Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 350

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 350 (NJ DDR 1983, S. 350); 350 Neue Justiz 9/83 tigung dafür abgeleitet werden kann, den Straftäter in der DDR für seine Tat strafrechtlich verantwortlich zu machen. 3. Unser Recht wirkt in einer Gesellschaft, in der durch die Anstrengungen der Werktätigen im Zuge der Verwirklichung der Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein hohes Niveau sozialer Gerechtigkeit erreicht wurde. Sie wird durch Rechtsnormen verkörpert und gesichert. Dabei schließt soziale Gerechtigkeit im Sozialismus nicht nur die sozialpolitischen Maßnahmen und Errungenschaften, sondern zugleich ganz im Sinne von Karl Marx die Durchsetzung des Leistungsprinzips ein. Das Leistungsprinzip ist gerecht, weil es die Verteilung der materiellen Güter nicht an Privilegien oder den Besitz von Produktionsmitteln knüpft, sondern an das Können und den Fleiß des einzelnen Werktätigen. Es „erkennt keine Klassenunterschiede an, weil jeder nur Arbeiter ist wie der andere“, wie K. Marx sagt.7 Es ist auch deshalb gerecht, weil es mit seinen stimulierenden Wirkungen rasches ökonomisches Wachstum fördert und damit dazu beiträgt, die.Mittel für die Sozialpolitik, also die andere Seite der sozialen Gerechtigkeit, zu erwirtschaften. Die gleiche moralische Qualität kommt den Rechtsvorschriften und der Rechtspraxis zu, die das Leistungsprinzip und die Sozialpolitik juristisch absichern, vor allem dem sozialistischen Arbeitsrecht. 4. Mit dem sozialistischen Recht, speziell dem Strafrecht, aber auch dem Arbeits- und LPG-Recht, wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit von Straftat und Strafe bzw. Rechtsverletzung und Sanktion konsequent durchgesetzt. Die Verwirklichung dieses Prinzips eines Prinzips, das im Kapitalismus selbst in seiner bürgerlich-formalen Gestalt bekanntlich nur unzureichend realisiert, u. a. von Perioden eines hemmungslosen Terrorismus unterbrochen wird durch unsere Gerichte ist gerecht und wird auch als gerecht empfunden. Es wird zugleich ergänzt, erweitert, auf eine höhere Stufe gehoben durch die Praxis, auch die Persönlichkeit des Rechtsverletzers und sein Verhalten vor und nach der Rechtsverletzung zu berücksichtigen (vgl. §61 Abs. 2 StGB, §§253, 266 AGB). Die Anwendung dieser Kriterien geht über das reine Proportio-nalitätsprinzip hinaus.8 In der Bemessung der Sanktionen nach den Grundsätzen der Differenzierung und Individualisierung tritt der Humanismus des sozialistischen Rechts deutlich hervor. 5. Das sozialistische Recht gewährleistet auch, soweit Warenaustausch stattfindet, die Gleichheit dieses Austausches und damit die Realisierung der auf dem Austausch beruhenden Gerechtigkeitsvörstellungen. Es sichert damit aber nicht wie im Kapitalismus die Reproduktion des kapitalistischen Privateigentums, sondern die Reproduktion des sozialistischen bzw. des persönlichen Eigentums. Es wirkt damit indirekt darauf ein, daß jeder entsprechend seinem Arbeitsanteil für die Gesellschaft auch an der Konsumtion teilnimmt, also das Leistungsprinzip verwirklicht wird (vgl. § 3 ZGB). 6. Ein wichtiges Element sozialistischer Gerechtigkeit besteht darin, daß die Rechtsanwendung durch die Gerichte in strenger Objektivität, ohne Ansehen der Person erfolgt. Wer die Rechtsordnung des Arbeiter-und-Bauern-Staates verletzt, wird zur Verantwortung gezogen. Auch das Ansehen eines Bürgers in der Öffentlichkeit, gesellschaftliche Funktionen oder frühere Verdienste dürfen ihn im Falle einer Straftat oder einer anderen Rechtsverletzung nicht vor den Konsequenzen schützen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz (Art. 20 Abs. 1 der Verfassung), die ein Gebot der Gerechtigkeit ist (vgl. Art. 5 StGB, § 5 StPO). Diese Aspekte der Gerechtigkeit unserer Rechtsordnung machen den objektiv bedingten Inhalt sozialistischer Gerechtigkeit deutlich. Gerechtigkeit und Gleichheit sind, worauf schon F. Engels hinwies9, eng miteinander verbunden. Ganz in diesem Sinne betonten R. Gollnick/G. Haney, daß wesentliche Kriterien der Gerechtigkeitswertung die Gleichheit, die Gleichbefhandlung, die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit seien.10 Aber wie ich hinzufügen möchte Gleichheit, Gleichbehandlung usw. nicht in einem allgemeinen, abstrakten Sinn, sondern genau entsprechend dem Stand und den gegenwärtigen Erfordernissen der gesellschaftlichen Entwicklung, also historisch konkret. Eine Auffassung von sozia- listischer Gerechtigkeit, die z. B. die Verwirklichung des Leistungsprinzips nicht als ein tragendes Element gerechter Entscheidungen einbezieht, kann deshalb heute nicht genügen, weil es ihr an der notwendigen historischen Bestimmtheit mangelt.11 Gerechtigkeit der Rechtsanwendung Die Durchsetzung der sozialistischen Gerechtigkeit ist eine ständige Aufgabe. Sie stellt hohe Ansprüche an das Wirken der Justizorgane, anderer Staatsorgane und aller Leiter in Staat und Wirtschaft. Aus der prinzipiellen Übereinstimmung von Recht und Gerechtigkeit ergibt sich, daß die Durchsetzung von Gerechtigkeit strikte Gesetzlichkeit der Entscheidung zur Vorbedingung hat. Eine Freistellung des Richters von der Bindung an das Gesetz, um Gerechtigkeit zu gewährleisten wie dies in bürgerlichen Staaten verschiedentlich gefordert wird , hat im sozialistischen Staat jeden Sinn verloren. Unsere Gesetze sind elastisch genug gestaltet, damit die Gerichte Gerechtigkeit auch dort üben können, wo im Ausnahmefall nur das Abweichen von der Regel Gerechtigkeit verbürgt. Das gilt nicht nur für das Strafrecht (vgl. z. B. die außergewöhnliche Strafmilderung nach § 62 StGB), sondern auch für andere Rechtszweige (vgl. z. B. die Regelung des § 296 Abs. 5 Satz 2 AGB, wonach der verspätete Einspruch eines Werktätigen in Arbeits- und Sozialversicherungsstreitfällen auch dann als rechtzeitig eingelegt behandelt werden kann, wenn dafür schwerwiegende Gründe vorliegen und dies im Interesse des Werktätigen dringend geboten ist). Besonders zu betonen sind die Anforderungen, die an die Persönlichkeit des Richters, des Staatsanwalts, des Schöffen, des Mitglieds eines gesellschaftlichen Gerichts gestellt sind. Hegel soll in seiner Vorlesung über Rechtsphilosophie gesagt haben: „Der Richter muß kalt sein, kein Herz, kein Gemüt und nur das Interesse haben, daß die Gesetze geschehen.“12 Das ist nicht unser Ideal. Die Durchsetzung sozialistischer Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit erfordern vielmehr eine klare politische Haltung, persönliche Integrität, Sachlichkeit und eine tiefe Kenntnis der Probleme der Werktätigen, die nur aus engem Kontakt zu den Arbeitskollektiven und den Bürgern im Wohngebiet erwächst. Und diese Qualitäten müssen nicht nur vorhanden sein, sondern die beteiligten Bürger ob Angeklagter, Kläger oder Verklagter, Kollektivvertreter oder einfach Zuhörer im Gerichtssaal müssen sie auch spüren. Nur wenn die Gerechtigkeit unseres Rechts in der Praxis voll erlebt wird, kann sie ihre Wirkung als Triebkraft für die Einhaltung der Gesetzlichkeit entfalten. (Vorstehendem liegt ein Diskussionsbeitrag des Verfassers auf der wissenschaftlichen Konferenz der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR zum Thema „Die Aktualität der Marxschen Staatslehre“ am 1.'2. Juni 1983 zugrunde.) 1 2 3 4 5 * 7 8 9 10 11 12 1 Thesen des Zentralkomitees der SED' zum Karl-Marx-Jahr 1983, Berlin 1982, S. 35. 2 N. Krylenko, Die Kriminalpolitik der Sowjetmacht, Wien 1927, S. 9. 3 N. Krylenko, a. a. O., S. 10. 4 Vgl. E. Hahn, „Aktuelle philosophische Probleme der marxistisch-leninistischen Wertauffassung4*, in: Wertauffassungen im Sozialismus, Berlin 1980, S. 19. 5 So bezeichnet beispielsweise H. Klenner (Marxismus und Menschenrechte Studien zur Rechtsphilosophie -, Berlin 1932, S. 157) die These, daß unser sozialistisches Recht der Gerechtigkeit entspricht, als „sozialistisch firmierten naturrechtlichen Ansatz“. 6. Das Einwirken der Rechtsordnung auf den Inhalt der Gerechtigkeit; natürlich immer sekundär gegenüber den ökonomischen Verhältnissen hat schon F. Engels unterstrichen, wie seine Formulierung zeigt, daß die Gerechtigkeit „der abstrakteste Ausdrude des Rechts selbst“ ist („Zur Wohnungsfrage“, in: Marx Engels, Werke, Bd. 18, Berlin 1962, S. 277). 7 K. Marx, „Kritik des Gothaer Programms“, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 19, Berlin 1962, S. 21. 8 So mit Recht E. Buchholz/U. Dähn/H. Weber, Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Strafe, Berlin 1982, S. 125 f. 9 Vgl. F. Engels, „Vorarbeiten zum ,Anti-Dühring“‘, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 20, Berlin 1962, S. 580 f. 10 Vgl. R. Gollnick/G. Haney, „Sozialistisches Recht und Gerechtigkeit“, Staat und Recht 1968, Heft 4, S. 580 ff. 11 Vgl. E. Buchholz, „Das Ideal der Gerechtigkeit und seine Verwirklichung“, Einheit 1982, Heft 7/8, S. 754 ff., wo das Leistungsprinzip als „wichtige Seite“ und „Ausdruck“ der sozialen Gerechtigkeit im Sozialismus bezeichnet wird. Sowohl R. Gollnick/G. Haney (a. a. O.) als auch R. Gollnick („Zur Dialektik von Gerechtigkeit und Gleichheit“, Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Univer-sität Jena 1979, Heft 1, S. 55 ff.) lassen dagegen jede Erwähnung des Leistungsprinzips vermissen. 12 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (Hrsg. H. Klenner), Berlin 1981, Anmerkungen zu § 219 (S. 492).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 350 (NJ DDR 1983, S. 350) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 350 (NJ DDR 1983, S. 350)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist. Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermitt-lungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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