Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 35

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 35 (NJ DDR 1984, S. 35); Neue Justiz 1/84 35 führers zum Ausdruck, die Voraussetzung für die Anwendung des schweren Falls nach § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB ist. Das ist erst bei einer riskanten, das Leben und die Gesundheit anderer Menschen kraß mißachtenden Verhaltensweise der Fall. Das bedeutet bezogen auf den vorliegenden Fall , daß ein krasses Mißverhältnis zwischen angemessener und tatsächlich gefahrener Geschwindigkeit vorliegen muß. Feststellungen, die ein derartiges Mißverhältnis offenbaren, hat das Kreisgericht nicht getroffen. Es hat demzufolge keine konkrete Relation zur angemessenen Geschwindigkeit hergestellt. Unzulässig ist es, etwa von einer allgemeinen Erfahrung auszugehen, daß bei Schneematsch, gleich welcher Stärke und ungeachtet der Art der Fahrbahn, der Bereifung und anderer auf die Fahr- und Lenkstabilität einwirkender Faktoren, eine Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h stets in einem krassen Mißverhältnis zur angemessenen Geschwindigkeit steht. Die geführten Ermittlungen und die Ergebnisse der gerichtlichen Beweisaufnahme bieten keinen Anlaß zur Annahme, daß eine erneute Beweisaufnahme zu Ergebnissen führen wird, die für die Anwendung des schweren Falls des § 196 Abs. 3 StGB Bedeutung gewinnen könnten. Von dem Zeugen D., Betriebsstellenleiter im VEB Autobahndirektion H., und dem Geschädigten wurde zwar ausgesagt, daß sie zur Unfallzeit bzw. kurz danach Geschwindigkeiten von 60 km/h fuhren. Das mag auch für die Mehrzahl anderer Kraftfahrer zutreffen, die in dem angegebenen Zeitraum die Autobahn im Unfallbereich benutzten und für sie die angemessene Geschwindigkeit darstellen. Demgegenüber darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, daß das Fahrzeug des Angeklagten an der Vorderachse mit einer speziellen Bereifung ausgerüstet war, die für den Winterbetrieb besonders geeignet ist. Die Profilstärke der hinteren Reifen bot nach dem Untersuchungsergebnis ebenfalls keinen Anlaß zur Beanstandung. Alle Reifen wiesen ausreichende Profiltiefe und Innenluftdruck auf. Offensichtlich haben Lenk- und Fahrfehler das Ausbrechen und das weitere irreguläre Fahrverhalten des Pkw in starkem Maße gefördert. Für die Annahme eines krassen Mißverhältnisses zwischen angemessener und tatsächlich vom Angeklagten gefahrener Geschwindigkeit im Sinne rücksichtslosen Verhaltens liegt folglich kein begründeter Anlaß vor. Die fehlerhafte rechtliche Beurteilung hat, wenn auch das Kreisgericht auf die nach seiner Beurteilung zulässige Mindeststrafe erkannte, zu einer gröblich unrichtigen Strafzumessung geführt. Das fahrlässige Verhalten des Angeklagten hat zwar schwerwiegende Folgen hervorgerufen; seine Schuld hat jedoch weder das Ausmaß von Rücksichtslosigkeit noch einen solchen Grad erlangt, daß die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe gerechtfertigt wäre. Anmerkung: Die vorliegende Entscheidung nimmt zu dem Problem der angemessenen Geschwindigkeit im Straßenverkehr Stellung. Die richtige Beurteilung eines damit im Zusammenhang stehenden strafrechtlichen Vorwurfs ist nur dann möglich, wenn die konkreten Verkehrsbedingungen, unter denen es zu einem Verkehrsunfall kam, strikt beachtet werden. Allgemein zutreffende Forderungen nach Anpassung der Geschwindigkeit an die Fahrbahn- und Sichtverhältnisse unter Berücksichtigung der Art des Fahrzeugs und des Reifenzustandes bedürfen in jedem Fall anhand der konkreten Bedingungen zum Unfallzeitpunkt der Prüfung, ob der Fahrzeugführer in Kenntnis erschwerter Fahrbedingungen schuldhaft eine Geschwindigkeit wählte, die es ihm nicht mehr ermöglichte, das Fahrzeug unter Kontrolle zu halten. Fahrbahnverhältnisse, die z. B. wesentlich durch Schnee, Eis oder Reifglätte bestimmt werden, erfordern irrimer eine erhöhte Aufmerksamkeit und sofortige Anpassung des Fahrverhaltens an diese Bedingungen. Das betrifft sowohl die Wahl der Geschwindigkeit als auch die Art des Bremsens bzw. die Gestaltung eines Uberholvorgangs. Werden dabei fahrlässig Fehler begangen, ist dies nicht generell als rücksichtslose Verhaltensweise zu charakterisieren. Dies deutlich zu machen ist Anliegen der vorstehenden Entscheidung. Keinesfalls kann aber das Fahrverhalten von unerfahrenen oder besonders ängstlichen Fahrzeugführern in solchen Situationen Maßstab für angemessenes Fahren sein. Deshalb kommen die Gerichte nur dann zu überzeugenden Urteilen, wenn die einem Verkehrsunfall zugrunde liegenden Pflichtverletzungen und die sich daraus ergebenden strafrechtlichen Konsequenzen stets am jeweiligen konkreten Verhalten in einer bestimmten Situation gemessen und beurteilt werden. Das ist ein unabdingbares Prinzip der sozialistischen Gesetzlichkeit. Nur so ist es möglich, Fahr- oder Lenkfehler in einer komplizierten Verkehrssituation im Zusammenhang mit der gewählten Geschwindigkeit, selbst wenn diese eine Pflichtverletzung i. S. des § 8 Abs. 1 StGB darstellen, von einem Verhalten abzugrenzen, das als rücksichtslos gemäß § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB zu beurteilen ist. Dadurch wird zutreffend der Tatsache Rechnung getragen, daß selbst bei objektiv annähernd gleichen Fahrbahnverhältnissen für unfallverursachende .Verkehrsteilnehmer unterschiedliche strafrechtliche Konsequenzen eintreten; z. B., wenn mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird, der dem Fahrer bekannte Reifenzustand (geringe Profiltiefe, Sommerreifen) aber eine solche nicht zuläßt. Oberrichter Dr. JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts Buchumschau N. P. Dubinin/I. I. Karpez/W. N. Kudrjawzew: Genetik, Verhalten, Verantwortlichkeit (Uber die Natur antigesellschaftlichen Verhaltens und die Möglichkeit seiner Vorbeugung) Verlag: Politisdat, Moskau 1982 303 Seiten (russ.) An die Spitze ihres Buches stellen die Autoren die Worte des bekannten sowjetischen Philosophen P. N. Fedosejew: „Für uns gilt die grundlegende Wahrheit, daß der Mensch durch die Gesellschaft geschaffen wird, daß der Mensch ein gesellschaftliches Wesen ist, daß seine sozialen Bedingungen seine Entwicklung, sein Verhalten usw. bestimmen. Aber wir sind gleichzeitig gegen vereinfachte Vorstellungen derart, daß es keinerlei natürliche Determination des menschlichen Wesens gebe. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, aber als Teil der Natur ist er auch ein biologisches Wesen“ (S. 5 f.). Diese Position ist auch das dem Buch zugrunde liegende methodologische Prinzip: Die Autoren sind bemüht, die dialektische Wechselbeziehung zwischen Sozialem und Biologischem in der individuellen Entwicklung des Menschen aufzuzeigen und auf die Frage zu antworten, wie soziale und biologische Faktoren in ihrer Wechselbeziehung auf das Verhalten des Menschen, und zwar in erster Linie auf das antigesellschaftliche Verhalten, wirken. Im 1. Kapitel der Monographie werden solche Begriffe wie Vererbung, Temperament, Charakter und Gehirn analysiert sowie Grundlagen der Genetik vermittelt. Das Wesen antigesellschaftlichen Verhaltens und dessen soziale Wurzeln werden im 2. Kapitel beschrieben; dabei wird die Dynamik des ständigen Wachsens der Kriminalität in den kapitalistischen Ländern und ihre Verringerung in den Ländern des Sozialismus dargestellt. Dem schließt sich im 3. Kapitel die Behandlung der Probleme des Einflusses der Genetik auf das Verhalten des Menschen an. Aussagen zur Genetik der Popula-' tion von Menschen in der Wechselbeziehung zu antigesellschaftlichem Verhalten trifft das 4. Kapitel. Interesse verdienen hier die Darlegungen zur Entwicklung des Menschen unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und der Nachweis, daß der Kriminalität soziale und nicht biologische Ursachen zugrunde liegen. Während sich das 5. Kapitel der Untersuchung sozialer und demographischer Gruppen sowie von Zwillingen und Personen mit Chromosomenanomalien widmet, werden im 6. Kapitel Probleme' behandelt, die mit dem individuellen Verhalten der Menschen im Zusammenhang stehen. Das schließt solche Komplexe ein wie den Mechanismus individuellen Verhaltens, die Rolle und den Einfluß des Biologischen und Sozialen bei der Entwicklung (Formierung) der Persönlichkeit, der Motivierung des Verhaltens und des hieraus resultierenden Einflusses auf Bedürfnisse und Interessen. Schließlich werden hier auch solche Begriffe untersucht wie Aggressivität und Altruismus. Im 7. Kapitel werden psychische Anomalien und deren mögliche Einflüsse auf gesellschaftsgefährliches Verhalten erörtert. Die Aussagen zur Rolle sozialer und biologischer Faktoren bei der Genesis psychischer Abartigkeiten verdienen Beachtung. Bedeutung und Aktualität dieser Gemeinschaftsarbeit eines Spezialisten der Genetik, eines Kriminologen und eines Strafrechtswissenschaftlers ergeben sich daraus, daß es sich hier um die auch in der sowjetischen Literatur erste umfassende Untersuchung des Verhaltens des Menschen unter;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 35 (NJ DDR 1984, S. 35) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 35 (NJ DDR 1984, S. 35)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt und zur Aufdeckung von Handlungen, die in einem möglichen Zusammenhang mit den Bestrebungen zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher stehen. Dabei sind vor allem die aufgabenbezogene Bestimmung, Vorgabe Übermittlung des Informationsbedarfs, insbesondere auf der Grundlage analytischer Arbeit bei der Realisierung operativer Prozesse, die Schaffung, Qualifizierung und der konkrete Einsatz operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung in den Verantwortungsbereichen weiter erhöht hat und daß wesentliche Erfolge bei der vorbeugenden Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche erzielt werden konnten. Es wurden bedeutsame Informationen über Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, im Berichtszeitraum schwerpunktmäßig weitere wirksame Maßnahmen zur - Aufklärung feindlicher Einrichtungen, Pläne, Maßnahmen, Mittel und Methoden im Kampf gegen die und andere sozialistische Länder gerichteten Pläne, Absichten und Maßnahemen sowie Kräfte, Mittel und Methoden zur Durchführung von Terror-und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten.

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