teil des Überbaus bestimmt, ohne in dem einen oder dem anderen aufzugehen. Nur wenn wir dies auch und gerade für die Verfassung betonen ohne daß die spezifische Verbindung der Verfassung zu den Grundlinien der Politik außer acht gelassen werden darf , nur dann können wir auch das Verfassungsbewußtsein stärken, die Verfassung stärker erlebbar machen ein Erfordernis, das gerade in letzter Zeit nachdrücklich hervorgehoben wird.® Auch die Wirkung der Verfassung muß allerdings entsprechend ihrer Spezifik als Grundgesetz von der stabilisierenden Rolle des Rechts ausgehen. Deshalb wird auch generell die Normativität aller Bestimmungen der Verfassung, nicht zuletzt unter Berufung auf Art. 105, hervorgehoben.7 1 G. Mittag in: ökonomische Strategie der Partei - klares Konzept für weiteres Wachstum, Berlin 1983, S. 52. 2 Vgl. W. I. Lenin, „Staat und Revolution“, in: Werke, Bd. 25, Berlin 1960, S. 481. 3 Vgl. E. Poppe, „Der politisch-juristische Charakter der Verfassung der DDR“, Staat und Recht 1982, Heft 4, S. 291; I. Hieblinger/ R. Hieblinger, „Charakteristische Merkmale der Verfassungen sozialistischer Länder“, Staat und Recht 1984, Heft 8, S. 614. 4 Vgl. E. Poppe, a. a. O., S. 292 ff.; I. Hieblinger, a. a. O. 5 Vgl. K.-H. SChöneburg, „Anmerkungen zu einer marxistisch-leninistischen Verfassungstheorie“, in: Die Aktualität der Marxschen Staatslehre, Aktuelle Beiträge der Staats- und Rechtswissenschaft, Heft 287, Potsdam-Babelsberg 1983, S. 58 f.; G. Riege, „Die Verfassungsproblematik im entwickelten Sozialismus“, Staat und Recht 1983, Heft 10, S. 776. 6 Vgl. G. Riege, a. a. O.; E. Poppe, „Reflexionen zum Staatsrecht als grundlegendem ReChtszweig“, Staat und Recht 1984, Heft 6, S. 438. 7 Vgl. G. Riege, a. a. O., S. 775; E. Poppe, „Die sozialistische Verfassung der DDR unmittelbar geltendes und programmatisches Recht“, Staat und Recht 1980, Heft 8, S. 678 f.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 437 (NJ DDR 1984, S. 437) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 437 (NJ DDR 1984, S. 437)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung dafür ist, daß im Verlauf des Verfahrens die objektive Wahrheit über die Straftat und den Täter festgestellt wird, und zwar in dem Umfang, der zur Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen. Zur Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in jedein Ermit tlungsver fahren und durch jeden Untersuchungsführer. Die bereits begründete Notwendigkeit der ständigen Erhöhung der Verantwortung der Linie zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren bedingt die Untersuchung der Anforderungen an die Kontrolle der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren ein vielschichtiger und vielfältiger Prozeß ist, der an die Leiter aller Ebenen in der Linie hohe persönliche Anforderungen stellt.

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