Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 366

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 366 (NJ DDR 1983, S. 366); 366 Neue Justiz 9/83 zurückzutreten hätten, wenn sie zu ihr im Widerspruch stehen.7 Die gerichtliche Rechtsfortbildung hat in der BRD heute einen solchen Stand erreicht, daß Marie-Luise H i 1 g e r, langjährige Senatsvorsitzende am Bundesarbeitsgericht, zu dem Schluß gelangt, es habe sich „in weiten Bereichen das überkommene Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtsprechung in der Form der klassischen Gewaltenteilung geradezu umgekehrt“ .8 Zweifellos wurde durch die rechtsetzende Tätigkeit der Gerichte der gesetzgeberische Handlungsspielraum des Parlaments in teilweise beträchtlichem Umfang eingeengt. Dennoch ist es verfehlt, die Gerichtsbarkeit der BRD in den Rang des „eigentlichen Gesetzgebers“ zu erheben. Das Verhältnis zwischen Parlament und Gerichten muß vielmehr differenziert eingeschätzt werden, wobei sowohl die Natur der geregelten Fragen als auch die Spezifik der von der jeweiligen Institution ausgeübten Rechtsetzung zu beachten sind. Zunächst darf nicht außer acht gelassen werden, daß der überwiegende Teil der von den Gerichten auch von den obersten Bundesgerichten ausgeübten Tätigkeit nicht als Rechtsfortbildung, sondern als Rechtsanwendung und -aus-legung bei der Entscheidung über konkrete Sachverhalte zu qualifizieren ist; hierin ist auch eine mit dem Grundsatz der bürgerlichen Gesetzlichkeit durchaus vereinbare Konkretisierung der Rechtsnormen und die Ausfüllung von Gesetzeslücken eingeschlossen. Zutreffend weist W. A. Tumanow darauf hin, daß das Prinzip der Bindung des Richters an das Gesetz den Richter keineswegs zum automatischen Vollstrecker des Gesetzes macht. Er ist vielmehr „nicht nur gegenüber dem Gesetz verantwortlich, sondern auch gegenüber der real zu entscheidenden Situation und ihren Beteiligten sowie gegenüber seiner inneren Überzeugung“, wofür ihm ein entsprechender Handlungsspielraum zur Verfügung stehen muß.9 Der Konflikt der gerichtlichen Tätigkeit mit der verfassungsrechtlich bestimmten Position des Parlaments und der bürgerlichen Gesetzlichkeit entsteht dagegen erst dann, wenn das Gericht anstelle des Gesetzgebers oder sogar entgegen dessen normativ geäußertem Willen entscheidet. Anwendungsbereiche gerichtlicher Rechtsfortbildung In der Rechtsordnung der BRD spielt die gerichtliche Rechtsfortbildung gegenwärtig vor allem in folgenden vier Bereichen eine Rolle: 1. Gesetzesvertretendes Richterrecht Mit dem Begriff „gesetzesvertretendes Richterrecht“10 wird diejenige Tätigkeit der Gerichte umschrieben, durch die von einer gesetzlichen Regelung freigehaltene Komplexe rechtsfortbildend ausgestaltet werden. Der Richter wird „dort, wo der Gesetzgeber einen gesamten Komplex ungeregelt läßt, j.: notwendig zum Ersatzgesetzgeber“.* 1! Das durch den richterlichen ,;Ersatzgesetzgeber“ geschaffene Recht zeichnet sich allerdings dadurch aus, daß es (z. B. durch den Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe) den kapitalistischen Unternehmen und staatlichen Behörden einen weiten Spielraum für die Wahrnehmung politischer und ökonomischer Belange läßt Zudem kann es bei Bedarf ohne die dem Gesetzgebungsverfahren anhaftenden formellen Hürden durch neues Richterrecht ersetzt werden. Großenteils richterrechtlich geregelt sind in der BRD z. B. die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierten Streikrechts der Arbeiterklasse. Der Große Senat des Bundesärbeitsgerichts formulierte in seinem Beschluß vom 28. Januar 1955 die bis heute nicht aufgegebene These, daß die Ausübung des Streikrechts „im allgemeinen unerwünscht“ und nur unter Beachtung seiner „Sozialadäquanz“ rechtlich zulässig sei. Dies bedeutete z. B. die Einengung des Streikrechts auf eine Rolle als letztes Mittel (ultima ratio) tariflicher Auseinandersetzungen und den Ausschluß aller Formen nichtökonomischer (insbesondere politischer) Streiks. Gleichzeitig wurde den Unternehmern in Gestalt der Aussperrung ein weitreichendes Recht zur fristlosen Beendigung der Arbeitsverhälthisse von strei- kenden Werktätigen zugestanden, das in keiner Regelung des Verfassungs- oder Arbeitsrechts der BRD eine Stütze findet. In der Folgezeit paßte das Bundesarbeitsgericht seine Streik- und Aussperrungsrechtsprechung mehrfach an die veränderten Bedingungen des Klassenkampfes an. So stellte es mit dem Beschluß seines Großen Senats vom 21. April 1971 Streiks und Aussperrungen unter das Gebot der „Verhältnismäßigkeit“ zwischen Kampfziel und Kampfmittel. Daraus wurde z. B. für die Aussperrung abgeleitet, daß durch diese die Arbeitsverhältnisse „im allgemeinen“ nur suspendiert und nur ausnahmsweise definitiv beendet werden, wobei für den letzteren Fall den betroffenen Werktätigen ein „Wiedereinstellungsanspruch nach billigem Ermessen“ zugesprochen wird.12 / Deutlich erkennbar ist hier das Bestreben, dem „Arbeitskampfrecht“ eine größere Flexibilität zu verleihen, einzelnen gewerkschaftlichen Forderungen entgegenzukommen, vor allem aber die Dispositionsmöglichkeiten der Monopole in der Klassenauseinandersetzung mit der Arbeiterklasse zu erweitern. 2. Gesetzeskorrigierendes Richterrecht Die gerichtliche Rechtsfortbildung wird auch dazu benutzt, normiertes Recht vorwiegend Gesetzesrecht an neue politische und ökonomische Erfordernisse anzupassen, es faktisch entsprechend der veränderten Interessenlage der herrschenden Kräfte umzugestalten. In der bürgerlichen Literatur wird dies durchaus zutreffend als „gesetzeskorrigierendes Richterrecht“13 bezeichnet. Hier zeigt sich die Überschreitung der dem Gericht von der Verfassung zugewiesenen Kompetenzen besonders eklatant: Das Gericht handelt nicht als Vollstrecker des Gesetzes, sondern als Richter über das Gesetz. Den Maßstab gerichtlicher Tätigkeit bildet nicht der nach bestimmten Regeln zu ermittelnde Gesetzesinhalt, sondern der unter Berücksichtigung der neuen politischen Bedingungen bestimmte Gesetzeszweck. Die bürgerliche Rechtsliteratur befaßt sich bezeichnenderweise weniger mit der Frage, ob diese richterliche Rechtsanpassung mit dem Grundsatz der bürgerlichen Gesetzlichkeit überhaupt vereinbar ist, als vielmehr mit den Kriterien und Grenzen, die für ihre Anwendung vertretbar erscheinen. Der bürgerliche Rechtsmethodiker K. L a r e n z hält die „ge-setzesübersteigende Rechtsfortbildung“ z. B. immer dann für zulässig, wenn sie mit Rücksicht auf die „Bedürfnisse des Rechtsverkehrs“, auf die „Natur der Sache“ oder auf ein „rechtsethisches Prinzip“ angebracht ist. Die Grenze für eine richterliche Rechtsfortbildung sieht er erst dort, „wo die geforderte Entscheidung nicht mehr allein mit rechtlichen Erwägungen begründet werden kann, sondern eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte politische Entscheidung verlangt!'.M Damit ist der subjektiven Wertung durch den Richter faktisch Tür und Tor geöffnet. Eine erhebliche Bedeutung hat das „gesetzeskorrigierende Richterrecht“ für die Anpassung der im vorigen Jahrhundert entstandenen Kodifikationen an die aktuellen Bedürfnisse des staatsmonopolistischen Kapitalismus erlangt. Eine solche Praxis wurde durch das Bundesverfassungsgericht offiziell abgesegnet, wenn es ausführt: „Mit dem .Altern der Kodifikationen', mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen Gesetzesbefehl und richterlicher Einzelfallentscheidung wächst notwendig die Freiheit des Richters zur schöpferischen Fortbildung des Rechts“.15 Zweifellos hat das Richterrecht in wesentlichem Maße dazu beigetragen, daß beispielsweise das vor nahezu hundert Jahren ausgearbeitete Schuldrecht des BGB, das von der „Privatautonomie“ der Vertragspartner ausgeht, auch unter den Bedingungen monopolistischer Vertragsdiktate beibehalten werden konnte. Die durch Richterrecht erfolgende Rechtsanpassung geht jedoch weit über die Aktualisierung von Rechtsvorschriften hinaus, die durch die gesellschaftliche Entwicklung überholt sind. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf neuere Regelungen, die mit den Vorstellungen der herrschenden Kräfte nicht harmonieren. Das wird vor allem an der substantiellen Aushöhlung und reaktionären Umfunktionierung von Regelungen deutlich, die dem Monopolkapital von der Arbeiterklasse ab-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 366 (NJ DDR 1983, S. 366) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 366 (NJ DDR 1983, S. 366)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der politischen Unter grundtätigkeit von Bedeutung sind - Anteil. Im Berichtszeitraum, konnte die positive Entwicklung der letzter Jahre auf dem Gebiet der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit nicht gestattet werden, da Strafgefangene als sogenannte Kalfaktoren im Verwahrbereich der Untersuchungshaftanstalt zur Betreuung der Verhafteten eingesetzt werden. Diese Aufgaben sind von Mitarbeitern der Linie und noch begünstigt werden. Gleichfalls führt ein Hinwegsehen über anfängliche kleine Disziplinlosigkeiten, wie nicht aufstehen, sich vor das Sichtfenster stellen, Weigerung zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft sowie der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaf tanstalt rechtlich zulässig, in begründeten Fällen von den Trennungsgrundsätzen abzuweichen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X