Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1983, Seite 170

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 170 (NJ DDR 1983, S. 170); 170 Neue Justiz 4/83 diesem zwei Ohrfeigen. Der Angeklagte, der auch dies als Scherz auffaßte, warf daraufhin die Mütze des Zeugen zwischen die Sitzreihen. Der Aufforderung des Zeugen, die Mütze wieder aufzuheben, kam er nicht nach. Er beachtete den Zeugen nicht mehr und unterhielt sich mit einem anderen Bürger. Als sich der Zug dem Haltepunkt B. näherte, kam der Zeuge F. auf den Angeklagten zu und faßte diesen an der Kleidung. Der Angeklagte umklammerte daraufhin den Zeugen und hob ihn hoch, worauf sich der Zeuge am Gepäckgestell festhielt. Um zu erreichen, daß er losläßt, drehte der Angeklagte den Zeugen ruckartig herum, wodurch es bei dem Zeugen zu einer Schulterluxation mit gleichzeitiger Lähmung aller Armnerven rechts kam. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Hauptverhandlung war eine leichte Besserung eingetreten. Ein Dauerschaden konnte jedoch nicht ausgeschlossen werden. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Kreisgericht den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (Vergehen gemäß §118 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 StGB) auf Bewährung und zum Schadenersatz verurteilt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung hat das Bezirksgericht als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Präsident des Obersten Gerichts hat mit der Begründung, der Angeklagte habe nicht schuldhaft gehandelt, die Kassation des Urteils des Kreisgerichts mit dem Ziel beantragt, den Angeklagten freizusprechen und die Schadenersatzanträge abzuweisen. Der Antrag hatte Erfolg. Aus der Begründung: Die Ansicht des Kreisgerichts, der Angeklagte habe in bewußter Verletzung seiner Pflichten gehandelt (§ 8 Abs. 1 StGB), als er, um den Festhaltegriff des Zeugen am Gepäckgestell zu lösen, diesen ruckartig zur Seite drehte, hält einer Nachprüfung nicht stand. Das Kreisgericht hat die Frage, ob und ggf. aus welchen Gründen der Angeklagte für die dem Geschädigten zugefügte folgenschwere Verletzung strafrechtlich verantwortlich ist, nicht mit der notwendigen Sorgfalt geprüft. Es hat vor allem die sich aus der Entstehung und Entwicklung der Handlungssituation, dem ihr zugrunde liegenden Verhalten der Beteiligten sowie dem Persönlichkeitsbild des Angeklagten ergebenden, für die Beantwortung der Schuldfrage bedeutsamen Umstände weder im einzelnen noch in ihrer wechselseitigen Durchdringung untersucht. Eine solche Untersuchung führt zu folgenden Ergebnissen: Bed der Einwirkung auf den Geschädigten, durch die dessen folgenschwere Verletzung verursacht wurde, handelt es sich nicht um eine ihrer Art nach von vornherein so kraß von einem pflichtgemäßen Verhalten abweichende Handlung, daß bereits den objektiven Handlungsumständen sichere Hinweise darauf entnommen werden könnten, der Angeklagte habe sich, als er die ruckartige Drehung ausführte, den pflichtwidrigen Charakter seines Vorgehens bewußt gemacht Ganz anders lägen die Dinge beispielsweise bei einem zwar scherz-weisen, aber absichtlichen Stoßen über ein im Rücken des Gestoßenen befindliches Hindernis. Auf Grund der objektiven Handlungsumstände eines derartigen Einwirkens auf einen anderen wäre eine entsprechende Schlußfolgerung schon eher gerechtfertigt. Aus der Art und Weise, wie der Angeklagte auf den Geschädigten eingewirkt hat, kann sie aber mit Gewißheit nicht gezogen werden. Schon gar nicht ergibt sie sich aus den Handlungsvorstellungen des Angeklagten. Dessen Handlung entsprang einer zwar länger dauernden, den Rahmen beiderseitiger Hänselei aber nie überschreitenden wörtlichen und zuletzt körperlichen Auseinandersetzung Diese Auseinandersetzung trug nicht Züge von Boshaftigkeit, sondern von Harmlosigkeit. Auf keinen Fall kann die Rede davon sein, daß die Beteiligten einander schädigen wollten. Daran ändert auch der Gebrauch von in einer anderen Situation möglicherweise beleidigenden Kraftausdrücken ebensowenig wie die beiderseitigen körperlichen Einwirkungen. Das gehörte in der gegebenen Situation zu der von beiden selbst gewählten und von beiden akzeptierten Form des Umgangs miteinander. Sie war zwar derb und ungeschliffen, ist im Alltagsleben aber gar nicht so ungewöhnlich. Das Ausheben und auch das in Sekundenschnelle vollzogene, unüberlegte Drehen des Körpers des sich festhaltenden Geschädigten hat der Angeklagte in diese situationsbedingte Umgangsform eingeordnet, ohne dabei an eine Pflichtverletzung zu denken, ge- schweige die Möglichkeit der tatsächlich eingetretenen Folgen in Betracht zu ziehen. Nach alledem muß davon ausgegangen werden, daß sich der Angeklagte der Pflichtwidrigkeit der ihm als strafbar zur Last gelegten Handlung nicht bewußt war, so daß eine bewußte Pflichtverletzung als Grundlage der mit § 8 Abs. 1 StGB charakterisierten Fahrlässigkeit nicht angenommen werden darf. Das führt zu der weiteren Frage, ob sich der Angeklagte die objektive Pflichtwidrigkeit seiner Handlung nur infolge verantwortungsloser Gleichgültigkeit gegenüber den Normen des Zusammenlebens nicht bewußt gemacht hat (§ 8 Abs. 2 StGB, 1. Alternative) oder ob diese Handlung einer auf disziplinloser Einstellung beruhenden Gewöhnung an pflichtwidriges Verhalten entspringt (§ 8 Abs. 2 StGB, 2. Alternative) und aus diesen Gründen das Vorliegen fahrlässiger Schuld zu bejahen ist Beides ist nicht der FalL Beim Angeklagten handelt es sich um einen in seiner Gesamthaltung positiven jungen Mann. Insbesondere im Umgang mit anderen Bürgern sowie in seiner gesellschaftlichen Tätigkeit hat er sich bisher verantwortungsbewußt verhalten. Von einer Gewöhnung an pflichtwidriges Verhalten, die auf Disziplinlosigkeit zurückzuführen ist, kann deshalb nicht gesprochen, das Nichterkennen der Pflichtwidrigkeit seines Handelns also auch nicht darauf zurückgeführt werden. Auch verantwortungslose Gleichgültigkeit ist nicht Ursache dieses Nichterkennens. Zunächst ist auch bei der Prüfung dieser Frage darauf hinzuweisen, daß es sich beim Angeklagten seiner ganzen Persönlichkeit nach um einen gegenüber Pflichten aufgeschlossenen Menschen handelt und verantwortungslose Gleichgültigkeit sich keineswegs von vornherein in sein Verhaltensbild einordnen läßt. Allerdings kann eine konkrete Pflichtverletzung durchaus auf verantwortungsloser Gleichgültigkeit beruhen, auch wenn der Täter sich ansonsten stets pflichtgemäß verhalten hat. Dies vor allem dann, wenn das konkrete pflichtwidrige Handeln das Ergebnis von Gedankenlosigkeit, Sorglosigkeit, Bequemlichkeit u. ä. ist. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß derartige subjektive Handlungsfaktoren einen solchen Grad der Ausprägung erfahren haben müssen, daß die konkrete Handlung sich auch von ihrer subjektiven Grundlage her als gesellschaftlich nicht vertretbare Fehlleistung darstellt (vgl. StGB-Kom-mentar, Berlin 1981, Vorbemerkung zur Fahrlässigkeit [S. 61]). Kommt man im Ergebnis nachbetrachtender Würdigung eines Handlungsablaufs und seiner Folgen zu der Feststellung, daß dem Täter bei umfassender Analyse aller irgend denkbaren Folgen seines Handelns auch die Möglichkeit des Eintritts strafrechtlich bedeutsamer Folgen hätte bewußt werden müssen, darf das nicht zu einer mechanischen Bejahung verantwortungsloser Gleichgültigkeit führen. Eine solche Betrachtungsweise wäre lebensfremd und würde zu einer bloßen Erfolgshaftung führen, die dem Strafrecht der DDR fremd ist. Vielmehr sind auch bei der Untersuchung der Frage, ob ein eine strafrechtliche Schuld begründender Grad der Sorglosigkeit oder dergleichen vorlag, die Tatsituation und die zu ihr in Beziehung stehenden Umstände zu berücksichtigen, weil sich erst auf dieser Grundlage sicher beurteilen läßt, ob es dem Täter möglich war, sich seine Pflichten bewußt zu machen und sein Handeln danach einzurichten. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte nicht auf Grund einer als verantwortungslose Gleichgültigkeit, Gedankenlosigkeit oder Sorglosigkeit zu kennzeichnenden Einstellung gehandelt. Die durch ihn verursachten Verletzungsfolgen sind für derartige Hänseleien keineswegs typisch. Es handelt sich im Gegenteil um für den Betroffenen zwar schmerzhafte und durchaus schwerwiegende, aber im Ergebnis solcherart Auseinandersetzungen ungewöhnliche Folgen. So selten wie beispielsweise die Folgen gewesen wären, wenn der Geschädigte durch die „Backenstreiche“ dem Angeklagten infolge unglücklicher Umstände eine Augenverletzung zugefügt hätte. Auch auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 StGB ist demzufolge das Vorliegen fahrlässiger Schuld zu verneinen. Das Urteil des Kreisgerichts war somit in Übereinstimmung mit dem Antrag des Vertreters des Generalstaatsanwalts der DDR im Schuld- und Strafausspruch sowie hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten zum Schadenersatz aufzuheben und der Angeklagte freizusprechen.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 170 (NJ DDR 1983, S. 170) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Seite 170 (NJ DDR 1983, S. 170)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 37. Jahrgang 1983, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1983. Die Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1983 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1983 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 37. Jahrgang 1983 (NJ DDR 1983, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1983, S. 1-512).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Qualifikation der operativen Mitarbeiter stellt. Darin liegt ein Schlüsselproblem. Mit allem Nachdruck ist daher die Forderung des Genossen Ministen auf dem Führungsseminar zu unterstreichen, daß die Leiter und mittleren leipenden Kader neben ihrer eigenen Arbeit mit den qualifiziertesten die Anleitung und Kontrolle der Zusammenarbeit der operativen Mitarbeiter mit ihren entscheidend verbessern müssen. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Erfüllung der Aufträge zu erkunden und dabei Stellung zu nehmen zu den für die Einhaltung der Konspiration bedeutsamen Handlungen der Ich werde im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit der sowie in Wahrnehmung internationaler Verpflichtungen; das vorsätzliche Verletzen ordnungsrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit der Herstellung und Verbreitung der Eingabe. Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in der wie die Einhaltung der Bestimmungen über Einreisen in Grenz- und Sperrgebiete, die Beachtung der Kriminalitätsentwicklung, Schiebungen, Zoll- und Devisen-.

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