Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 109

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 109 (NJ DDR 1984, S. 109); Neue Justiz 3/84 109 Als „hörgeschädigt“ sind solche Bürger anzusehen, deren Hörschädigung von leichter Schwerhörigkeit bis zur vollständigen Taubheit reicht. Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit sind Schädigungen, deren Auswirkungen auf den Betreffenden von gesunden Menschen oftmals nicht richtig eingeschätzt werden. Die hörgeschädigte Person ist auf den ersten Blich nicht als solche zu erkennen, so daß sich die Schwere der Schädigung nicht sofort in vollem Umfang darbietet Die außerordentlich schwerwiegenden Folgen für den Betreffenden erklären sich aus der Bedeutung der Sprache für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Um verständlich sprechen zu lernen, muß man zunächst hören können. Von Geburt an Gehörlose und vor dem Spracherwerb ertaubte Menschen haben daher nur die Möglichkeit die Lautsprache in den Gehörlosenschulen auf künstlichem Wege zu erlernen, wobei der Verständlichkeit des Sprechens große Bedeutung zukommt. Soll Kommunikationsschwierigkeiten mit Aufschreiben begegnet werden, dann ist zu bedenken, daß Lesen nicht zugleich Verstehen bedeutet Dem Hörgeschädigten mangelt es an Informationen, ihm fehlt das grammatikalische Sprachgefühl, und er hat auch nur einen eingeschränkten Wortschatz. Er vermag nicht herauszuhören, ob ein Satz ernsthaft oder scherzhaft gemeint, ob er als Frage oder als Aufforderung zu verstehen ist. Das trifft auch bereits auf Schwerhörige zu, selbst wenn sie sich eines Hörgeräts bedienen. In der DDR gibt es rund 300 000 Hörgeschädigte (Schwerhörige, Ertaubte und Gehörlose). In ihrem Interesse wird als gesellschaftliche Organisation der Gehörlosen- und Schwer-hörigen-Verband der DDR (GSV) tätig. Er unterstützt die Hörgeschädigten dabei, gleichberechtigt aktiv am Leben in unserer Gesellschaft teilzunehmen, insbesondere auch durch ihre Einbeziehung in den Arbeitsprozeß und durch Hilfe bei der Überwindung von Sprachbarrieren. Ehrenamtliche Dolmetscher und Sachverständige für Hörgeschädigte sowie hauptamtliche Sozialbetreuer können hörgeschädigten Menschen helfen, ihre straf- und zivilprozessualen Rechte und Pflichten zu wahren. Sie tragen dadurch mit dazu bei, die Voraussetzungen für richtige und erzieherisch wirksame gerichtliche Entscheidungen zu schaffen. Gehörlosendolmetscher (Gebärdendolmetscher) sind überwiegend hörende Kinder hörgeschädigter Eltern. Sie beherrschen die Gebärde von Kindheit an. Es können sich aber auch Personen zum Gebärdendolmetscher qualifizieren, die durch jahrelangen Umgang mit Hörgeschädigten, verbunden mit intensiver Übung, die Gebärde erlernen. Die Organe der Rechtspflege müssen davon ausgehen, daß Gehörlose im allgemeinen infolge ihres wesentlich geringeren Wort- und Begriffsschatzes komplizierte Sätze oder juristische Termini häufig nicht verstehen. Für manche Begriffe gibt es keine entsprechenden Gebärden, so daß der Gehörlosendolmetscher Umschreibungen finden muß. In diesen Fällen muß er analog der Gebärden den gedolmetschten Text mitsprechen, damit das Gericht beurteilen kann, ob dieser Text den gestellten Fragen bzw. dem Vorhalt entspricht. Es ist daher von großer Bedeutung, daß einfache, klare Sätze formuliert werden. Kein Gehörlosendolmetseher ist berechtigt, ohne Zustimmung z. B. des Gerichts den Wortlaut einer Frage oder eines Hinweises der Richter zu verändern. Entsprechend § 5 der AO über die Bestellung von Dolmetschern und Übersetzern für die Gerichte und Staatlichen Notariate vom 11. Mai 1963 (GBl. II Nr. 52 S. 371) i. d. F. der AO über die Entschädigung für Schöffen und Beteiligte am Gerichtsverfahren sowie für Mitglieder der Schiedskommissionen vom 8. Oktober 1971 (GBl. II Nr. 75 S. 637) ist der Gehörlosendolmetscher zur gewissenhaften und wahrheitsgetreuen Übersetzung sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Gehörlosendolmetscher ist gemäß § 85 StPO bereits im Ermittlungsverfahren hinzuzuziehen. Bei Durchführung eines Gerichtsverfahrens sind gehörlosen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich mit der Terminsladung auch Name und Adresse des Dolmetschers mitzuteilen. Andererseits muß der Dolmetscher Namen und Adresse des Gehörlosen kennen, um sich mit ihm vor dem Termin in Verbindung setzen zu können, da es unterschiedliche Gebärden gibt. Der Vorsitzende des Gerichts sollte sich bereits in Vorbe- reitung des Verhandlungstermins mit dem Gehörlosendolmetscher gemäß § 199 Abs. 2 StPO konsultieren, damit dieser ihn auf die Besonderheiten im Umgang mit Hörgeschädigten aufmerksam machen kann. Gute Erfahrungen haben diejenigen Gerichte gemacht, die im Interesse einer zügigen Verfahrensdurchführung den Verhandlungstermin mit dem nebenberuflich als Gehörlosendolmetscher tätigen Werktätigen abstimmten. Sachverständige für Gehörlose sind Pädagogen mit Hochschulabschluß (Dipl.-Pädagoge für Hörgeschädigte). Hörgeschädigtenpädagogen verfügen über Spezialkenntnisse und über notwendige Erfahrungen im Umgang mit Gehörlosen. Sie können z. B. die Gehörlosigkeit als Entwicklungshemmung sicher beurteilen und ihre Auswirkung in psychologischer Hinsicht sowie auf das soziale Verhalten einschätzen. In Strafsachen vermag sich der Sachverständige für Gehörlose dazu zu äußern, ob durch die Hörschädigung Besonderheiten vorliegen, die für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und den Grad der Schuld Bedeutung haben. Er ist in der Lage, dem Gericht die besonderen Reaktionen Hörgeschädigter in bestimmten Situationen zu erläutern. Daher empfiehlt es sich, einen solchen Sachverständigen bereits in Vorbereitung des Termins hinzuzuziehen, da er Hinweise geben kann, die u. U. Anlaß zur Einholung eines psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens bieten. Ein forensisches Gutachten ist dann beizuziehen, wenn wegen begründeter Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit (§§ 15, 16 StGB) bzw. Schuldfähigkeit (§66 StGB) des hörgeschädigten Angeklagten zur Prüfung und Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit weitere Spezialkenntnisse erforderlich sind.* Bei der Anforderung eines forensischen Gutachtens teilen die Gerichte der beauftragten Einrichtung den Namen des am Verfahren mitwirkenden Sachverständigen für Gehörlose mit, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen, wobei letzterer aber nicht gleichzeitig als Dolmetscher im Termin auftreten kann. In ZFA-Verfahren ist der Sachverständige für Gehörlose in der Lage, entsprechend dem Prozeßstoff z. B. in Zivilsachen darüber Aufschluß zu geben, ob trotz der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung die Fähigkeit des Hörgeschädigten vorhanden war, die Problematik von Abzahlüngsverträgen mit Eigentumsvorbehalt, von Hypotheken oder von Erbschaftsangelegenheiten usw. voll zu erkennen. Hierzu bedarf es spezieller Sachkunde über die Sprachbeherrschung des einzelnen Gehörlosen, über die nur der Hörgeschädigtenpädagoge verfügt. Sozialbetreuer für Hörgeschädigte sind als Gesundheitsfürsorger, teilweise als Hörgeschädigten-Pädagogen, ausgebildet und stehen den Organen der Rechtspflege als Konsultanten zur Verfügung. Sie sind dafür besonders geeignet, weil sie auf Grund ihrer hauptberuflichen Tätigkeit problematische Fälle ihres Bezirks genau kennen. Um Hörgeschädigte, insbesondere Gehörlose, in allen Lebensfragen gut betreuen und beraten zu können, beschäftigt der Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband seit 1977 in allen Sekretariaten der Bezirksvorstände Sozialbetreuer. Sie sind wegen ihrer in der täglichen Arbeit gewonnenen Erfahrungen dafür prädestiniert, in Strafverfahren und in ZFA-Verfahren mit hörgeschädigten Prozeßparteien mitzuwirken. Bei jugendlichen Beschuldigten und Angeklagten kann der Sozialbetreuer ein geeigneter Jugendbeistand gemäß § 72 Abs. 3 StPO sein; er sollte dann bereits in das Ermittlungsverfahren einbezogen werden. In Strafverfahren gegen erwachsene Hörgeschädigte könnte der Sozialbetreuer als sachverständiger Zeuge nach § 24 Abs. 1 Ziff. 1 StPO am Verfahren mitwirken. In ZFA-Verfahren hat der Sozialbetreuer nach § 3 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, die Interessen hörgeschädigter Bürger vor Gericht zu vertreten. Unseres Erachtens ist es richtig, daß der Sozialbetreuer dann, wenn er als Prozeßvertreter am Verfahren mitwirkt, zugleich Sprachmittler ist zwischen Gericht und hörgeschädigter Prozeßpartei. Er könnte auch gemäß § 53 ZPO als sachverständiger Zeuge im Verfahren gehört werden. Zur Anforderung psychiatrischer und psychologischer Sachverständigengutachten vgl. den Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Arbeitsweise bei der Einholung und Prüfung psychiatrischer und psychologischer Gutachten vom 7. Februar 1973 (NJ-Beilage 2/73 zu Heft 6).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 109 (NJ DDR 1984, S. 109) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 109 (NJ DDR 1984, S. 109)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, in allen Situationen rieh tig zu reagieren und zu handeln. Eine sachliche, kritische, kämpferische Atmosphäre in allen Kollektiven trägt entscheidend dazu bei, unsere Potenzen noch wirksamer im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen zu mißbrauchen. Dazu gehören weiterhin Handlungen von Bürgern imperialistischer Staaten, die geeignet sind, ihre Kontaktpartner in sozialistischen Ländern entsprechend den Zielen der politisch-ideologischen Diversion zu erkennen ist, zu welchen Problemen die Argumente des Gegners aufgegriffen und verbreitet werden, mit welcher Intensität und Zielstellung dies geschieht.

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