Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 395

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 395 (NJ DDR 1983, S. 395); Neue Justiz 10/83 395 zu können, wurde die rückwirkende Geltung dieses § 5 durch das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe“ vom 29. März 1933 (RGBl. I S. 151) für die Zeit vom 31. Januar bis zum 28. Februar 1933 angeordnet! Die zahlreichen, die Beweisaufnahme und das Urteil in diesem Strafverfahren charakterisierenden Fragwürdigkeiten und Verletzungen materiellen wie prozessualen Rechts zeugen einerseits von den massiven Pressionen, mit denen der außergerichtliche Unterdrückungsapparat des Nazistaates ständig auf diesen Prozeß einwirkte. Sie lassen andererseits zugleich erkennen, wie schnell die zutiefst konservativen Richter (der vom ehemaligen sächsischen Justizminister Bünger geleitete 4. Strafsenat galt als „deutschnational“) bereit waren, an einem Unrechtsakt mitzuwirken. Das fand seinen Niederschlag auch in dem Urteil, das' devote Verbeugungen vor der Naziführung enthielt. Die übrigens in Naziverlautbarungen niemals gebrauchte Behauptung12, die Schaffung des Volksgerichtshofs stelle die Reaktion auf den Freispruch der kommunistischen Angeklagten durch das Reichsgericht dar, dient daher wohl in erster Linie dazu, Illusionen über die Haltung der in die Nazidienste übernommenen bürgerlichen deutschen Juristengeneration zu nähren. Die Kompetenzverteilung zwischen Reichsgericht und Volksgerichtshof Die Theorie von der linearen Kausalität zwischen dem Reichsgerichtsurteil und dem o. g. Gesetz vom 24. April 1934 ignoriert zweitens das .tatsächliche Verhältnis zwischen Reichsgericht und Volksgerichtshof, das besonders in dessen erster Phase bis zum Erlaß des „Gesetzes über den Volksgerichtshof“ vom 18. April 1936 (RGBl. I S. 369) - durch Arbeitsteilung und Kooperation geprägt wurde: Das neugebildete Tribunal ist 1934 für jene Strafsachen für zuständig erklärt worden12, in denen bis dahin die erstinstanzliche Zuständigkeit des Reichsgerichts gegeben war. Zugleich erhielt der Oberreichsanwalt das Recht, bestimmte Verfahren (u. a. wegen Vorbereitung zum Hochverrat) dennoch vor den Oberlandesgerichten anklagen zu lassen. Schon angesichts des rapiden Anstiegs solcher Verfahren ist davon ausgiebig Gebrauch gemacht worden. Für alle sonstigen Fälle blieb das Reichsgericht weiterhin Revisionsinstanz. Schon diese Funktion erforderte eine grundsätzliche Abstimmung mit drtn Volksgerichtshof, der sich im übrigen von Anfang an im Rahmen seiner Kompetenz als Wahrer der reaktionären Traditionslinie der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Leipziger Richtergremiums verstand. Das fand nicht zuletzt Niederschlag in mehreren seiner Urteile, die sich ausdrücklich auf vorangegangene Grundsatzentscheidungen des Reichsgerichts stützten.14 Die Koordinierung zwischen beiden Gerichten geschah weitgehend durch die Anklage- und Strafantragspraxis der Staatsanwaltschaft, zumal dem Oberreichsanwalt beim Reichsgericht bis 1936 auch die Anklagevertretung beim Volksgerichtshof oblag.15 Erst mit § 13 der „Verordnung zur - Durchführung des Gesetzes über den Volksgerichtshof“ vom 18. April 1936 (RGBl. I S. 398) wurde in Berlin die Dienststelle „Reichsanwalt beim Volksgerichtshof“ (später: „Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof“) errichtet. Deren Mitarbeiter rekrutierten sich zu einem beträchtlichen Teil aus vormaligen Angehörigen der Reichsanwaltschaft in Leipzig. Der Nationalgerichtshof eine Uraltforderung der Nazipartei Die These, der Volksgerichtshof sei ausschließlich ein Ergebnis der Reaktion der Naziführung auf das Urteil des Reichsgerichts gewesen, verschweigt schließlich, daß die Forderung nach einer „grundlegenden Reform des Rechtslebens“ keineswegs ein nach dem Reichstagsbrand neu entstandenes faschistisches Postulat war. Im Gegenteil: Dieses Verlangen hat die Nazibewegung in Deutschland von Anfang an begleitet. Schon in Art. 19 des Programms der Nazipartei vom 24. Februar 1920 wurde die Beseitigung des „der materialistischen Weltordnung dienenden römischen Rechts“ gefordert, das durch ein „deutsches Gemeinrecht“ ersetzt werden sollte. Gemäß Art. 18 sollte dieses Recht rücksichtslos sein und die absolute Todesstrafe für nicht näher definierte „gemeine Volksverbrecher“ enthalten. Waren die Vorstellungen über die Rolle der Justiz in einem faschistischen Staatswesen in diesem Programm noch relativ verschwommen, so zeigte der Münchener Putsch am 9. November 1923 schon recht deutlich, -welchen Stellenwert die Nazipartei der Bildung eines obersten Ausnahmegerichts beimaß. Obwohl der ganze Nazispuk damals nur Stunden währte, gehört zu den in dieser Zeit übrigens unter Mitwirkung jenes Frick, der zehn Jahre später als Innenminister einer der Geburtshelfer des Volksgerichtshofs war entstandenen Erlassen auch einer über die Bildung eines „Nationaltribunals als Oberster Gerichtshof“. Wie dort judiziert werden sollte, war genau beschrieben: „Die Rechtsprechung dieses Gerichts erstreckt sich auf schuldig oder nicht schuldig. Nicht schuldig gibt Freisprechung, schuldig den Tod. Die Urteile werden binnen drei Stunden nach ihrer Aus-sprechung vollzogen. Revision findet nicht statt.“18 Wie diese Sondergerichtsbarkeit im ganzen Lande funktionieren sollte, zeigen die Dokumente, die bei dem am Putsch beteiligten Bayerischen Oberstlandesgerichtsrat Theodor von der Pfordten gefunden wurden. Die von ihm entworfene „Verfassung“ sah für das ganze Reichsgebiet den Belagerungszustand und die Einrichtung von Standgerichten vor. Die „Standgerichtsordnung“ bestimmte u. a.: „Rechtsmittel finden nicht statt Das Urteil vollstreckt der Ankläger .“17 Als Hitler während der nach dem Münchener Putsch verbüßten 13monatigen Festungshaft das Buch „Mein Kampf“ entwarf, widmete er sich auch der Schaffung eines „Nationalgerichtshofs“. Er forderte, „daß einst ein deutscher Nationalgerichtshof etliche Zehntausende der organisierenden und damit verantwortlichen Verbrecher des Novemberverrats (gemeint war die Revolution im November 1918 G. W.) und alles dessen, was dazugehört, abzuurteilen und hinzurichten hat“. Aus dieser Zielstellung hat die Nazipartei nie ein Hehl gemacht. Selbst bei seinem „Legalitätseid“18 vor dem Reichsgericht im September 1930 erklärte Hitler: „Wenn wir siegen, werden bestimmt die Köpfe der anderen rollen.“13 Das war genau jenes Programm justitiellen Mordens, das der Volksgerichtshof später verwirklicht hat. Wie man an diesem berüchtigten Sondergericht alle materiellen und formellen Erfordernisse eines ordentlichen Gerichtsverfahrens mit Füßen trat, um Antifaschisten dem Henker zu überantworten, wird beispielsweise im Prozeß gegen die Geschwister Scholl und ihre Kampfgefährten deutlich20: Am Nachmittag des 21. Februar 1943 (ein Sonntag) erfolgte die Zustellung der Anklageschrift, am folgenden Tag erging das Todesurteil, das wenige Stunden später vollstreckt wurde. Zu dieser Zeit war die aus den Anfängen der Nazipartei stammende Forderung zur Bildung eines auf die Verkündung von Todesurteilen programmierten obersten Ausnahmetribunals längst grausame Wirklichkeit geworden. Die. Schaffung des Volksgerichtshofs ist vom deutschen Faschismus zielgerichtet und in Übereinstimmung mit der „stetigen Konzentration und Verschmelzung der außergerichtlichen Überwa-chungs- und Terrororgane sowie ihrer arbeitsteiligen Kooperation mit den Einrichtungen der Strafjustiz“ betrieben worden.21 * Die Fakten beweisen also: Zur Schaffung des Volksgerichtshofs bedurfte es nicht erst des Urteils des Reichsgerichts im Reichstagsbrandprozeß. Dieses Urteil hat die Schaffung des Volksgerichtshofs allenfalls beschleunigt die diesem zugrunde liegende Willensbildung war jedoch bereits viel früher vollzogen worden. 1 2 3 1 E. Niekisch in seinem Manuskript „Deutsche Mobilmachung“, zitiert nach: Rückkehr unerwünscht Joseph Drexels „Reise nach Mauthausen“ und der Widerstandskreis Ernst Niekisch, Hrsg. W. R. Beyer, München 1980, S. 253. 2 Vgl. Der Reichstagsbrandprozeß und Georgi Dimitroff, Dokumente in drei Bänden, Bd. 1, Berlin 1982, S. 304. Das Kauderwelsch des Zitats läßt erkennen, daß sich der Pressechef nicht bewußt war, welche eigentliche Aussage im letzten Halbsatz enthalten ist. 3 Ebenda, S. 316. Fortsetzung auf S. 396;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Auf der Grundlage der Analyse der zum Ermittlungsverfahren vorhandenen Kenntnisse legt der Untersuchungsführer für die Beschuldigtenvernehmung im einzelnen fest, welches Ziel erreicht werden soll und auch entsprechend der Persönlichkeit des Beschuldigten für das Geständnis oder den iderruf liegenden Umstände, die Umstände, unter denen die Aussagen zustande gekommen sind zu analysieren. Dabei ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten. Darin kommt zugleich die Bereitschaft der Verhafteten zu einem größeren Risiko und zur Gewaltanwendung bei ihren Handlungen unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit und in den Bezirksverwaltungen zu planen und vorzubereiten. Die materielle Ergänzung. Die materielle Ergänzung beinhaltet die Planung des materiellen Bedarfs Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten sowie er Erfordernissezur nachrichten-technischen Sicherstellung der politisch-operativen Führung zu planen. Maßnahmen des Schutzes vor Massenvernichtungsmittelri. Der Schutz vor Massenvernichtungsmitteln ist mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen durch den Untersuchungsführer mit dem Ziel erfolgen kann, die Möglichkeiten der Beschuldigtenvernehmung effektiv für die Erkenntnisgewinnung und den Beweisprozeß auszuschöpfen.

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