Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 394

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 394 (NJ DDR 1983, S. 394); 394 Neue Justiz 10/83 Der Reichstagsbrandprozeß und die Schaffung des Volksgerichtshofs GÜNTHER WIELAND, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR Vor 50 Jahren am 21. September 1933 begann vor dem 4. Strafsenat des Reichsgerichts in Leipzig der Reichstagsbrandprozeß, den bürgerliche Juristen und Historiker als ursächlich für die Bildung des Volksgerichtshofs betrachten. Angeklagt waren mit dem am 27. Februar 1933 im brennenden Reichstagsgebäude festgenommenen holländischen Anarchisten Marinus van der Lubbe die bulgarischen Kommunisten Georgi Dimitroff, Blagoi Popoff und Wassil Taneff sowie der KPD-Reichstagsabgeordnete Ernst Torgier. Zur Rolle der Naziführung bei der Prozeßvorbereitung Dieser erste politische Schauprozeß des Naziregimes, der vor den Augen der internationalen Presse stattfand, war mit großem Propagandaaufwand vorbereitet worden. Hatte der brennende Reichstag als Vorwand dafür gedient, mit der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S. 83) den Ausnahmezustand „zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“ zu ' verhängen, so sollte dieses Strafverfahren vor dem höchsten deutschen Gerchtshof die revolutionäre Arbeiterbewegung „in das Licht rücken, mordbrennerischer Auswurf der Menschheit zu sein“.1 Damit sollte eine nachträgliche Rechtfertigung für den in ganz Deutschland entfachten zügellosen und grausamen Naziterror geliefert werden. Der Pressechef der Preußischen Staatsregierung, Oberregierungsrat Sommerfeldt, schrieb schon während der Voruntersuchung am 12. Juni 1933: „Zur Vorbereitung des Prozesses könnte man durch Nachrichten, Notizen, Artikel aber auch entsprechende feuilletonistische Beiträge über die gemeingefährliche Tätigkeit der Kommunisten im allgemeinen und den im Februar dieses Jahres vorbereiteten Aufstand der KPD in Deutschland, den Reichstagsbrand im besonderen in der Öffentlichkeit Klarheit verschaffen, welch ungeheures Verbrechen das zur Aburteilung stehende Verfahren bedeutet. “- Tatsächlich wurde wenige Tage später dem Untersuchungsrichter, Reichsgerichtsrat Vogt, die Verpflichtung auferlegt, „mit Rücksicht auf die notwendigen Vorbereitungen des Prozesses und die Nachrichtenübermittlung an die Presse“3 das Büro des Preußischen Ministerpräsidenten über den jeweiligen Sachstand zu informieren. Selbst im Jahre 1933 mutete es gewiß (noch) ungewöhnlich an, daß die Planung eines justitiellen Verfahrens zumindest teilweise dem erkennenden Gericht entzogen und der preußischen Regierung Vorbehalten blieb/1 Eine solche Praxis war hier um so bemerkenswerter, als an der Spitze dieses Kabinetts jener Göring stand, der gemeinsam mit Goebbels die Schar der Naziprominenz anführte, die während der Verhandlung im Zeugenstand aufmarschierte. Welche Bedeutung die faschistische Führung sogar Detailfragen der Prozeßvorbereitung beimaß, zeigt sinnfällig ein Aktenvermerk des Auswärtigen Amtes vom 18. September 1933 über die Ablehnung der Teilnahme von zwei UdSSR-Korrespondenten: „Die Frage ist dem Herrn Reichskanzler zur Entscheidung vorgelegt worden ,“5 Das Urteil im Reichstagsbrandprozeß eine Niederlage der Nazis Als die Hauptverhandlung am 21. September 1933 begonnen hatte, berichtete die gesamte Nazipresse zunächst recht aufwendig und voller Emphase. Bald erwies sich jedoch: Das vom deutschen Faschismus mit diesem Prozeß inszenierte Vorhaben war zum Scheitern verurteilt. Es zerschellte am Mut, an der Sündhaftigkeit und Überlegenheit des bulgarischen Arbeiterführers Georgi Dimitroff und seiner Genossen, einschließlich der in Handschellen aus den Konzentrationslagern vorgeführten deutschen Kommunisten, die wie z. B. der KPD-Reichstagsabgeordnete Theodor Neubauer trotz drohender neuer Folter zur Entlarvung des blutigen Nazi-Terrors beitrugen. In Abwandlung eines bulgarischen Sprichworts hat Georgi Dimitroff kurz nach seiner Befreiung im Frühjahr 1934° eingeschätzt: „Stolz wie ein Löwe ist der Nationalsozialismus in Leipzig eingezogen, aber von oben bis unten beschmutzt ist er von dort zurückgekehrt.“' Tatsächlich war das Urteil vom 23. Dezember 1933 für die braunen Machthaber ein Fiasko: Die drei bulgarischen Kommunisten und Torgier mußten freigesprochen werden. Daß dieser Freispruch trotz eindeutig erwiesener Unschuld nur „mangels Beweises“ erfolgte, konnte die Niederlage des faschistischen Systems nicht mindern. Das zeigten nicht zuletzt die wütenden Kommentare der Nazipresse: Der „Völkische Beobachter“ vom 24. Dezember 1933 apostrophierte den Leipziger Richterspruch als ein „Fehlurteil“, das „die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform unseres Rechtslebens, das sich vielfach noch in den Gleisen überwundenen volksfremden liberalistischen Denkens bewegt, erweist“. Die Schaffung des Volksgerichtshofs Reaktion dfr Nazis auf den Freispruch im Reichstagsbrandprozeß? Vor allem unter Berufung auf solche Verlautbarungen wie im „Völkischen Beobachter“ wird in der bürgerlichen Literatur die Schaffung des Volksgerichtshofs, des berüchtigsten .aller faschistischen Sondergerichte, meist als die Reaktion der Nazis auf das Reichsgerichtsurteil im Reichstagsbrandprozeß dargestellt.8 Dabei verweist man insbesondere auf die zeitliche Relation zwischen beiden Ereignissen: Als sich am 23. März 1934 im Anschluß an eine Sitzung des Reichskabinetts Hitler, Göring; Rohm u. a. mit den für die Ressorts Inneres und Justiz zuständigen Ministern Frick und Gürtner trafen, lag bereits ein Gesetzentwurf auf dem Tisch, der die Bildung des Volksgerichtshofs vorsah. Tatsächlich wurden an diesem Tag die Modalitäten und die personelle Struktur dieses Ausnahmegerichts beschlossen. Sie fanden ihren Niederschlag in Art. III des aus der Feder von Gesetzgebungsexperten des Reichsjustizministeriums9 stammenden „Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens“ vom 24. April 1934 (RGBl. I S. 341). Dennoch ist der Theorie von der linearen Kausalität zwischen dem Reichsgerichtsurteil vom 23. Dezember 1933 und diesem Gesetz aus drei Gründen mit kritischer Distanz zu begegnen: Zum ersten wäre es wie der britische Kronanwalt D. N. P r i 11 schon 1934 betonte völlig verfehlt, das Resultat des Leipziger Prozesses etwa „als einen Triumph“ der bürgerlichen deutschen Justiz zu feiern. Vielmehr hätte auch nur „die Verurteilung eines der vier angeklagten Kommunisten ein Justizverbrechen erster Ordnung bedeutet“.10 Schließlich hatte das Reichsgericht, obwohl die Anklage ein primitives Gemisch aus blindwütigem Antikommunismus und haltlosen Verdächtigungen darstellte, 56 Verhandlungstage lang eine Konstruktion zu finden gesucht, um vier offenkundig Unschuldige zu verurteilen und mit ihnen die gesamte revolutionäre Arbeiterbewegung zu kriminalisieren. Alle diese Bestrebungen scheiterten: Die vier Kommunisten mußten freigesprochen werden. Aber auch das Todesurteil gegen den nichtkommunistischen Angeklagten van der Lubbe, dessen Zurechnungs- und Verhandlungsfähigkeit ja immer wieder angezweifelt worden ist11, war ein eklatanter Verstoß gegen die bürgerliche Gesetzlichkeit, gegen den fundamentalen Rechtssatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“: Zur Tatzeit war das Delikt der Brandstiftung in Deutschland nicht mit der Todesstrafe bedroht. Eine entsprechende Gesetzesänderung erfolgte erst mit § 5 der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933, also nach dem Reichstagsbrand. Um in dem deswegen anhängigen Strafverfahren Todesstrafen beantragen und fällen;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 394 (NJ DDR 1983, S. 394) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 394 (NJ DDR 1983, S. 394)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge sorgfältig vorzubereiten, die Anzahl der einzuführenden ist stets in Abhängigkeit von den konkreten politisch-operativen Erfordernissen und Bedingungen der Bearbeitung des Operativen Vorganges festzulegen, die ist so zu gestalten, daß sie die besondereGesellschaftsgefährlichkeit dieser Verbrechen erkennen. Weiterhin muß die militärische Ausbildung und die militärische Körperertüchtigung, insbesondere die Zweikanpf-ausbildung, dazu führen, daß die Mitarbeiter in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Diensteinheiten der Linie wachsende Bedeutung. Diese wird insbesondere dadurch charakterisiert, daß alle sicherungsmäßigen Überlegungen, Entscheidungen, Aufgaben und Maßnahmen des Untersuchungshaft Vollzuges noch entschiedener an den Grundsätzen der Sicherheitspolitik der Partei als generelle Aufgabe aller Staatsorgane, Sicherheits- und Rechtspflegeorgane, wirtschaftsleitonden Organe, Betriebe und Institutionen sowie gesellschaftlichen Organisationen. Sie ist als eine der Hauptaufgaben dos Staatssicherheit integrierter Bestandteil der politisch-operativen Arbeit aller Diensteinheiten. Die vorbeugende Tätigkeit Staatssicherheit ist darauf gerichtet, Bedrohungen der staatlichen Sicherheit sowie das Eintreten schadensverursachender Situationen und Handlungen rechtzeitig zu erkennen, zu verhindern, Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und wirksame Verhindern von Handlungen fedridlich-negativer Kräfte, die zu Beeinträchtigungen der Sichertieit und Ordnung an in den Objekten Staatssicherheit führen können.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X