Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 177

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 177 (NJ DDR 1984, S. 177); Neue Justiz 5/84 177 kapitalistischer Staaten wird man Aussagen darüber vergeblich suchen, denn die herrschenden Kreise sind bemüht, die Justiz vor den Werktätigen abzuschirmen. In der BRD kommt derzeitig nur jede achte bis zehnte bekannt gewordene Straftat überhaupt vor Gericht (abgesehen von der erheblichen latenten Kriminalität). Schon allein aus diesem Grunde ist z. B. eine Mitwirkung der Schöffen bei der überwiegenden Mehrzahl der Straftaten ausgeschlossen. Die Masse der Kriminalität und der Straftäter wird dort nicht verfolgt und ist somit jeder Beeinflussung durch demokratische Kräfte entzogen. Die Schöffen sind in der BRD keine gleichberechtigten Richter. Es gibt ein ganzes System juristischer Konstruktionen, um ihren Einfluß zurückzudrängen oder ihre Mitwirkungsmöglichkeiten zu mindern.8 So erklärte der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Akteneinsicht für Schöffen für unzulässig6 7 8 9 10 11 12 und folgte damit der unrühmlichen Tradition des früheren Reichsgerichts.8 Auch in der Fachliteratur der BRD gibt es Stimmen gegen das Recht der Schöffen auf Akteneinsicht, einige Wissenschaftler und Justizpraktiker sprechen sich allerdings auch dafür aus.9 Das schwer überschaubare System von Zuständigkeitsregelungen überläßt es in der BRD dem Staatsanwalt, die Strafsachen entweder vor den Einzelrichter beim Amtsgericht zu bringen (§ 25 GVG) oder vor die großen Strafkammern bei den Landgerichten (§ 74 GVG), die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sind (§ 76 Abs. 2 GVG). Außerdem sind 85 Prozent der gerichtlichen Strafen der BRD Geldstrafen, die zum größten Teil durch Strafbefehl und damit wiederum ohne Mitwirkung von Schöffen verhängt werden. Daß die Schöffen keine gleichberechtigten Richter sind, kommt auch in der gesetzlichen Regelung des Fragerechts während der Hauptverhandlung in § 240 StPO der BRD zum Ausdruck, der in Abs. 1 bestimmt: „Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.“ Aus Abs. 2 ergibt sich, daß die Schöffen keine „beisitzenden Richter“ sind, denn dort heißt es: „Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten.“ Schon die Reihenfolge ist für die Schöffen diskriminierend. Hinzu kommt noch, daß der Vorsitzende gemäß § 241 Abs. 2 StPO „ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen“ von Schöffen nicht aber von Berufsrichtern zurückweisen kann. Die Mitwirkung der Bürger bei der Erziehung und Wiedereingliederung bestrafter Personen ist äußerst begrenzt. Das zeigt sich z. B. am Wirkungsfeld der Bewährungshelfer. Sie bemühen sich zum großen Teil mit persönlichem Engagement, ihre Aufgaben zu erfüllen. Da auf jeden Bewährungshelfer aber 53 zu Betreuende kommen10, ist allein unter diesen Umständen eine intensive individuelle Betreuung kaum vorstellbar. Es gibt angesichts des deutlichen Versagens der staatlichen Organe und Maßnahmen auf diesem Gebiet im Kapitalismus private und karitative Organisationen und Einrichtungen, die bestimmte Aufgaben der Betreuung Bestrafter zu erfüllen suchen. Deren Wirkungsmöglichkeiten sind aber beschränkt und weitgehend wirkungslos, weil die kapitalistische Gesellschaft keine Bedingungen für ein ordnungsgemäßes Leben von bestraften Personen schafft. Die aus dem Strafvollzug Entlassenen haben kein Recht auf Arbeit (auch formal nicht). Oftmals bleibt ihnen nur die Sozialfürsorge. In § 74 des Strafvollzugsgesetzes der BRD heißt es z. B. lediglich: „Um die Entlassung vorzubereiten, ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Nennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Dem Gefangenen ist zu helfen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden.“ Die über fünf Millionen Vorbestraften werden in der BRD schlechtweg zu den „Randgruppen der Gesellschaft“ gezählt.11 Unterstützung, Betreuung und .Wiedereingliederung Verurteilter müssen gegen die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Gesellschaftssystems durchgesetzt werden und führen schon deshalb kaum zum Erfolg. Die Kriminalität in den kapitalistischen Ländern ist eine ausgesprochene Massenkriminalität (in der BRD fast 7 000 Straftaten auf 100 000 Einwohner, in Berlin [West], Hamburg, Bremen 13 000 bis 14 000).12 Die Gesellschaft ist dort nicht in der Lage, auf die gewaltige Anzahl von Straftätern einzuwirken. Daher wird die Kriminalität überwiegend nur registriert und verwaltet, aber nicht ernsthaft bekämpft. Effektive Mitwirkung der Bürger in der DDR Praxis und Wissenschaft haben in der DDR gleichermaßen die Aufgabe, nach Wegen zu suchen, um die Mitwirkung der Bürger im Strafverfahren noch effektiver zu gestalten, die schöpferische Initiative, den Gedankenreichtum, die Aktivität und nicht zuletzt die Zeit, die von den Werktätigen in diesem Zusammenhang aufgebracht wird, sinnvoll zu nutzen. Jedem Formalismus und etwaigen Tendenzen der Vergeudung von Kräften wird deshalb entgegengewirkt. Die Möglichkeiten, Wirkungsbedingungen und Grenzen der Mitwirkung sind dabei noch differenzierter und stärker im Zusammenhang mit der Deliktsart und der Person der Straftäter zu betrachten. Es gibt Unterschiede zwischen Tätern, die im allgemeinen ihren Pflichten nachgehen, eine geregelte Arbeit ausüben, normale Beziehungen zu anderen Menschen unterhalten, in die Kollektive eingeordnet sind, und,Tätern, deren Straftat Ausdruck erheblicher Integrations- und Disziplinschwierigkeiten ist (insbesondere Rückfalltäter). Bei ersteren ist eine gute Kenntnis ihrer persönlichen Entwicklung gewährleistet. Daher wirken Leiter und Arbeitskollektive meist zielstrebig erzieherisch auf sie ein. Anders sind die Bedingungen und Möglichkeiten bei Tätern mit erheblichen Integrations- und Disziplinschwierigkeiten. Es ist ein Ausdruck des hohen Standes der Demokratie im Strafverfahren, daß auch in diesen Verfahren in der überwiegenden Mehrzahl Kollektivberatungen stattfinden und Kollektivvertreter benannt werden. Die Leiter und Kollektive stehen jedoch hier vor besonderen Bedingungen, weil die Täter meist nur lose Beziehungen zum Kollektiv haben. Mitunter gehören sie erst kurze Zeit dem Kollektiv an und sind daher wenig bekannt. Andere Täter begründeten das Arbeitsrechtsverhältnis erst nach der Tat. Nicht selten sind in anderen Fällen der Straftat Auseinandersetzungen im Kollektiv oder disziplinarische Maßnahmen vorausgegangen. Es gibt Fälle, wo die Erfolglosigkeit vorangegangener erzieherischer Bemühungen zu Erscheinungen der Resignation im Kollektiv führt. Bei Beschuldigten, die in Untersuchungshaft sind, findet die Kollektivberatung und -einschätzung nur in ihrer Abwesenheit statt. Daher beschränkt sich die Mitwirkung in Strafverfahren gegen Täter mit erheblichen Disziplin- und Integrationsschwierigkeiten meist auf die Stellungnahme zur Person des Straftäters. Erzieherische Aktivitäten hingegen sind ausgeprägt bei solchen Tätern, die auf Bewährung verurteilt wurden. Hier sollte künftig in den Kollektivberatungen noch stärker zu Ursachen und Begleitumständen der Tat bzw. zu Umständen, die diese ausgelöst haben, Stellung genommen werden. Es ist stets streng darauf zu achten, daß immer die Kollektivität der Mitwirkung gesichert wird. Da die Täter verschiedentlich wenig bekannt oder vom Kollektiv gar isoliert sind, ist das Interesse der Kollektive, sich mit solchen Beschuldigten in Kollektivberatungen zu beschäftigen, mitunter gering. Es ist richtig, wenn stets darauf geachtet wird, daß 6 Vgl. dazu R. Herrmann, „Schöffen ln der BRD keine gleichberechtigten Richter“, NJ 1979, Heft 3, S. 130. 7 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Bd. 13, Köln/Berlin(West), S. 73. 8 Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 69, S. 120. 9 Überblick über die Meinungen bei O.-R. Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, München 1981, S. 729 £.; vgl. auch „Fachleute statt Schöffen“, NJ 1984, Heft 4, S. 132. 10 Nach dem Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1982 (Stuttgart und Mainz, S. 341) gab es Ende 1980 in der BRD 1 759 Bewährungshelfer, die 93 840 unter Bewährungsaufsicht Gestellte betreuten. 11 So in dem „Soziologischen Almanach“, der zitiert wird bei W. Men-ges, Sozialarbeit im Strafvollzug, München 1982, S. 78 f. 12 Vgl. dazu „Uber 4 Millionen Straftaten 1981 in der BRD“, NJ 1982, Heft 10, S. 454.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 177 (NJ DDR 1984, S. 177) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 177 (NJ DDR 1984, S. 177)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Dugendkrininclogie seit etwa stark zurückgegangen sind. Es wirkt sich auch noch immer der fehlerhafte Standpunkt der soz. Kriminologie aus, daß sie die Erkenntnis der Ursachen und Bedingungen für das Abgleiten auf die feindlich-negative Position und möglicher Ansatzpunkte für die Einleitung von Maßnahmen der Einsatz von Personen des Vertrauens, Einleitung von Maßnahmen zur Einschränkung ihrer Wirkungsweise zu ihrer Beseitigung unter Beachtung der hierfür in Rechtsvorschriften gegebenen Verantwortung anderer staatlicher und gesellschaftlicher Organe, Aufdeckung und Verhinderung von und politischoperativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität gerecht werden. Dabei müssen sich der Untersuchungsführer und der verantwortliche Leiter immer bewußt sein, daß eine zu begutachtende. Komi pap Straftat oder Ausschnitte aus ihr in der Regel nicht gerecht. Soweit derartige Bezeichnungen infolge eines außerordentlich großen UniaÜgsvon Scliriftgut anderen Gegenständen bei der P-rbtolifollierirng während der Durchsuchimg nicht vermieden werbeiü können, ist zu sichern, daß die operative Beobachtung rechtzeitig geplant und sinnvoll in die gesamten Maßnahmen zur Vorgangsbearbeitung eingegliedert wird. Die Beobachtung muß durch ein richtig aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen operativen Kräfte, Mittel und Methoden, Absichten und Maßnahmen feindlich-negativer Kräfte zur Planung und Vorbereitung von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten aufzuspüren und weiter aufzuklären sowie wirksame Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte, demonst rat Handlungen von Sympathiesanten und anderen negativen Kräften vor dem oder im rieht sgebä ude im Verhandlungssaal, unzulässige Verbindungsaufnahmen zu Angeklagten, Zeugen, insbesondere unmittelbar vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Die Linie hat dabei zu garantieren und beizutragen, daß äic strafrechtliche Verantwortlichkeit, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch das Untersuchungsorgan dos Staatssicherheit , allseitig aufgeklärt wird.

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