Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 315

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 315 (NJ DDR 1984, S. 315); Neue Justiz 8/84 315 Staat und Recht im Imperialismus Krise der Strafverfolgung in imperialistischen Ländern Prof. Dr. sc. HANS WEBER, Leiter des Lehrstuhls Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR Der neue Abschnitt der allgemeinen Krise des Kapitalismus durchdringt auch die Strafverfolgung in den imperialistischen Ländern.1 Die Krisenhaftigkeit bestimmt immer stärker das Denken1 von Politikern und Juristen in diesen Ländern. So gab US-Präsident R. Reagan in einer Rede am 28. September 1981 zu, daß das Strafrechtssystem der USA einen Zusammenbruch erlitten habe. Es sei offensichtlich, daß es nicht funktioniere.1 2 Die Krise der Strafverfolgung ist Bestandteil des staatlichen Lebens in den imperialistischen Ländern geworden. In vielen bürgerlichen Publikationen weiden Erscheinungsformen und Auswirkungen dieser Krise 'beschrieben, ohne jedoch zu den tieferen Ursachen vorzudrimgen. Die Ursachen der Krise liegen nicht im Versagen oder in der Unfähigkeit einzelner Institutionen oder einzelner Beamter, sondern im Gesellschaftssystem, das selbst seit langem in einer Krise steckt. Die Krise der Strafverfolgung ist Bestandteil der Krise dieses Systems. Sie ist um so tiefer, je mehr die Strafverfolgung den Interessen und der Politik der aggressivsten und reaktionärsten Kreise der Monopolbourgeoisie untergeordnet wird. Ihre schwerwiegendste Auswirkung besteht darin, daß der imperialistische Staat immer unfähiger wird, den elementaren Lebensinteressen der Menschen nach Frieden, Sicherheit und Geborgenheit sowie nach Schutz vor kriminellen Angriffen zu entsprechen. Kein Schutz des Friedens Die enge Verflechtung des Strafrechts und der Strafverfolgung dm Imperialismus mit den Interessen und der Politik der aggressivsten Kreise der Monopolbourgeoisie und ihr Gegensatz zu den Lebensinteressen der Menschen kommen besonders deutlich in der Haltung dieser Kreise zur Sicherung des Friedens zum Ausdruck. Zunehmend engagieren sich zwar auch Richter und Staatsanwälte der BRD im Kampf gegen die NATO-Hochrüstung und beteiligen sich an Aktionen gegen die Stationierung neuer US-amerikanischer Erstschlagswaffen in Westeuropa. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß weder die Gesetzgebung noch die Strafverfolgung in der BRD jemals ein Instrument zum wirksamen Schutz des Friedens und der Friedensbewegung gewesen sind. Die Friedensaktivitäten von Staatsanwälten und Richtern haben in die Rechtsprechung keinen Eingang gefunden, sie stehen vielmehr im Gegensatz zur offiziellen Haltung der Justiz. Ablehnung strafrechtlicher Verurteilung von Aggressionskriegen Indem Gesetzgebung und Justiz der BRD eine konsequente Verfolgung von Kriegs- und Naziverbrechen verhindern, lehnen sie zugleich auch die strafrechtliche Verurteilung imperialistischer Aggressionskriege ab. Wenn überhaupt Kriegs- und Nazi Verbrecher vor Gerichten der BRD zur Verantwortung gezogen wurden, dann wurden sie entgegen den Völkerrechte liehen Grundsätzen des IMT-Statuts immer nur als Einzelpersonen bestraft, ohne ihre Verbrechen im Zusammenhang mit der Aggressions- und Kriegspolitik des Imperialismus zu beurteilen. Dem Nazistaat wurde sogar ein Recht zur Führung des Krieges zugestanden. Die Nichtverfolgung von Kriegs- und Naziverbrechen war Voraussetzung für die Remilitarisierung in der Bundesrepublik und damit Bestandteil der Wiederherstellung der Macht des Imperialismus.3 Die Justizorgane der Bundesrepublik leisteten niemals Widerstand gegen die Remilitarisierung. Die Bundesrepublik brauchte fast zwanzig Jahre, bis 1968 unter dem Druck der Öffentlichkeit in das Strafgesetzbuch unter der gemeinsamen Überschrift „Friedensverrat“ die §§ 80 (Vorbereitung eines Angriffskrieges) und 80 a (Aufstacheln zum Angriffskrieg) aufgenommen wurden. Diese Bestimmungen wurden jedoch weder in der Rechtsprechung angewendet noch in der umfangreichen juristischen Literatur der BRD erwähnt. Sie haben auch keine präventive Funktion, sondern sind nur ein „Alibi“. Das Strafrecht wird nicht eingesetzt, um zu verhindern, daß die Hochrüstungspolitik verherrlicht und daß Lehren vom „atomaren Erstschlag“ sowie vom „begrenzbaren“ und „gewinnbaren“ Atomkrieg in Rundfunk, Fernsehen, auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften ungehemmt verbreitet werden können. So wurde z. B. die Aggression der USA gegen Grenada in Massenmedien vor einem Millionenpublikum gerechtfertigt, ja verherrlicht. In seinem StGB-Kommentar vertritt der einstige namhafte Nazijurist E. Dreher die Auffassung, 'daß „der Angriffskrieg selbst nach § 80 nicht strafbar (ist), so daß auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg danach nicht strafbar ist“.4 Stellung der Justiz zur Friedensbewegung Die Friedensbewegung in den imperialistischen Staaten genießt hingegen keinen strafrechtlichen Schutz, denn sie steht iim Gegensatz zur Politik der herrschenden Kreise, die auf die aggressive USA-Politik der atomaren Hochrüstung eingeschworen sind. Der fehlende strafrechtliche Schutz der Friedensbewegung ist also nicht nur ein Ausdruck passiver Haltung der Justiz. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Bürger wegen ihres Eintretens für den Frieden verfolgt worden sind. So war der Kampf gegen die Remilitarisierung ein wesentlicher Grund für das 1956 ausgesprochene Verbot der KPD und die auf seiner Grundlage vorgenommene Verfolgung von Kommunisten und anderen demokratischen Kräften. Je mehr die Friedensbewegung anwächst, desto intensiver werden die Angriffe auf sie und ihre Repräsentanten. Das Bundesverfassungsgericht leistete der Stationierung atomarer Erstschlagswaffen in der BRD juristische Schützenhilfe. Mit idem Urteil vom 22. Dezember 1983 wies der 2. Senat die Klage mehrerer Rüstungsgegner ab und begründete das mit der antisowjetischen Bedrohungslüge. In dem Urteil wird behauptet, „die maßgebliche Quelle für die Gefährdung“ seien „Entscheidungen der Sowjetunion als eines fremden souveränen Staates Selbst wenn die Gefahr eines sowjetischen Kernwaffenangriffs durch die neuen Waffen erhöht" würde, könnte die Bundesrepublik nicht als Verursacher dieser angenommenen neuen Gefahrenlage angesehen werden“.5 Damit will das höchste Gericht der BRD die NATO-Hochrü-stungspolitik juristisch absegnen, die mit der Stationierung geschaffene gefährliche Lage verharmlosen und die Kriegsgefahr leugnen. Das Urteil negiert die Tatsache, daß die Bundesregierung mit ihrer Zustimmung zur Stationierung die Bundesrepublik der Gefahr ausliefert, durch die USA-Admi-nistration in einen atomaren Krieg hineingezogen zu werden. Die Stationierung wird für verfassungsgemäß und der Widerstand dagegen für unrechtmäßig erklärt. Im Alltag der BRD gibt es vielfältige, z. T. rowdyhafte Angriffe auf Friedensdemonstranten, ohne daß die Polizei oder die Strafverfolgungsorgane dagegen einschreiten. Statt- 1 Vgl. M. Schmidt, „Ein neuer Abschnitt der allgemeinen Krise des Kapitalismus“, Einheit 1983, Heft 7, S. 640 ff. Zur Krise der Kriminalitätsbekämpfung im Imperialismus als Moment der allgemeinen Krise des Kapitals vgl. J. Lekschas/H. Harrland/R. Hartmann/ G. Lehmann, Kriminologie, Theoretische Grundlagen und Analysen, Berlin 1983, S. 131 ff.; Kriminalität und Krise der Kriminalitätsbekämpfung im Imperialismus, Berichte der Humboldt-Universität 1982, Nr. 13. 2 U. S. News & World Report (Washington) vom 12. Oktober 1981, S. 39 ff. 3 Vgl. P. Przybylski, Zwischen Galgen und Amnestie, Berlin 1983, S. 61 fl. 4 E. Dreher, Strafgesetzbuch und Nebengesetze (BeCk’sche Kurz-Kommentare, Bd. 10), 38. Aufl., München 1978, Anm. 9 zu §80 (S. 470). 5 Frankfurter Rundschau vom 23. Dezember 1983.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 315 (NJ DDR 1984, S. 315) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 315 (NJ DDR 1984, S. 315)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der zulässigen strafprozessualen Tätigkeit zustande kamen. Damit im Zusammenhang stehen Probleme des Hinüberleitens von Sachverhaltsklärungen nach dem Gesetz in strafprozessuale Maßnahmen. Die Ergebnisse der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz Betroffene ist somit grundsätzlich verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr notwendigen Angaben über das Entstehen, die Umstände des Wirkens der Gefahr, ihre Ursachen und Bedingungen sowie der Täterpersönlichkeit als Voraussetzung dafür, daß jeder Schuldige konsequent und differenziert strafrechtlich zur Voran twortvmg gezogen werden kann, aber kein Unschuldiger verfolgt wird, die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht: ihre effektive Nutzung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit insbesondere dann zu realisieren sein, wenn der mutmaßliche Täter aktuell bei einem Handeln angetroffen diesbezüglich verfolgt wird und sich aus den objektiven Umständen dieses Handelns der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ermöglicht. die Vornahme von Maßnahmen der Blutalkoholbestimmung sowie von erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind im strafprozessualen Prüfungsstadium zulässig, wenn sie zur Prüfung des Vorliegens des Verdachts einer Straftat erfolgten Eröffnung der Befragung,sind alle weiteren Maßnahmen auf der. Grundlage der durchzuführen und abzuschließen. Bei der Durchführung der Sachverhaltsklärung nach Gesetz ist zu beachten, daß die in den entsprechenden Vorschriften der geforderten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind und welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind.

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