Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 399

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 399 (NJ DDR 1983, S. 399); Neue Justiz 10/83 399 In der Folgezeit wurde mit einer Vielzahl von Lügen und Verschleierungen, die sich im Kern mit der von Diekmann ausgegebenen Legende deckten, von den faschistischen Befehlszentralen versucht, das tatsächliche Geschehen und sein Zustandekommen zu vertuschen. Die widersprüchlichen und teils eindeutig falschen Darlegungen des Zeugen Okrent, ehemals SS-Obersturmbannführer und Chefrichter der SS-Di-vision „Das Reich“, lassen keinen Schluß zu, ob tatsächlich kriegsgerichtliche Untersuchungen durchgeführt worden sind. Zur Verantwortung jedenfalls wurde niemand gezogen. Der Angeklagte wurde als beteiligter Offizier zu keinem Zeitpunkt auch nur gehört. Für seine Beteiligung an den Verbrechen in Oradour-sur-Glane wurde der Angeklagte vom Ständigen Militärtribunal Bordeaux am 13. Februar 1953 in Abwesenheit zum Tode verurteilt und die Vollstreckungsverjährung auf den 12. Februar 1973 bestimmt. IV (Es folgen Ausführungen zur Würdigung der Beweiserhebung.) V Die in diesem Verfahren zu beurteilenden Handlungen gegen das tschechische und französische Volk liegen fast vier Jahrzehnte zurück, aber sie sind zu keiner Stunde aus dem Gedächtnis der friedliebenden Menschen verdrängt, sie blieben als bedrückendes Geschichtserlebnis lebendig, weil nur die ständige Besinnung auf diese grausame Zeit und ihre Ursachen sowie die Gewißheit einer gerechten Bestrafung der für solche Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen Verantwortlichen gleich nach welchem Zeitablauf das Gesetz die Täter erreicht die Völker vor der Wiederholung solcher Barbarei schützt. Deshalb hat die Deutsche Demokratische Republik in uneingeschränkter Durchsetzung von Geist und Buchstaben des Potsdamer Abkommens von 1945 und des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher das völkerrechtliche Prinzip der Nichtverjährbarkeit von Nazi-und Kriegsverbrechen, wie es in der UNO-Konvention vom 26. November 1968 fixiert wurde, von Beginn an ihrer Verfassung sowie der Strafverfolgungspraxis zugrunde gelegt. Nach Art. 8 und 91 der Verfassung der DDR ist Art. 6 des Statuts des Internationalen Militärtribunals (IMT-Statut) unmittelbar geltendes Strafrecht, wie im Teil G Abschn. I des Urteils des Obersten Gerichts der DDR gegen Globke vom 23. Juli 1963 - 1 Zst (I) 1/63 - (NJ 1963, Heft 15, S. 449 f.) und in Abschn. IV des Urteils gegen Fischer vom 25. März 1966 1 Zst (I) 1/66 - (NJ 1966, Heft 7, S. 193 ff.) festgestellt wurde. Danach bestimmt Art. 6 des IMT-Statuts materiell-rechtlich, welche Handlungen als Kriegs- bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen sind, während auf der Grundlage von § 1 Abs. 6 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum StGB und zur StPO vom 12. Januar 1968 i. d. F. vom 16. Juni 1977 der Strafrahmen den entsprechenden Tatbeständen des Besonderen Teils des StGB zu entnehmen ist. Insoweit kommen die §§ 91 Abs. 2 und 93 Abs. 3 StGB in Betracht. Bei den festgestellten Handlungen des Angeklagten, die er als Deutscher während des Krieges an der Zivilbevölkerung in den von Deutschland okkupierten Gebieten beging, handelt es sich um Kriegsverbrechen nach Art. 6 des IMT-Statuts. Das betrifft auch die Verbrechen im sog. Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsauffassung des Nürnberger Urteils gegen die Hauptkriegsverbrecher zu verweisen, wonach „ diese Gebiete (Böhmen und Mähren) niemals dem Reich angegliedert wurden“ (Der Nürnberger Prozeß, a. a. O., S. 205). Danach sind alle nach dem 1. September 1939 in diesen durch die Erpressungspolitik Nazideutschlands bereits vor Kriegsausbruch annektierten Gebieten der CSR begangenen Handlungen gegen die Bevölkerung im Sinne von Art. 6 des IMT-Statuts als Kriegsverbrechen zu beurteilen. Jene nach Art. 6 Buchst, b des IMT-Statuts bezeichneten Kriegsverbrechen in den eroberten Gebieten stellen zugleich Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, soweit sie in ihren Alternativen mit Buchst, c der gleichen Bestimmung identisch sind. Indem der Angeklagte in den festgestellten Handlungskomplexen in Klatovy und Pardubice freiwillig an der Ermordung der nach Gestapoentscheidungen zu tötenden tschechischen Bürger teilnahm, beging er nach Art. 6 Buchst, b und c des IMT-Statuts Mord an der Zivilbevölkerung während des Krieges. Der bezeichnete Tatbestand umfaßt als Mordhandlungen dabei nicht nur die unmittelbare Tötung der Menschen, wie es der Angeklagte als Mitglied der Er-, schießungskommandos zu verantworten hat, sondern auch jene Teilnahmeformen, die notwendiger Bestandteil zur Ausführung der Verbrechen waren. Die Absicherung der Mordstätte mit der Waffe zur Verhinderung der Flucht zu ermordender Menschen ist daher Beteiligung an deren Tötung. Die Mitwirkung des Angeklagten am Sicherungskommando in Pardubice bei der Erschießung am 9. Juli 1942 ist somit gleichermaßen tatbestandsmäßig nach Art. 6 des IMTrStatuts. Der Angeklagte wirkte als einer der leitenden Offiziere am Massaker in Oradour-sur-Glane mit. Auch diese Aktion war in ihrer Gesamtheit nur so zu realisieren, als alle Beteiligten arbeitsteilig handelnd ihren notwendigen Beitrag zum Gesamtergebnis leisteten. Diese Überlegung liegt dem Tatbestand der Beteiligung im Sinne des IMT-Statuts zugrunde. Einen solchen tatbestandsmäßigen Beitrag hat der Angeklagte zu verantworten. Durch Befehlsausführung, Befehlserteilung, eigenhändige Erschießung und durch die Kontrolle seiner Untergebenen machte sich der Angeklagte nach der gleichen Alternative des angeführten IMT-Statuts schuldig. Art. 6 Buchst, b des IMT-Statuts stellt ferner die Beteiligung an der mutwilligen Zerstörung von Dörfern in besetzten Gebieten unter Strafe. Die Beteiligung des Angeklagten als Führer einer SS-Einheit an der Niederbrennung Oradours ist somit gleichfalls der Verurteilung zugrunde zu legen. Der Angeklagte handelte in allen Tatkomplexen vorsätzlich. Davon geht die Anklagevertretung aus, und dem pflichtet die Verteidigung hinsichtlich des Tatkomplexes Oradour in vollem Umfang bei. Hingegen weist die Verteidigung strafrechtliche Verantwortlichkeit für die vier angeklagten Tathandlungen in der CSR zurück. Dabei läßt sich die Verteidigung im wesentlichen von folgenden Argumenten leiten: Der Angeklagte habe infolge der ihm vermittelten ideologischen Grundhaltung alle Maßnahmen der deutschen Besatzungsmacht für rechtens empfinden müssen; jeden Widerstand dagegen habe er als Verbrechen aufgefaßt, zu dessen Vorbeugung und Ahndung er als Polizist berufen gewesen sei. Urteile, auch jene der sog. Standgerichte, seien für ihn ausreichende Legitimation für die Tötung gewesen. Im übrigen sei er in seiner Stellung als Gruppenführer in einem Polizeibataillon nicht in der Lage gewesen, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen. Die eigentliche Ursache für die faschistische Grundhaltung des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Handlungen sei entscheidend in den damaligen gesellschaftspolitischen Umständen zu suchen, die ihn zum typischen Produkt seiner Zeit formten. Das Gericht verschließt sich nicht von vornherein dieser Argumentation. So geht der Senat auch davon aus, daß der Angeklagte durchaus in seiner Haltung das Ergebnis seiner konkreten Erziehung war. Dabei ist aber zugleich festzustellen, daß der Angeklagte fraglos selbst intensiv bemüht war, im faschistischen System auch ideologisch seinen Platz zu finden. So selbstverständlich wie niemand wegen seiner faschistischen Überzeugung zu bestrafen wäre, so widersinnig wäre es, einen Täter deshalb von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu befreien, wenn sich dessen Ideologie als das auslösende Moment für seine kriminellen Handlungen erweist. Dieser Gesichtspunkt ist in diesem Verfahren jedoch nicht von der ausschlaggebenden Bedeutung, wie dies die Verteidigung darlegte. Der Angeklagte war überzeugter Faschist. Der eigentliche Beweggrund seiner Entscheidung zur Tötung war der in dieser Gesellschaftsordnung für ihn realisierbar gewordene Wunsch, eine Karriere als beamteter Polizeioffizier beschreiten zu können. Nicht die Tatsache seiner ideologischen Haltung als vorbehaltloser Anhänger des faschistischen Regimes begründet die strafrechtliche Schuld des Angeklagten an den zu beurteilenden Verbrechen, sondern seine bewußte Entscheidung, Angehörige anderer Nationen, die von Nazideutschland gewaltsam unterworfen worden waren, nur deswegen zu töten, weil sie ihr Recht auf Existenz in Anspruch nehmen wollten, indem sie den faschistischen Besät-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 399 (NJ DDR 1983, S. 399) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 399 (NJ DDR 1983, S. 399)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Kandidaten ableiten: Frstens müssen wir uns bei der Auswahl von Kandidaten vorrangig auf solche Personen orientieren, die sich aufgrund ihrer bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit resultieren. Diese objektiv gegebenen Besonderheiten, deren Nutzung die vemehmungstaktischen Möglichkeiten des Untersuchungsführers erweitern, gilt es verstärkt zu nutzen. Im Prozeß der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit erwarten lassen. Der Feststellung und .Überprüfung des Charakters eventueller Westverbindungen ist besondere Bedeutung beizumessen und zu prüfen, ob diese Verbindungen für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Erfordernisse und Möglichkeiten der Nutzung des sozialistischen Rechts im Zusammenhang mit der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit in der unter Beachtung der Besonderheiten des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Lehrbuch Strafrecht Allgemeiner Teil für das Studium an der Hochschule Staatssicherheit . Die während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld. seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären ist,. somit alle diejenigen Momente der Persönlichkeit des Täters herauszuarbeiten sind, die über die Entwicklung des Beschuldigten zum Straftäter, sein Verhalten vor und nach der Asylgewährung Prüfungs-handlungen durchzuführen, diesen Mißbrauch weitgehend auszuschließen oder rechtzeitig zu erkennen. Liegt ein Mißbrauch vor, kann das Asyl aufgehoben werden.

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