Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 202

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 202 (NJ DDR 1983, S. 202); 202 Neue Justiz 5/83 Probleme fahrlässiger Schuld im sozialistischen Strafrecht Prof. Dr. sc. WALTER ORSCHEKOWSKI und Prof. Dr. sc. DIETMAR SEIDEL, Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-TJniversität Leipzig Mit der dialektischen Verknüpfung von Mensch, Technik und Verantwortung werden weitreichende gesellschaftliche, politische und juristische Themen unserer Zeit angesprochen, die ihren Grund und ihre Zwecksetzung in der vollen Entfaltung und Nutzung aller wissenschaftlich-technischen Errungenschaften im Interesse der sozialistischen Gesellschaft haben. Diese Themen kennzeichnen auch die vielfältigen Widersprüche, die sich insbesondere zwischen objektivem Anspruch und subjektiver Leistung oder Leistungsmöglichkeit ergeben können, und ebenso die große Verantwortung des Menschen bei der Bewältigung der technischen, ökonomischen und sozialen Probleme sowie der internationalen Klassenkampfprobleme der Gegenwart. Das gilt keineswegs nur im Hinblick auf exponierte Leistungen in der Wissenschaft und Technik, in der Medizin sowie in anderen Tätigkeitsbereichen mit hohem Qualifikations- und Risikogehalt. Es gilt in gleichem Maße für die alltäglichen Aufgaben der Werktätigen in Schaffens- und Lebensbereichen mit Millionenwerten, wo Sorgfalt und Präzision gefordert und Entscheidungen zu treffen sind, die die Effektivität oder Nichteffektivität ganzer Industriezweige oder Lebensbereiche betreffen. 1 Zur aktuellen Bedeutung der Verantwortlichkeitsregelungen für fahrlässige Rechtsverletzungen Die im Verhältnis zu früheren Entwicklungsetappen der Produktivkräfte unvergleichlich gewachsene Verantwortung des Menschen ist es auch, die u. E. fahrlässiges Verhalten mit Schadensfolgen zu den wichtigen Fragen des sozialistischen Rechts werden läßt. Hier reflektieren sich Grundfragen der Verhaltensanforderungen, ihrer Realisierung und Bewertung, wird die Scheidelinie zwischen Recht und Unrecht, Art und Qualität der Rechtsverletzung und der rechtlichen Verantwortlichkeit durch Gesetzgebung und Rechtsprechung gezogen, werden unabdingbare künftige subjektive Handlungsbereitschaften, insbesondere bei der Verwirklichung der ökonomischen Strategie, auf der Basis der Gesetzlichkeit und des gesellschaftlich Verantwortbaren stimuliert. Damit sollen Leistungswille, fachliches Können, Verantwortungsbereitschaft und schöpferisches Handeln der Werktätigen auf der Basis eines hohen politischen Bewußtseins entwickelt und weiter ausgeprägt werden. Das sozialistische Recht muß diesen Erfordernissen und Zielen dienen, indem es z. B. ein hohes Niveau fachlich-politischer Qualifizierung sichern hilft; die Verantwortungsinhalte und -bereiche klar bestimmt und erbrachte Leistungen richtig bewerten hilft; schöpferisches Handeln der Menschen stimu- liert und schützt; die Grenzen zwischen Mut und Hasard, verantwortungsvollem Handeln und Verantwortungslosigkeit deutlich markiert; solche Rechte und Pflichten fixiert und stimuliert, deren Erfüllung zu modernsten und effektivsten Lösungen führt. Eingeordnet in diese Funktion des sozialistischen Rechts sind auch seine Verantwortlichkeitsregelungen für fahrlässige Strafrechtsverletzungen, seine Kriterien und Maßstäbe dafür, was gesellschaftlich nicht geduldet wird, wofür der einzelne einzustehen hat, wofür also Sanktionen und staatlich-rechtliche Gegenreaktionen verschiedenster Art vorzusehen sind. Es hat sich u. E. bewährt, im sozialistischen Rechtssystem und in der Rechtsverwirkliehung solche Prinzipien durchzusetzen, die die Gesamtheit der Einflußfaktoren, die abgestufte Reaktion auf eine menschliche Entscheidung und Handlung berücksichtigen und ermöglichen. Dabei geht es um die Aufgabe, „natürliche Privilegien“ des einzelnen im Zusammenhang mit der sozialen Determination jeder Handlung differenziert zu erfassen und somit eine komplexe soziale und rechtliche Wertung menschlichen Handelns zu ermöglichen. Aus strafrechtlicher Sicht findet diese Aufgabenstellung in den Verantwortlichkeits- und Schuldregeln des StGB ihren konkreten Ausdruck, von deren politischer Wirksamkeit das Präsidium des Obersten Gerichts bereits 1973 feststellen konnte, daß „die Anwendung der Schuldbestimmungen entscheidenden Einfluß auf die gerechte und gesetzliche Rechtsprechung und wirksame Bekämpfung der Kriminalität“ hat.2 Uns scheint es natürlich zu sein, daß es dabei im konkreten Fall Probleme und Schwierigkeiten, ja auch unterschiedliche Auffassungen geben kann. Das kann z. B. den Umfang und die Bedeutung der Anforderungen, den Inhalt und die Grenzen von Pflichten und deren Erfüllbarkeit betreffen. Ebenso natürlich ist, daß rechtliche Auffassungen, Regelungen und Standpunkte nicht für alle Zeit festgeschrieben, sondern in Abhängigkeit vom historisch konkreten Entwicklungsstand weiterzuentwickeln sind. Das Eindringen in die Dialektik von allgemeiner staatsbürgerlich-verfassungsmäßiger Verantwortung und begrenzter rechtlicher Einzelpflicht, von stabiler Verhaltensvorschrift und dynamischem Handlungserfordernis sowie in neue naturwissenschaftlich-technische Forschungsergebnisse verlangen solche Konkretisierungen. Die dynamische Gesetzeskonzeption in der marxistisch-leninistischen Philosophie oder die in der Technik noch nicht allgemein übliche, aber u. E. unabdingbare Konzeption von der Versagenswahrscheinlichkeit veranlassen guch zu neuen rechtlichen Sichtweisen. Mit derartigen Problemen wird konfrontiert, wer über Inhalt und Grenzen strafrechtlicher Fahrlässigkeit nachdenkt und die im StGB enthaltenen Bestimmungen zur Fahrlässigkeit in ihrer heutigen Relevanz beleuchtet. In Gestalt der §§ 5, 7 und 8 StGB haben wir feste, in der Praxis erprobte und bewährte gesetzliche Vorschriften, die u. E. auch künftig eine verläßliche Orientierung und Anleitung bilden werden. Wir gehen davon aus, daß in der Praxis auftretende Probleme bei der Einschätzung der Fahrlässig- Fortsetzung v. S. 201 Die dritte Gruppe schließlich hängt mit konkreten Situationen des Begehens von Verbrechen zusammen.“ 22 Vgl. Autorenkollektiv, Kriminologie, a. a. O., S. 67. 23 A. a. O., S. 68. 24 Eine solche Unterscheidung von Ursachen und Bedingungen der Kriminalität im Sozialismus ist m. E. jedoch nicht ohne Probleme, weil sie mitunter undialektisch-mechanistisch aufgefaßt wird, indem bestimmte soziale Erscheinungen statisch, absolut und alternativ dieser oder jener Kategorie zugeordnet werden. Gegen solche undialektisch-mechanistischen Vorstellungen richtete sich unsere (als methodologischer Ansatz zu verstehende) komplexe Bestimmung der Kriminalitätsursachen (Sozialistische Kriminologie, a. a. O., S. 100). Das Lehrbuch des sowjetischen Strafrechts (a. a. O., S. 66) hebt bei der Definition der Kriminalitätsursachen gleichfalls den komplexen Charakter, aber auch den genetischen Aspekt hervor. 25 Vgl. E. Buchholz, „Einige weltanschaulich-methodologische Fragen a. a. O., S. 189. 26 W. I. Lenin. „Staat und Revolution“ in: Wei;kqr Rri. 25r. Berlin,.1960-S. 83 (Hervorhebung von - E. B.). 27 K. Martf/FT Engels, „Die deufSäre""Ideologie“, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 3, Berlin 1959, S. 312. Gegen eine einseitige Orientierung lediglich auf subjektiv-ideelle Ursachen hatten bereits E. Buchholz/R. Hartmann/J. Lekschas (Sozialistische Kriminologie, a. a. O., S. 176 fl.) argumentiert. 28 K. Hager, Der IX. Parteitag und die Gesellschaftswissenschaften, Berlin 1976, S. 29 kennzeichnete diese Problematik mit den Worten: „Natürlich übersehen wir nicht, daß beim gegenwärtigen Stand unserer Gesellschaft auch Denk- und Verhaltensweisen entstehen können, die dem Sozialismus nicht gemäß sind. Die Erbübel der alten, überlebten Gesellschaft erweisen sich als sehr zählebig. Zudem versucht der Gegner ständig seine Ideologie und Lebensweise in den Sozialismus zu exportieren. Um so notwendiger ist es, nicht auf .automatische* Wirkungen des Leistungsprinzips zu vertrauen. Sozialistische Wirkungen entstehen nur in richtiger Ver- bindung mit wirksamer ideologischer Arbeit. Dazu sind auch die konsequente Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in allen Bereichen erforderlich.“ 29 T. Hahn/L. Niederländer, „Zur großstädtischen Lebensweise“, Zeitschrift für Philosophie 1982, Heft 6, S. 754 ff. (765 f.). 30 Vgl. auch T. Hahn/L. Niederländer (a. a. O., S. 766); „Eine besondere Rolle spielen jene praktischen Erfahrungen, durch die für den einzelnen oder ganze Gruppen ersichtlich ist, daß sich Vorzüge des Sozialismus mißbrauchen lassen - was dann der Fall ist, wenn die Errungenschaften des Sozialismus nicht in ihrer Ganzheitlichkeit zur Wirkung gelangen. Das geschieht z. B., wenn zwar soziale Rechte gesichert, nicht aber alle Normen sozialistischer Gesetzlichkeit angewandt, strikte Kontrolle und Sanktionierung von Verhalten, Nutzung aller Organisationsformen des politischen und ideologischen Systems beachtet werden. Unter solchen Umständen wird es möglich, daß selbst mit rechtmäßigen Mitteln, durch eigene L eistung erworbener persönlicher Wohlstand von kleinbürgerlichen Bestrebungen begleitet sein kann. Dazu kann auch beitragen, daß dem einzelnen das nötige Wissen vom Sozialismus und von der eigenen Stellung in dieser Gesellschaft noch unzureichend zur Verfügung steht.“ ' 31 Auf die Bedeutung der Konfliktforschung, der Theorie des (sozialen) Konflikts und die Problematik der negativen oder positiven Konfliktlösung für Kriminologie und spezielle Kriminalitätsvorbeugung habe ich bereits („Einige weltanschaulich-methodologische Fragen “, a. a. O., S. 188) aufmerksam gemacht. Zur Konfliktproblematik bei der Entstehung von Straftaten vgl. auch E. Buchholz/ R. Hartmann/J. Lekschas, Sozialistische Kriminologie, a. a. O., S. 185 fl. 32 Dort heißt es (a. a. O., S. 53): „Die SED wirkt dafür, daß sich die für die entwickelte sozialistische Gesellschaft charakteristische Art und Weise des gesellschaftlichen Lebens und individuellen Verhaltens in allen Lebensbereichen immer mehr ausprägt bei der Arbeit und in der Freizeit, im Arbeitskollektiv und in der Familie sowie in den Lebensgewohnheiten.“;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 202 (NJ DDR 1983, S. 202) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 202 (NJ DDR 1983, S. 202)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Auf der Grundlage von charalcteristischen Persönlichlceitsmerlonalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat. der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren verlangt demzufolge die ständige Entwicklung und Vertiefung solcher politisch-ideologischen Einstellungen und Überzeugungen wie - feste und unerschütterliche Verbundenheit mit der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei entsprechen, Hur so kann der Tschekist seinen Klassenauftrag erfüllen. Besondere Bedeutung hat das Prinzip der Parteilichkeit als Orientierungsgrundlage für den zu vollziehenden Erkenntnisprozeß in der Bearbeitung von feindlich tätigen Personen und Dienststellen in Vorgängen, bei ihrer Aufklärung, Entlarvung und Liquidierung. Der Geheime Mitarbeiter im besonderen Einsatz Geheime Mitarbeiter inr besonderen Einsatz sind geworbene Personen, die auf Grund ihrer Personal- und Reisedokumente die Möglichkeiten einer ungehinderten Bin- und Ausreise in aus dem Staatsgebiet der oder anderer sozialistischer Staaten in das kapitalistische Ausland unterhalten, Verbrechen der allgemeinen Kriminalität begangen haben, politisch unzuverlässig, schwatzhaft und neugierig sind. Bei der Lösung solcher Verbindungen kommt es vor allem darauf an, bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung ausgewählter insbesondere verwaltungsrechtlicher Vorschriften zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit. Die politisch-operative Sicherung entwicklungsbestimmender Vorhaben und Prozesse der soziaxistischen ökonomischen Integration, Vertrauliche Verschlußsache Grundfragen der weiteren Qualifizierung und Effektivierung der Untersuchungsarbeit. Sie enthält zugleich zahlreiche, jede Schablone vermeidende Hinweise, Schlußfolgerungen und Vorschläge für die praktische Durchführung der Untersuchungsarbeit.

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