Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1982, Seite 27

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 36. Jahrgang 1982, Seite 27 (NJ DDR 1982, S. 27); Neue Justiz 1/82 27 sich dem Wunsch des Arbeitsministers folgend ab 1973 auf das Arbeitsvertragsrecht und klammerte somit das besonders brisante kollektive Arbeitsrecht aus. Ein Ergebnis der Kommissionsarbeit wurde nicht vorgelegt. Weitere vier Jahre gingen ins Land, ehe der DGB des Wartens müde im April 1977 beschloß, der Öffentlichkeit einen eigenen Entwurf für ein Arbeitsverhältnisgesetz zu unterbreiten. Im Geleitwort gab der DGB seiner Hoffnung Ausdruck, die Bundesregierung werde „nunmehr auch den seit längerem fertiggestellten Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission, auf dessen Grundlage die Alternativvorschläge des DGB erarbeitet wurden, der Öffentlichkeit vorlegen. Der DGB und die ihm angeschlossenen Gewerkschaften erwarten ferner, daß die gebotene Vereinheitlichung und fortschrittliche Neugestaltung des Arbeitsverhältnisrechts im Interesse der davon betroffenen Arbeitnehmer durch eine entsprechende gesetzgeberische Initiative unverzüglich eingeleitet wird“.10 Diese Hoffnungen trogen. Immerhin publizierte das Bundesministerium für Arbeit kurz danach, im September 1977, den Kommissionsentwurf. Dabei befand es sich in einem Dilemma: Einerseits war der herrschenden Klasse in der BRD angesichts der besonderen Verflechtung von allgemeiner und zyklischer Krise des Kapitalismus, angesichts sinkender Wachstumsraten der Produktion, steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Rüstungslasten nicht daran gelegen, die von den Werktätigen auf Teilgebieten erkämpften sozialen Errungenschaften gesetzlich festzuschreiben; deshalb durfte der Entwurf nie Gesetzeskraft erlangen. Andererseits wäre es aber auch nicht klug gewesen, dies offen zu verkünden, weil die Situation dazu nicht günstig war. Gerade in jener Zeit, im Juni 1977, hatte die Volkskammer der DDR den von der FDGB-Fraktion eingebrach-den Entwurf des neuen Arbeitsgesetzbuchs angenommen. Die DDR hatte damit anschaulich den hohen Stand der sozialistischen Demokratie, insbesondere die umfassenden Rechte der Gewerkschaften im sozialistischen Staat, demonstriert. Dies rief in der Öffentlichkeit der BRD erhebliche Resonanz hervor. Zudem stand für September 1978 der BRD ein internationales Ereignis ins Haus: der IX. Kongreß der Internationalen Gesellschaft für das Recht der Arbeit und der sozialen Sicherheit sollte in München unter Beteiligung von Arbeitsrechtlern aus der ganzen Welt stattfinden. Wichtigster Tagesordnungspunkt des Kongresses: die Kodifikation des Arbeitsrechts.11 Unter diesen Umständen wäre es töricht gewesen, zuvor offiziell das endgültige Scheitern der AGB-Kodifizierungs-pläne in der BRD einzugestehen. Man fand einen Mittelweg: Im Mai 1978 legte Staatssekretärin Anke Fuchs vom Bundesarbeitsministerium den Experten der Kommission eine „längere Arbeitspause“ nahe. So konnte der Berichterstatter der BRD, BAG-Richter Dr. Th. Dieterich, zum Thema „Die Kodifizierung des Arbeitsrechts“ auf dem Münchener Internationalen Kongreß das Schicksal des Kommissionsentwurfs im dunkeln lassen: „Ob der Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission Aussicht hat, verwirklicht zu werden, ob der Kodifikationsplan weitergeführt werden und auch das kollektive Arbeitsrecht einschließen wird, all dies läßt sich nicht ohne waghalsige Spekulationen Vorhersagen. ‘12 Tatsächlich glaubten manche Arbeitsrechtler der BRD wie der die Idee der Kodifizierung vertretende Prof. Dr. P. Hanau (Universität Köln) und sogar der kritische Dozent Dr. U. Mayer (Hochschule für Politik und Wirtschaft, Hamburg) zu jener Zeit noch an die Chance der Fortsetzung der Kommissionsarbeit.13 Dabei gehörte keine besondere Prophetengabe dazu, das baldige Ableben der Kommission vorherzusagen: Die Unternehmerverbände waren inzwischen massiv gegen ein Arbeitsgesetzbuch aufgetreten. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ hatte 1977 wenige Tage, nach- dem das Arbeitsministerium den Kommissionsentwurf zum Allgemeinen Arbeitsvertragsrecht veröffentlicht hatte ihr Mißfallen an diesem Werk geäußert, an dem sie durch ihre Vertreter vier Jahre lang selbst mitgewirkt hatte. Rüthers muß eingestehen: „Die Arbeitgeber lehnten die Reformvorschläge der Kommission nunmehr ,aus grundsätzlichen Erwägungen' rundweg ab. Sie sahen jetzt eine ,einseitige Ausrichtung des Entwurfs auf den Arbeitnehmerschutzgedanken', bemängelten die unkritische gesetzliche Festschreibung tariflicher Besitzstände und vor allem die abermalige Ausdehnung des aus ihrer Sicht ohnehin bereits sehr weitgehenden Kündigungsschutzes.“ Damit war das Schicksal der Sachverständigenkommission und ihres AGB-Entwurfs besiegelt. Der Brief des Bundesministers für Arbeit vom 10. Juni 1981, in dem er den Mitgliedern die Auflösung der Kommission mitteilte, war wie Rüthers sarkastisch formuliert „eine Beerdigung dritter Klasse“. Der Zustand des gegenwärtigen Arbeitsrechts der BRD Die Folgen der fehlenden Kodifizierung des Arbeitsrechts in der BRD sind gravierend. Sie werfen ein bezeichnendes Licht auf den Anspruch der BRD, ein sozialer Rechtsstaat zu sein. Rüthers beklagt den Zustand des Arbeitsrechts und malt ihn zutreffend in düsteren Farben. Das Arbeitsrecht so schreibt er „führt eine eigenartige, in dieser Form fast einzigartige ,Loseblatt-Existenz'. Das heißt: Es ist in zweifacher Weise auf Loseblatt-Ausgaben verstreut. Der Gesetzgeber hat zahlreiche Einzelgesetze zu den arbeitsrechtlichen Teilgebieten geschaffen. In gängigen, aber unvollständigen Gesetzessammlungen sind davon zwischen 30 und 50 Gesetze enthalten. Vollständig sind es mehrere hundert Gesetzestexte. Aber die Kenntnis all dieser Gesetze reicht für die Praxis nicht aus. Viele Fragen in allen Teilgebieten des Arbeitsrechts sind allein von der Rechtsprechung unter'Führung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geregelt“. Rüthers nennt das BAG denn auch den „Ersatzgesetzgeber des Arbeitsrechts“. Die Loseblatt-Sammlungen der BAG-Entscheidungen umfassen ihrerseits zahlreiche dicke Ordner. Rüthers’ Fazit: „Dem Arbeitsrecht fehlt weithin die Vorhersehbarkeit, also die Rechtssicherheit. “ Die in der BRD vom höchstinstanzlichen Arbeitsgericht ergehenden Entscheidungen zu nicht vom Gesetzgeber normierten Fragen wirken ähnlich wie gesetzliche Normen. Es entsteht das sog. Richterrecht.14 Ihm entspringt fast das gesamte Arbeitskampfrecht, also insbesondere die Rechtsprechung zu Streik und Aussperrung.ts Dazu Rüthers: „Diese umfangreichen normsetzenden Aufgaben der Arbeitsgerichtsbarkeit, besonders des BAG, verändern deren Stellung in Staat und Gesellschaft. (Ersatz-) Gesetzgebung und Rechtsprechung liegen hier in einer Hand. Das hat Folgen. “ Daraus ergibt sich für die Arbeiterbewegung der BRD, vor allem für die Gewerkschaften, die Notwendigkeit, ihre Hauptwaffe, nämlich ihre Geschlossenheit und den Grad ihrer Organisation, zu verstärken. Sie muß wozu die DKP gangbare Wege gewiesen hat eine der heutigen Situation angemessene Taktik entwickeln. Dabei sind sogar den Gewerkschaften eng verbundene Arbeitsrechtswissenschaftler wie etwa Prof. Dr. W. Däubler (Universität Bremen) skeptisch bezüglich der Möglichkeit, Umfang und Wirken des Richterrechts einzuengen. Deshalb so meint er müßten Rechtsforderungen zukünftig auch an die Adresse der Rechtsprechung adressiert werden.1® Schließlich haben die Gewerkschaften inzwischen selbst erkannt, wie wichtig es ist, daß sie die Entwicklung der BRD-Arbeitsrechtswissenschaft aufmerksam verfolgen und mit ihren Mitteln auf sie Einfluß nehmen. Denn hier wird der Boden geschaffen, aus dem die sog. herrschende Meinung hervorwächst, die zwar ihr Mandat von keinem Wähler hat und doch Grundlage für den Inhalt des künftigen Richter-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 36. Jahrgang 1982, Seite 27 (NJ DDR 1982, S. 27) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 36. Jahrgang 1982, Seite 27 (NJ DDR 1982, S. 27)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 36. Jahrgang 1982, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1982. Die Zeitschrift Neue Justiz im 36. Jahrgang 1982 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1982 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1982 auf Seite 566. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 36. Jahrgang 1982 (NJ DDR 1982, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1982, S. 1-566).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danac Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und ähnliches zu führen. Der diplomatische Vertreter darf finanzielle und materielle Zuwendungen an den Ver- hafteten im festgelegten Umfang übergeben. Untersagt sind Gespräche Entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Die Ständige Vertretung der mischt sich auch damit, unter dem Deckmantel der sogenannten humanitären Hilfe gegenüber den vor ihr betreuten Verhafteten, fortgesetzt in innere Angelegenheiten der ein. Es ist deshalb zu sichern, daß bereits mit der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung alle Faktoren ausgeräumt werden, die Gegenstand möglicher feindlicher Angriffe werden könnten.

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