Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 204

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 204 (NJ DDR 1983, S. 204); 204 Neue Justiz 5/83 nen voraus und findet in ihm seine Grenzen. In den Fällen der bewußten Pflichtverletzung nach § 7 StGB ist die Voraussehbarkeit mit der tatsächlichen Voraussicht und dem leichtfertigen Vertrauen auf den Nichteintritt der Folgen das entscheidende rechtliche Kriterium für kriminell-fahrlässiges Handeln. t Unsere Untersuchungen besagen, daß in der Rechtspraxis derzeitig § 7 StGB relativ selten angewandt und in nicht wenigen Fällen auch auf § 8 Abs. 1 StGB ausgewichen wird. Uns scheint, daß das Problem des Nachweises der Folgenvoraussicht dafür ein entscheidender Grund ist. Einerseits zu hohe, andererseits unreale und auch fehlerhafte Anforderungen an dieses Kriterium bewirken, daß bestimmten Tätern mit äußerst skrupellosem Verhaltensmodell Zugeständnisse gemacht werden, was in der Konsequenz zu einer fehlerhaften Wertung ihres Verhaltens führt. Fehlerhaft sowohl deshalb, weil die Nähe zum Vorsatz bei bestimmten Verhaltensweisen gar nicht gesehen wird; fehlerhaft aber auch deshalb, weil gewollt oder ungewollt hierbei Milderungsakzente zum Tragen kommen, die nicht immer angebracht sind. Der Täter z. B., der in einem dicht besiedelten Wohngebiet eine leere Bierflasche aus dem Fenster des 5. Stockwerkes wirft und dadurch den Kopf eines Babys im Kinderwagen zertrümmert, handelt im höchsten Maße antisozial. Dabei geht es nicht darum, daß er den tatsächlichen Verlauf und Ausgang in seiner konkreten Wirkung voraussieht. Die entscheidende Frage besteht in der prinzipiell und individuell existenten Voraussicht, daß eine solche Verhaltensweise Schäden vielfältiger konkreter Art herbeiführen kann. Gerade dieses schuldhafte Ingangsetzen von Kausalprozessen, bei denen gesetzmäßig negative Resultate bewirkt werden, ist dem Handelnden klar. Die Konkretheit, das Ausmaß des Negativen usw. waren aber bei entsprechenden Anstrengungen voraussehbar. Diese Kombination von Voraussicht und Voraussehbarkeit ist vielen Pflichtverletzungen nach § 7 StGB eigen. Zum Kernstück erhebt das Gesetz bei dieser Form der Fahrlässigkeit das leichtfertige Vertrauen darauf, daß die Folgen nicht ein-treten werden. Diese Leichtfertigkeit kann erstens darin bestehen, daß der Handelnde eine gefährliche Situation selbst herbeiführt, obwohl dazu kein zwingender Grund bestand, und sie zu beherrschen glaubt. Die Leichtfertigkeit kann zweitens darin bestehen, daß der Täter in einer gefährlichen Situation, die er selbst nicht herbeiführte, auf das Eintreten oder die Wirksamkeit von Umständen vertraut, die die Folgen verhindern würden. In beiden sich überschneidenden Varianten wird die Wahrscheinlichkeit des Eintritts negativer Folgen in einer Weise unterschätzt, die nicht den realen Gegebenheiten und den Möglichkeiten des Täters entspricht. Der Täter unterschätzt die Vielfalt und tatsächliche Wirksamkeit ungünstiger objektiver Bedingungen. Andererseits überschätzt er seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten; ihm fehlt die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit seiner fehlerhaften, Entscheidung, und deshalb überprüft er sein leichtfertiges Vertrauen auf folgenverhütende Umstände und Kräfte nur unzureichend. Darin liegt die spezifische Verantwortungslosigkeit bezüglich der von ihm verursachten Schäden oder Gefahren. Die Voraussehbarkeit ist stets individuell zu prüfen und festzustellen. Es ist ein auf die Person und ihre konkrete Handlung bezogenes hypothetisches Urteil zu fällen, ob der Handelnde bei seinen Verpflichtungen und Erfahrungen unter den obwaltenden Umständen die Möglichkeit des Eintritts der Folgen hätte voraussehen können. Als Maßstäbe der Voraussehbarkeit können u. E. gelten: 1. Allgemeingültige Erkenntnisse über Ursache-Wirkung-Beziehungen, die in den Erfahrungsschatz des Täters eingegangen sind. Zum allgemeinen Erfahrungsschatz gehören Erkenntnisse, die ein normaler, handlungsfähiger Mensch besitzt und die deshalb auch beim Täter vorausgesetzt werden können. 2. Erkenntnisse und Erfahrungen auf Grund der beruflichen Stellung, der Ausbildung, der speziellen Sachkenntnis, der besonderen Erfahrungen des Täters, die ihn erkennen lassen, daß sein Handeln die Möglichkeit des Eintritts negativer Folgen in sich birgt. 3. Der Grad der Erkennbarkeit der handlungserfordernden Bedingungen. Diese können so verdeckt oder ungewöhnlich sein, daß der Handelnde sie auch bei pflichtgemäßem Verhalten nicht voraussehen konnte. 4. Ist der Handelnde für die Lösung einer speziellen Aufgabe verantwortlich, etwa für die Sicherung einer Gefahrenquelle, kann die Voraussehbarkeit nicht durch Pflichtwidrigkeiten Dritter ausgeschlossen werden. Die Voraussehbarkeit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Handelnde darauf vertrauen darf, daß sich andere Personen pflichtgemäß und sachgerecht verhalten. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt solange, wie es keinen Anlaß" gibt, Gegenteiliges anzunehmen. Somit gewinnt die Voraussehbarkeit in bestimmten Fällen als Abgrenzungskriterium der fahrlässigen Schuld von der Nichtschuld an Bedeutung, wo es sich um komplizierte Kausalverläufe handelt oder eine ganze Kette von Folgen durch die Pflichtverletzung verursacht oder mitverursacht wird. In solchen Fällen ist der Handelnde subjektiv nicht in der Lage, auch bei verantwortungsbewußter Prüfung der Sachlage den Eintritt dieser Folgen vorauszusehen. Zur Bedeutung des Zufalls bei Kausalbeziehungen Immer wieder taucht die Frage auf, ob die strafrechtliche Verantwortlichkeit für fahrlässige Straftaten insgesamt nicht doch vom Zufall des Eintritts schädlicher Folgen oder Gefahren bestimmt wird. Wir haben es bei der Fahrlässigkeit nicht selten mit der Tatsache zu tun, daß das zufällige Zusammentreffen unterschiedlichster Prozesse zum zufälligen Entstehen von immensen Folgen führt. Weder mit der Verneinung dieser Tatsache noch mit der pauschalen Feststellung, unsere Schuldkonzeption lasse die Zurechnung von Zufallsresultaten nicht zu, ist der Praxis geholfen. Vielmehr muß man den inneren Zusammenhang zwischen Notwendigkeit und Zufall und deren gegenseitige Bedingtheit tiefer durchdringen, um eine klare marxistisch-leninistische Position zu diesen Kategorien zu finden. Zu Recht stellt H. Hörz fest: „Das Zufällige hat einen Grund, weil es keiner übernatürlichen Erklärung für seine Existenz bedarf, und es hat keinen Grund, weil sich zufällig zusammentreffende Ereignisse nicht gegenseitig begründen. Notwendig sind diese Ereignisse deshalb, weil die Art ihres Auftretens durch die Gesamtheit der Bedingungen bestimmt ist. Aber sie sind nicht gesetzmäßig Da allgemeine und besondere, grundlegende und abgeleitete Gesetze existieren, ist die Rolle des Zufalls im System der Gesetze zu bestimmen.“/ Der Zufall wird von Hörz definiert als „eine objektive Beziehung zwischen den unerschöpflichen Eigenschaften eines Objektes, eines Prozesses oder einer Person (Gruppe) und zwischen den unerschöpflichen Beziehungen verschiedener Ereignisse, die sich nicht aus den wesentlichen Bedingungen dieser aufeinander bezogenen Komponenten begründet“.8 Die weitere wissenschaftliche Analyse und Wertung zufälliger Erscheinungen und Ereignisse, die auch für die Staatsund Rechtspraxis und für die Wissenschaft bedeutsam ist, erfordert nach unserem Dafürhalten eine Differenzierung des Zufalls auf der Basis der Gesetzesstruktur. Nur von daher wird es möglich sein, die objektive Existenz des Zufalls aus der Unerschöpflichkeit materieller Beziehungen abzuleiten, die Hierarchie dieser Beziehungen differenziert zu sehen und zwischen wesentlichen und unwesentlichen, erkannten und unerkannten und damit in gewisser Hinsicht berechenbaren und unberechenbaren Zufällen zu unterscheiden. Hörz geht davon aus, daß Zufälle Erscheinungsformen des Gesetzes sind und daß die zufällige Verwirklichung einer im Möglichkeitsfeld des Gesetzes enthaltenen Variante die zufällige Erscheinungsform des Gesetzes unter konkreten Bedingungen ist. Er macht auf der Grundlage des Verhältnisses von allgemeinen und besonderen, grundlegenden und abgeleiteten, einander widersprechenden und koexistierenden Gesetzen im Gesetzessystem eine Graduierung der Zufälle möglich. Und schließlich trennt er zwischen wesentlichen Zufällen und unwesentlichen Zufällen, die vernachlässigt werden können, wodurch die inneren Beziehungen zwischen den Prozessen und Erscheinungen differenzierter und exakter bestimmbar sind.9 Diese Erkenntnisse sind u. E. für den Prozeß der Prüfung und Feststellung strafrechtlicher Verantwortlichkeit von erheblicher Bedeutung. Sie verlangen sowohl im Hinblick auf die Kausalitätsprüfung als auch hinsichtlich der sich anschließenden Sehuldprüfung die Beachtung fundamentaler Zusammenhänge zwischen dem Handeln der Menschen und dem Eintritt gesetzmäßiger und zufälliger Ereignisse. Sie ermöglichen bessere Differenzierungen bei der Zurechnung oder Nichtzurechnung von Primär-, Sekundär- und weiteren Folgen, und sie geben damit für das im Strafrecht generell geltende Differenzierungsprinzip gute Orientierungen. Für die praktische Arbeit der Justiz- und Sicherheitsorgane könnte dies bedeuten: 1. Der Zufall ist bei der Prüfung und Feststellung von;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 204 (NJ DDR 1983, S. 204) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 204 (NJ DDR 1983, S. 204)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes unterstellt. Er ist dem Vorführer gegenüber weisungs- und kontrollberechtigt.

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