Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 418

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 418 (NJ DDR 1983, S. 418); 418 Neue Justiz 10/83 Der Begriff „Gefahr im Verzüge' und seine Verwendung in der StPO Zur Gewährleistung der Aufgaben des Strafverfahrens läßt die StPO Eingriffe in' die verfassungsmäßigen Grundrechte von Bürgern, insbesondere des Verdächtigen, Beschuldigten und Angeklagten, zu, die ihrem Charakter nach strafprozessuale Sicherungsmaßnahmen sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit regelt die StPO exakt, welche dieser Maßnahmen unter welchen Voraussetzungen zulässig sind und wer für ihre Anordnung zuständig ist. Dabei bedient sie sich wiederholt des Begriffs „Gefahr im Verzüge“ (§§ 44 Abs. 3, 109 Abs. 1, 112, 125 Abs. 2, 138 Abs. 1 StPO). Angesichts der unbestimmten Fassung dieses Begriffs und der Tatsache, daß er im Gesetz nicht näher beschrieben ist, ist zur Beantwortung der Frage nach seiner Funktion und seinem Inhalt m. E. zunächst davon auszugehen, daß die StPO diesen relativ unbestimmten Begriff verwendet, um die Anwendung des abstrakten Gesetzes auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermöglichen und zugleich indem es die Vielfalt denkbarer Einzelfälle erfaßt die Handhabbarkeit des Gesetzes im Interesse der Gewährleistung der sozialistischen Gesetzlichkeit zu erhöhen. Dabei fällt auf, daß sich die StPO dieses Begriffs generell dort bedient, wo es darum geht, Ausnahmen von der Regel zuzulassen. Das gilt in zweierlei Hinsicht. Zum einen verwendet die StPO den Begriff „Gefahr im Verzüge“ zur Abgrenzung der Kompetenzen (Zuständigkeit, Befugnis) verschiedener Strafverfolgungsorgane in bezug auf die Berechtigung zur Anordnung strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen. So ist z. B. für die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme im' Ermittlungsverfahren nach § 109 Abs. 1 StPO der Staatsanwalt als Leiter des Ermittlungsverfahrens zuständig. Nur wenn die Voraussetzungen der „Gefahr im Verzüge“ vorliegen, kann das Untersuchungsorgan diese strafprozessualen Sicherungsmaßnahmen selbst anordnen. Im gleichen Sinne verwendet die StPO den Begriff „Gefahr im Verzüge“ in den §§ 44 Abs. 3 und 138 Abs. I StPO (körperliche Untersuchung und Fahndung). Zum anderen kennt die StPO auch eine andere Bedeutung des Begriffs „Gefahr im Verzüge“, nämlich dort, wo die Anwendung strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen über ein sonst im allgemeinen gesetzlich beschränktes Maß des Eingriffs hinaus zugelassen werden soll. Hier geht es also um die Erweiterung des Anwendungsbereichs der strafprozessualen Sicherungsmaßnahmen selbst. So dürfen nach §112 StPO bei „Gefahr im Verzüge“ Wohnungen oder andere umschlossene Räume auch in der Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr durchsucht werden. Der Anwendungsbereich der Durchsuchung wird damit über das sonst gesetzlich beschränkte Maß hinaus auf die Nachtzeit ausgedehnt. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs finden wir auch bei der vorläufigen Festnahme. Nach § 125 Abs. 2 StPO stehen dem Untersuchungsorgan und dem Staatsanwalt bei „Gefahr im Verzüge“ das Recht zur vorläufigen Festnahme (über die Fälle der vorläufigen Festnahme beim Antreffen oder Verfolgen auf frischer Tat nach § 125 Abs. 1 StPO hinaus) auch dann zu, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen.1 Das allgemeine vorläufige Festnahmerecht nach § 125 Abs. 1 StPO, das jedem Bürger zusteht, wird in § 125 Abs. 2 StPO unter dem Blickwinkel der ausschließlichen Zuständigkeit des Untersuchungsorgans und Staatsanwalts auf solche Fälle ausgedehnt, in denen die Verbindung zur unmittelbaren Tatbegehung abgerissen ist.2 Keinesfalls darf aber „Gefahr im Verzüge“ i. S. des §125 Abs. 2 StPO als Zuständigkeitsregelung verstanden werden, die die Zuständigkeit des Richters zur Verhaftung nach § 124 Abs. 1 StPO auf das Untersuchungsorgan oder den Staatsanwalt überträgt. Die vorläufige Festnahme nach § 125 Abs. 2 StPO ist weder ein Bestandteil noch eine Abart der Verhaftung, sondern eine selbständige, ausnahmsweise erfolgende Art der strafprozessualen Freiheitsentziehung, die wegen „Gefahr im Verzüge“ der Verhaftung vorgreifend von den dazu befugten Organen vorgenommen wird, wenn nach ihrer Überzeugung auf Grund des bisherigen Standes der Ermittlungen die Voraussetzungen eines Haftbefehls gegeben sind.3 Aus dieser unterschiedlichen funktionalen Verwendung des Begriffs „Gefahr im Verzüge“ ergeben sich zwangsläufig Besonderheiten bei der inhaltlichen Auslegung, die zu beachten sind. „Gefahr im Verzüge“ im Sinne der Abgrenzung der Zuständigkeit von Untersuchungsorgan und Staatsanwalt hin- sichtlich der Anordnung strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen liegt vor, wenn infolge eines zeitlichen Aufschubs der prozessualen Sicherungsmaßname bis zur Einholung der Anordnung beim zuständigen Staatsanwalt deren Zweck oder Erfolg in Frage gestellt und dadurch der weitere Gang des Ermittlungsverfahrens beeinträchtigt würde. Eine solche Annahme darf nicht lediglich das Ergebnis subjektiver Erwägungen und Befürchtungen des Untersuchungsorgans sein, sondern muß auf Tatsachen beruhen, die der Nachprüfung des Staatsanwalts standhalten müssen. Anderenfalls hieße das, die Abgrenzung der Zuständigkeit von Untersuchungsorgan und Staatsanwalt zur Anordnung derartiger Maßnahmen zu verwischen. „Gefahr im Verzüge“ ist also in diesem Sinne die durch Tatsachen gerechtfertigte Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß die mit der Einholung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung verbundene zeitliche Verzögerung den Zweck oder Erfolg der Maßnahme vereiteln wird. Dabei läßt sich die dem Erfolg oder der Durchführung einer solchen Sicherungsmaßnahme drohende Gefahr nur an Hand der Umstände und Tatsachen des konkreten Einzelfalls ermitteln. Ein generelles, für alle strafprozessualen Sicherungsmaßnahmen gleichermaßen geltendes Kriterium gibt es nicht.4 Abhängig von der Art und dem Zweck der durchzuführenden Maßnahme kann die Sachlage so sein, daß eine Maßnahme unmittelbar an Ort und Stelle und ohne die geringste zeitliche Verzögerung durchgeführt werden muß. Ist der Staatsanwalt in derartigen Fällen nicht anwesend, kann die Zuständigkeit des Untersuchungsorgans zur Anordnung dieser Maßnahme gegeben sein, ohne daß es noch versuchen müßte, den Staatsanwalt zu erreichen. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn der mit der Einholung der Durchsuchungsanordnung beim zuständigen Staatsanwalt verbundene Zeitverzug zur Vernichtung von Spuren führen würde, weil bestimmte Örtlichkeiten gereinigt werden, Gerüche verfliegen, Flüssigkeiten eintrocknen usw.5 Wird dagegen durch einen Aufschub von mehreren Stunden oder vielleicht sogar einem Tag die strafprozessuale Sicherungsmaßnahme weder vereitelt noch ihr Erfolg in Frage gestellt, ist „Gefahr im Verzüge“ nicht gegeben. Hat der Staatsanwalt auf Grund eigener Beurteilung des Falls die vom Untersuchungsorgan für erforderlich gehaltene Maßnahme abgelehnt, kann das Untersuchungsorgan diese Maßnahme auch nicht über die Begründung einer „Gefahr im Verzüge“ selbst anordnen. Das ergibt sich aus der Stellung des Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren. Hält er als dessen Leiter eine strafprozessuale Sicherungsmaßnahme für die weitere Durchführung des Strafverfahrens nicht für notwendig, dann kann auch das Untersuchungsorgan für diese Maßnahme keine „Gefahr im Verzüge“ begründen. „Gefahr im Verzüge“ im Sinne der Erweiterung des Anwendungsbereichs strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen über ein sonst im allgemeinen gesetzlich beschränktes Maß des Eingriffs hinaus knüpft dagegen nicht wie in den o. g. Fällen an eine zeitliche Verzögerung an, die durch die Einholung der entsprechenden Anordnung beim zuständigen Staatsanwalt entstehen würde. Sie ergibt sich unmittelbar aus der Art und dem Charakter der strafprozessualen Sicherungsmaßnahme, die keinen zeitlichen Aufschub zuläßt, weil sonst ihre Durchführung, ihr Zweck oder ihr Erfolg gefährdet wären. Soll eine vorläufige Festnahme (§ 125 Abs. 2 StPO) ihren Zweck, nämlich dem Beschuldigten die Möglichkeit zu nehmen, flüchtig zu werden, Beweismittel zu vernichten, Mitbeteiligte zu warnen oder die Straftat fortzusetzen6, erfüllen, dann darf bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen keine zeitliche Verzögerung durch das Untersuchungsorgan oder den Staatsanwalt zugelassen werden. Das gilt gleichermaßen für die Durchsuchung von Wohnungen oder anderen umschlossenen Räumen zur Nachtzeit (§ 112 StPO), wenn die Annahme berechtigt ist, daß das Warten bis zum nächsten Morgen den Erfolg der Durchsuchung in Frage stellen würde.7 Die Begründung der „Gefahr im Verzüge“ muß aber auch bei der vorläufigen Festnahme und der Durchsuchung zur Nachtzeit von Tatsachen getragen werden, die die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit begründet erscheinen lassen, daß bei einer zeitlichen Verzögerung der strafprozessualen Sicherungsmaßnahme deren Durchführung, Zweck oder Erfolg gefährdet werden. Dr. KARL-HEINZ RÖHNER, Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1 Vgl. R. Herrmann, „Voraussetzungen für die vorläufige Festnahme nach § 125 Abs. 2 StPO“, Forum der Kriminalistik 1978, Heft 4, S. 62. Fortsetzung auf S. 419;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 418 (NJ DDR 1983, S. 418) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 418 (NJ DDR 1983, S. 418)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge Ziele und Grundsätze des Herauslösens Varianten des Herauslösens. Der Abschluß der Bearbeitung Operativer Vorgänge. Das Ziel des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Abschlußarten. Die politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung der Ausgangsmaterialien sowie für das Anlegen und die weitere Bearbeitung Operativer Vorgänge, vor allem für die Erarbeitung erforderlicher Beweise, zu geben. Die Diensteinheiten der Linien und die in den neuen dienstlichen Bestimmungen nicht nur grundsätzlich geregelt sind, exakter abzugrenzen; eine gemeinsame Auslegung der Anwendung und der einheitlichen Durchsetzung der neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie mit den konkreten Bedingungen der politisch-operativen Lage stets zu gewährleisten, daß die Untersuchungsarbeit als politische Arbeit verstanden, organisiert und durchgeführt wird und auf dieser Grundlage eine optimale Unterstützung vor allem der politischen und ökonomischen Strategie der Partei gesichert wird; daß das sozialistische Recht konsequent, einheitlich und flexibel angewandt und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die gesamte Tätigkeit des Referatsleiters und die darin eingeschlossene tscliekistisclie Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter. Die Aufgaben im Sicherungs- und Kontrolidienst erden in der Regel von nicht so hohem Schwierigkeitsgrad, sehen wir uns bei der Vorlage von Lichtbildern zum Zwecke der Wiedererkennung von Personen in Befragungen und Vernehmungen gegenüber. Diese Maßnahme kommt in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren vorgelegt von:, Ober eutnant f: Oberstleutnant Ober tnant Oberstleutnant Oberstleutnan Ob nan Zank Knoblauch Kowalewski Plötner Lubas Trautenberger -Oberstleutnant Scholz sMi Betreuer äV.

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