Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 30

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 30 (NJ DDR 1983, S. 30); 30 Neue Justiz 1/83 Berichte Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzierten Prozeßform Dr. IRMGARD BUCHHOLZ, wiss. Oberassistent an der Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin Der Bereich Strafrecht Lehrstuhl Strafprozeßrecht der Humboldt-Universität Berlin hatte Wissenschaftler und Praktiker der DDR sowie Wissenschaftler der UdSSR, VRB, CSSR, UVR und der Republik Finnland zu einem wissenschaftlichen Kolloquium vom 14. bis 16. September 1982 eingeladen. Anliegen dieses Kolloquiums war es, über Erkenntnisse und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis bei der gesellschaftlich wirksamen Durchsetzung der Ziele des sozialistischen Strafverfahrensrechts, über Voraussetzungen für eine optimale Verwirklichung der Grundsätze des Strafverfahrens und die effektivsten Wege zur Lösung dieser Aufgaben zu beraten. Im einleitenden Referat ging Prof. Dr. H. Luther (Humboldt-Universität Berlin) zunächst von Überlegungen zum Begriff der Effektivität des Rechts und der Rechtsnormen aus, die auch für entsprechende Fragestellungen im Strafverfahrensrecht und im Strafverfahren gelten. Er stützte sich dabei wesentlich auf die von sowjetischen Wissenschaftlern vorgeschlagene Definition der Effektivität der Rechtsnormen als Verhältnis zwischen dem praktischen Ergebnis ihres Wirkens und den sozialen Zielen, die mit den Normen erreicht werden sollen.! Diese Bestimmung der Wirksamkeit der Rechtsnormen ist auch die Grundlage für die Untersuchung der Wirksamkeit des Strafverfahrens und der sie beeinflussenden Faktoren. In der Diskussion wurden dazu folgende entscheidende Faktoren genannt: Umfang und Art der zu verfolgenden Straftaten, Qualität der Arbeit der Rechtspflegeorgane und die Weiterentwicklung des Strafverfahrensrechts. In diesem Zusammenhang gab es Bedenken gegen die im Referat vorgenommene Unterscheidung zwischen Wirksamkeit des Strafverfahrens und Wirksamkeit der Strafrechtsprechung. Eine solche Trennung wurde für unzulässig gehalten, zumal die Weiterentwicklung des Prozeßrechts und seine Differenzierung von der materiellrechtlichen Grundentscheidung, welche Handlungen unter Strafe zu stellen sind und welche nicht, stark beeinflußt werden. Als ein sehr wesentlicher Faktor für die Wirksamkeit der Strafverfahren wurde die Rechtsprechung der Gerichte nach einheitlichen Grundprinzipien angesehen, wobei insbesondere das Oberste Gericht und die Bezirksgerichte für die entsprechende Anleitung eine große Verantwortung tragen. Dabei kommt es auch auf die wirksame Durchsetzung des geltenden Verfahrensrechts an. Unterstrichen wurde insbesondere das Erfordernis, die Wirksamkeit einzelner geltender strafprozessualer Bestimmungen zu analysieren und im Ergebnis zu prüfen, ob und ggf. welche gesetzgeberischen Maßnahmen geboten sind, um weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Wirksamkeit des gesamten Strafverfahrens und auch der Stra-fenverwirklichung zu erschließen. Ein weiterer Problemkreis der Beratung waren die Fragen der Wirksamkeitsuntersuchung als einer notwendigen Voraussetzung für das Erkennen der tatsächlich erreichten Wirksamkeit des Strafverfahrens. Im Referat wurde als Ausgangspunkt für derartige Untersuchungen die Bestimmung des Ziels des Strafverfahrens dargestellt. Dieses Ziel weist nach § 2 StPO drei Ebenen auf: 1. Zu gewährleisten, daß jede Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und Angeklagten unter unmittelbarer Mitwirkung der Bürger allseitig und beschleunigt aufgeklärt wird; 2. dafür Sorge zu tragen, daß die festgestellten Ursachen und Bedingungen von Straftaten durch die dafür Verantwortlichen beseitigt werden; 3. zum Schutz und zur weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse in der DDR beizutragen. Die Aufgaben der Organe der Strafrechtspflege zur Erreichung des Ziels des Strafverfahrens sind hier unterschiedlich weitreichend fixiert, das ändert jedoch nichts daran, daß dieses Ziel in jedem einzelnen Verfahrensabschnitt anzustreben ist. Es ist nunmehr erforderlich, Kriterien und Kennzif- fern zu erarbeiten, die eine Aussage darüber ermöglichen, ob und in welchem Grad das Ziel des Strafverfahrens erreicht worden ist. i In Auswertung der Erkenntnisse und Erfahrungen sowjetischer Wissenschaftler auf diesem Gebiet wurden folgende Wirksamkeitskriterien aufgestellt: 1. Die richtige Entscheidung der Strafsache durch das Gericht; 2. die Einhaltung der Gesetzlichkeit im Strafverfahren, der Schutz der Rechte und gesetzlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten ; 3. die erzieherische Wirksamkeit des Strafverfahrens; 4. (fakultativ) der Ersatz des durch die Straftat verursachten Schadens; 5. (fakultativ) die Maßnahmen des Gerichts zur Beseitigung von Ursachen und Bedingungen der Straftaten. Ausgehend von der Zielbestimmung des Strafverfahrens Entscheidung der Strafsache auf der Grundlage der objektiven Wahrheit und der Gerechtigkeit wurden als rechtspolitische Zielsetzungen analysiert: die erzieherische Funktion der Gerichte, die Verwirklichung des Prinzips der Beschleunigung, der Beitrag der Gerichte zur Zurückdrängung der Kriminalität über die Entscheidung des konkreten Falles hinaus. Da es bei der Erhöhung der Wirksamkeit des Strafverfahrens nicht nur schlechthin um die Zielerreichung geht, sondern auch um einen möglichst geringen Aufwand dabei, war das Verhältnis von Wirksamkeit und Rationalität ein wichtiger Diskussionspunkit des Kolloquiums. Grundlegend war die im Referat anschaulich dargestellte Erkenntnis, daß es hier um komplizierte, vielschichtige Probleme geht, die mechanisch-kausale Lösungsversuche nicht zulassen. Der Position der zentralen Rechtspflegeorgane folgend wurde die Einheit von Qualität und Rationalität unterstrichen, die zugleich mechanische Vorstellungen in der Richtung verbietet, leichte Straftaten würden immer wenig Aufwand, schwere Straftaten dagegen in jedem Fall einen besonders hohen Aufwand erfordern. Eng verbunden mit den Fragen der Effektivität und Rationalität ist die beschleunigte Durchführung der Strafverfahren, die einen hohen Stellenwert im System der Wirksam-keitskriterien einnimmt. Eine beschleunigte Durchführung der Verfahren ist für alle Beteiligten von Nutzen und hilft, den Aufwand zu senken. Zwischen Beschleunigung und Rationalität besteht jedoch kein gradliniger Bezug, d. h. nicht immer ist ein sehr schnell durchgeführtes Verfahren automatisch auch besonders rationell im Sinne eines geringen Aufwands. Zur Lösung gerade dieser Probleme trägt vor allem eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter der Rechtspflegeorgane bei und nicht primär eine Veränderung bestimmter Prozeßformen. Dabei geht es insbesondere um eine bessere Beherrschung der Beweistheorie, um Gewissenhaftigkeit und um Kollektivität in der Arbeit. In der Diskussion wurde dazu hervorgehoben, daß Fragen der Beschleunigung des Verfahrens und einer rationellen Arbeitsweise nicht verselbständigt werden dürfen. Alle Gesichtspunkte der rationellen Verfahrensdurchführung und der hierzu notwendigen Maßnahmen sind dem Hauptziel des Strafverfahrens, der Sicherung einer hohen Wirksamkeit, untergeordnet. Ausgehend von der grundlegenden Bedeutung der Prozeßform beschäftigte sich der zweite Teil des Referats mit Fragen der differenzierten Prozeßform. Das Strafprozeßrecht der DDR kennt eine differenzierte Prozeßform nur im gerichtlichen Verfahren, während in einigen anderen sozialistischen Ländern solche differenzierten Formen auch im Ermittlungsverfahren bestehen. So berichtete z. B. Dr. R. R a d e v a (Institut für Staats- und Rechtswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der VRB, Sofia) über die Unterscheidung zwischen Ermittlung und Voruntersuchung. Eine einschneidende Differenzierung der Prozeßform neuer Art, die für die sozialistische Entwicklung charakteristisch ist, besteht nach Meinung H. Luthers zwischen dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht und den Beratungen vor gesellschaftlichen Gerichten. Er wies auf die andersartige Arbeitsweise bei der Beratung vor den gesellschaftlichen Gerichten hin und gab zu bedenken, ob sich die Arbeitsweise der gesellschaftlichen Gerichte bei der Behandlung von Vergehen in ihren prozessualen Formen nicht deutlicher unterscheiden müßte von der Beratung solcher Handlungen, die unterhalb der Kriminalitätsgrenze liegen (Verfehlungen, Ordnungswidrigkeiten). Zu den differenzierten Prozeßformen zählte H. Luther die;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 30 (NJ DDR 1983, S. 30) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 30 (NJ DDR 1983, S. 30)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Ausübung der Kontrolle ihrer Einhaltung; alle Unregelmäßigkeiten in den Verhaltensweisen der Inhaftierten und Strafgefangenen festzustellen und sofort an den Wachschichtleiter zu melden. Die Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes haben gegenüber den Inhaftierten und Strafgefangenen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht bezieht sich auf - die Durchsetzung dieser Dienstanweisung, die Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung und - die Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zürn Beispiel das Nichtauf-stehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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