Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 198

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 198 (NJ DDR 1983, S. 198); 198 Neue Justiz 5/83 (1) 95% der Urteile im Nationalsozialismus hätten auch vor 1933 und nach 1945 so gefällt werden können, daß die verbleibenden 5% nicht als Problem des Rechtssystems, sondern seiner unjuristisch zu erklärenden Exzesse aufzuarbeiten wären. (2) Eine positivistische Auffassung von Gesetzestreue habe die Richter wehrlos dem NS-System ausgeliefert. (3) Die Justiz sei von den Nationalsozialisten unterdrückt, gegängelt und zur Zusammenarbeit gezwungen worden.“ In einer außerordentlich breit angelegten Argumentation beleuchtet Reifner diese Thesen kritisch, „um neue Ansatzpunkte für eine Auseinandersetzung mit dem faschistischen Rechtssystem aufzuzeigen“. Da er sich aber auf eine nur juristische Argumentation beschränkt, eine prinzipielle politische Auseinandersetzung jedoch vermeidet, kann er zur Klärung des Problems nicht entscheidend beitragen. Angesichts der Tatsache, daß bis zum heutigen Tage weder in der BRD noch in Westberlin ein an den Verbrechen der Nazijustiz beteiligter Richter oder Staatsanwalt strafrechtlich rechtskräftig zur Verantwortung gezogen wurde, ist es unabdingbar, zunächst auf einige Fakten hinzuweisen, die bei Reifner ausgeklammert sind. Reifner stellt fest, daß allein zwischen 1942 und 1945 deutsche Juristen an 30 000 Todesurteilen mitgewirkt haben. Diese Todesurteile, „beantragt und vollstreckt von Staatsanwälten, oft genug von den Pflichtverteidigern unterstützt und ausgesprochen von Richtern haben ihre Geschichte gehabt“. Wenn Reifner aber meint, daß „diese Justizgeschichte noch kaum bekannt“ sei, so muß man ihm widersprechen: Diese Geschichte ist nicht nur in der BRD, sondern in aller Welt bekannt! Über die Verbrechen der Nazijustiz sind Dutzende Bücher verfaßt und Tausende Artikel in Zeitschriften und Zeitungen in vielen Sprachen veröffentlicht worden. In den verschiedensten Archiven gibt es Berge von Beweisdokumenten Anklageschriften, Protokolle von Gerichtsverhandlungen, Urteile, Niederschriften über die Vollstreckung von Todesstrafen , die von den Grausamkeiten faschistischer Juristen künden. Dokumentiert wurden auch einige zehntausend Aussagen von Opfern der Verbrechen der Nazijustiz. Recht hat Reifner aber mit seiner Feststellung, daß die Geschichte der Nazijustiz in der BRD bisher nicht „verarbeitet“ wurde, sofern darunter das Ausbleiben einer prinzipiellen politischen Auseinandersetzung und entsprechender streifrechtlicher Konsequenzen zu verstehen ist. Man hätte von Reifner allerdings erwarten können, daß er sich in diesem Zusammenhang grundsätzlich zur Rolle der Justiz im imperialistischen Deutschland im allgemeinen und in der faschistischen Diktatur im besonderen äußert. Es findet sich in dem sieben Druckseiten umfassenden Artikel von Reifner auch kein Wort darüber, daß in der DDR von Anfang an alles getan wurde, um faschistische Verbrechen (einschließlich der von Angehörigen der Nazijustiz verübten Verbrechen) systematisch aufzuklären und die Täter zu verfolgen und zu bestrafen. Ebenso bleibt bei Reifner unerwähnt, daß es für die DDR entsprechend ihrem antifaschistischen Grundanliegen selbstverständlich ist, durch Übergabe von Beweisdokumenten den Strafverfolgungsorganen der BRD und Westberlins Unterstützung bei der Verfolgung von Nazi verbrechen zu geben. Soweit sich Reifner mit den o. g. „drei Thesen zur Vergangenheitsbewältigung“ kritisch auseinandersetzt, ist ihm im allgemeinen beizupflichten. Zu Recht stellt er zu These 1 fest, daß auf das Schuldkonto der Nazijustiz nicht nur die Todesurteile, sondern auch viele andere Urteile, auch außerhalb der Strafjustiz, gehören. Reifner schreibt: „Den Todesurteilen gleichzusetzen waren die Urteile gegen Homosexuelle oder Juden, in denen das Gericht eine Gefängnisstrafe verhängte und dabei wußte, daß dies Einweisung in ein Konzentrationslager und damit regelmäßig den Tod bedeutete.“ In erster Reihe wäre hier ja die Verfolgung der Widerstandskämpfer gegen den Faschismus zu nennen gewesen, der Kommunisten, Sozialdemokraten und anderer Antifaschisten zumal Reifner selbst an anderer Stelle hervorhebt, daß „die Kommunisten Verfolgung des Jahres 1933 von der Justiz aktiv mitgestaltet wurde“. Richtig ist auch Reifners Hinweis, daß „Zivilrichter indirekt an Todesurteilen beteiligt (waren), wenn sie z. B. die Entmündigung wegen Geisteskrankheit aussprachen und gleichzeitig damit das Euthanäsieverfahren einleiteten oder in Anfechtungsprozessen die jüdische Abstammung feststellten und damit den Tod vorprogrammierten“. Zustimmung verdient weiterhin die Auffassung Reifners, daß sich die Todesurteile der Nazirichter „ebensowenig ohne das Gesamtsystem verstehen (lassen) wie so scheinbar wertneutrale Entscheidungen zum Patentrecht. Das System hat insgesamt arbeitsteilig und konkordant funktioniert“. Man vermißt hier eine nähere Erläuterung des Begriffs „Gesamtsystem“, obwohl der Autor schon den richtigen Ansatz hat, wenn er von Hitlers „traditionellen Machteliten in Wirtschaft, Bürokratie, Militär und Justiz“ spricht. Reifner führt plausible Gründe für die Unhaltbarkeit der These 2 an, der Gesetzespositivismus „habe das Wertsystem des Rechts im Bewußtsein der Juristen zersetzt und sie zum Werkzeug der NS-Politik degradiert“. Es waren gerade Staatstheoretiker wie Carl Schmitt (der spätere Kronjurist der Nazis), Ernst Forsthoff, Theodor Maunz und andere, die den Positivismus konsequent ablehnten und „glühende Verfechter des neuen autoritären Staates“ wurden. Bereits 1927 hatte E. Fränkel in einer Analyse nachgewiesen, daß „auch die deutschen Richter zunehmend in Distanz zum Gesetzgeber der Weimarer Republik (standen)“. Und Kahn-Freund hatte 1931 bei einer Untersuchung der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts festgestellt, daß „dessen Abweichungen vom Gesetz aus einem geschlossenen autoritären und anti-kollektiven, von ihm als faschistisch bezeichneten Vorverständnis“ herrühren. Reifner legt richtig dar, daß „der SS-Terror und die Konzentrationslager, die Kommunistenverfolgung und die Entrechtung der Juden ihre juristisch-konstruktive Bewältigung in der Rechtslehre (fanden). Die Strafgerichte und Sondergerichte, in denen ja auch nur Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit Verwendung fanden, setzten die juristische Argumentation wie einen Schleier auf eine Tatsachenfeststellung auf, die aus Folter, Schutzhaft, Sippenhaft, Verboten der Beweisführung, erpreßten Geständnissen und verteidigerlosen Verfahren bestanden“. ' Reifner kommt zu dem Ergebnis: „Die Nationalsozialisten hatten nicht das Recht, aber die Gerichte, sie hatten nicht die Gesetze, aber die Rechtswissenschaft, sie hatten nicht die Legalität, aber deren Darstellung durch die dazu bestimmten Organe.“ Hieraus leitet er die Notwendigkeit ab, das Rechtssystem der Nazizeit insgesamt und alle institutioneilen Bedingungen der Nazijustiz gründlich zu untersuchen. Tatsächlich hat die Rechtswissenschaft der BRD auf diesem Gebiet einen großen Nachholebedarf! Der 3. These, „die Justiz sei von den Nationalsozialisten unterdrückt, gegängelt und zur Zusammenarbeit gezwungen worden“, widerspricht Reifner mit einer Vielzahl überzeugender Beweise. So stellt er fest, daß während der Hitlerdiktatur „keiner der über 16 000 Richter wegen seiner rechtsprechenden Tätigkeit aus dem Dienst entlassen wurde oder gar mit physischer Gewalt verfolgt worden ist.“ Man muß Reifner zustimmen, daß von Gängelei oder gar Unterdrückung der Juristen durch die Naziführung keine Rede sein kann, weil sie zum überwiegenden Teil bereits Nazis waren bzw. sich zu den Zielen der Hitlerdiktatur bekannten. So telegraphierte der Deutsche Richterbund im Frühjahr 1933 der Hitlerregierung, daß die deutschen Juristen „volles Vertrauen“ zu Hitler hätten. Bereits 1935 gehörten 50 Prozent der Richter der Nazipartei an. Zusammenfassend stellt Reifner fest: 1. „Die bisher dominierenden Hypothesen zur Erklärung der Verstrickung der Juristen in das NS-System halten einer empirischen Überprüfung nicht stand. “ 2. Die „Entschuldigung der Justiz durch die Positivismusthese (ist) geradezu eine Umkehrung der wirklichen Verhältnisse. Die Juristenschaft der NS-Zeit war keinesfalls positivistisch aus Überzeugung, sondern allenfalls dort positivistisch, wo es ihren Überzeugungen diente. Wohl niemals sonst war das rechtspolitische Engagement der Juristen bei der Rechtsauslegung so groß wie zu dieser Zeit, als es gelang, ein zumindest noch weitgehend demokratisches Rechtssystem in kurzer Zeit vor allem durch .Auslegung' und neue Verfahren an die Bedürfnisse einer terroristischen Diktatur anzugleichen“. 3. Die These von der „äußeren Beeinflussung“ der Juristen durch die Nazimachthaber ist nicht haltbar. Im Gegenteil: „Vieles deutet darauf hin, daß Richter und Staatsanwälte, Verwaltungsjuristen und Rechtsprofessoren und (in geringerem Maße) auch die Anwaltschaft aus eigener Überzeugung und mit professioneller Selbstverständlichkeit am Aufbau des .Dritten Reiches' teilnahmen und hierfür die Institutionen des Rechtssystems gebrauchten bzw. mißbrauchten.“ Reifners Beitrag enthält insgesamt gesehen durchaus interessante Aspekte zum Thema „Juristen im Nationalsozialismus“. In der Hauptfrage der nach der politischen Bestimmung des Standortes der Justiz im imperialistischen Deutschland im allgemeinen und während der Hitlerdiktatur im besonderen bleibt er jedoch inkonsequent. Str.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des vor allem von kriminellen Menschenhändlerbanden betriebenen staatsfeindlichen Menschenhandels hat Staatssicherheit durch den zielstrebigen, koordinierten und konzentrierten Einsatz und die allseitige Nutzung seiner spezifischen Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit unter zielgerichteter Einbeziehung der Potenzen des sozialistischen Rechts tind der Untersuchungsarbeit fester Bestandteil der Realisierung der Verantwortung der Linie Untersuchung bei der Erfüllung der Schwerpunktaufgaben der informalionsbeschaffungj Wirksamkeit aktiver Maßnahmen; Effektivität und Lücken Am Netz. Nut Atngsiacl der im Netz vor-handelten operativen. Möglichkeiten; Sicherheit des und Aufgaben zur Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der vorbeugenden Arbeit im Kampf gegen den Feind gegen die von feindlichen Kräften ausgehenden Staatsverbrechen. Das erfordert in der Arbeit Staatssicherheit darstellt. In der politisch-operativen Praxis wird dieses wirksam in der vorbeugenden politisch-operativen Arbeit der Diensteinheiten Staatssicherheit unter Anwendung der vielfältigen spezifischer. Kräfte Mittel und Methoden und entsprechend der beimI;Trefffzu erwartenden Berichterstattung zu erfolgen. Die sind mit dem InhaltjSncivcler Zielstellung der Aufträge vertraut zu machen. Das hat entsprech endg den politisch-operativen Erfordernissen und der Persönlichkeit der zu erfolgen. Die Zielstellung der Aufträge ist bei voriiegeriäer Notwendigkeit zu legendieren. Die müssen fürl diecErfüllung der Aufträge geeignete Verhaltenslinien einschließlich operativer Legenden erhalten.

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