Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1981, Seite 557

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 557 (NJ DDR 1981, S. 557); Neue Justiz 12/81 557 mit straffälligen Jugendlichen betrieben wurde, und zugleich als raffiniert angelegtes Manöver zur Beschwichtigung und Irreführung der Massen gedacht (war). Die Jugendgerichtsbarkeit wurde in der Weimarer Republik von den gleichen reaktionären Juristen mit der gleichen politischen Zielsetzung ausgeübt wie die Strafjustiz gegen Erwachsene. Der Unterschied bestand nur darin, daß die Jugendgerichtsbarkeit mit einer bis dahin zu Justizfragen nicht vorhandenen demagogischen Propaganda unter der Parole ,Erziehung statt Strafe’ als Erziehungsarbeit’ deklariert wurde“.16 Damit wurden insbesondere die jugendlichen Straftäter der Gefahr einer weitaus größeren Willkür richterlicher Entscheidungsfindung ausgesetzt. Noch weiter ging das durch die faschistische Ideologie geprägte Reichsjugendgerichtsgesetz von 1943 (RJGG). Am deutlichsten drückte sich das in der Aufnahme des Begriffs vom „jugendlichen Schwerverbrecher“ (§ 20 RJGG) mit besonders verwerflicher Gesinnung bzw. vom „charakterlich abartigen Schwerverbrecher“ aus, bei dem das „gesunde Volksempfinden“ härteste Sühne in Gestalt der Anwendung des allgemeinen faschistischen Strafrechts verlange. Außerdem wurde mit dem RJGG der Begriff „schädliche Neigungen“ als Kriterium für den Ausspruch einer Freiheitsstrafe von unbestimmter Dauer bzw. für die Bestrafung eines Jugendlichen mit Freiheitsentzug eingeführt, was eine erhebliche Verschärfung des Strafzwanges bedeutete. Und schließlich wurde die Strafmündigkeitsgrenze auf 12 Jahre herabgesetzt. Das geltende JGG der BRD von 1953 hat weitgehend an die Tendenz angeknüpft, die Repressivmaßnahmen gegen Jugendliche zu verschärfen und ihre Auswahl und Bemessung richterlicher Willkür zu überlassen. Mit nur wenigen Abweichungen (Abschaffung des Begriffs des jugendlichen Schwerverbrechers, absolute Festlegung der Strafmündigkeitsgrenze auf 14 Jahre, erneute Einführung der Aussetzung der Freiheitsstrafe) entsprach es dem RJGG - von 1943. Über das JGG von 1923 hinausgehend wurde sein Geltungsbereich auch auf sog. Heranwachsende (18- bis 21jährige) ausgedehnt.17 Daß es beim JGG nicht nur um eine mildere Bestrafung jugendlicher Täter ging und geht, wird in einem Leitfaden für Jugendschöffen in der BRD bekräftigt. Es heißt dort: „Es ist eine weit verbreitete irrige Meinung, daß das Jugendgerichtsgesetz im Vergleich zum Strafgesetzbuch durchweg milde Sanktionen vorsehe und daß die Jugendgerichte infolgedessen besonders milde urteilen. Die Jugendgerichte lassen sich von dem Gesichtspunkt leiten, diejenige Maßnahme zu ergreifen, welche angesichts der Eigenart, der Entwicklungsstufe und des jeweiligen Erziehungsmangels des jungen Rechtsbrechers notwendig erscheint (Hervorhebung von mir I. B.), um ihn vor weiteren Straftaten zu bewahren. Dies kann im Einzelfall sehr weitreichende und als ,hart’ empfundene Eingriffe in die Lebensführung des Täters“18 und damit im Einzelfall eine Schlechterstellung gegenüber dem erwachsenen Täter bedeuten. Damit ist aber auch gesagt, daß dem immer wieder strapazierten Erziehungsgedanken nichts anderes als die sog. Lebensführungsschuld zugrunde liegt. „Hier wird also neben der eigentlichen Tatschuld ein neuer, vorher liegender Sachverhalt, die sogenannte Lebensführungsschuld des Täters sichtbar, die es zweifellos gibt, soweit der Täter für seine Fehlentwicklung etwas kann .‘19 Ausdrücklich wird darauf verwiesen, daß Erziehungsmaßregeln nicht die Aufgabe haben, eine Straftat zu ahnden, sondern den Zweck verfolgen, erkennbar gewordene Erziehungs- und soziale Entwicklungsmängel durch positive Einwirkung zu beseitigen.20 Die Jugendstrafe soll dagegen nach § 17 Abs. 2 JGG dann angewandt werden, „wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wegen der Schwere der' Schuld Strafe erforderlich ist“.21 Zur Kommentierung des Begriffs „schädliche Neigungen“ wurden die Richtlinien des faschistischen Justizministeriums zu § 6 RJGG herangezogen, in denen es heißt: „Schädliche Neigungen zeigt ein Jugendlicher, bei dem Anlage- oder Erziehungsmängel die Gefahr begründen, daß er ohne Durchführung einer längeren Gesamterziehung durch weitere Straftaten die Gemeinschaftsordnung stören wird. Angesichts der Schwierigkeit, schädliche Neigungen des Jugendlichen mit Sicherheit festzustellen, wird für die Feststellung kein allzu strenger Maßstab anzuwenden sein.“ Nicht wenige Straf- rechtler in der BRD haben damals hierzu mit Befriedigung festgestellt, daß nunmehr der Begriff der Einzeltatschuld „überwunden“ sei und daß die Mangelhaftigkeit des Charakters dem Jugendlichen zu besonderem Vorwurf gereiche, da das Gesetz als eine Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe ausdrücklich die „schädlichen Neigungen“ des Täters hervorhebe.22 Auch in dem möglichen Maß der Strafe kommt zum Ausdruck, daß nicht die Tatschwere die Grundlage für die Bestrafung ist, sondern der Täter. § 18 Abs. 2 JGG bestimmt: „Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.“ Nach der Begründung des JGG-Kommentars führt „die im Bereich des Erwachsenenstrafrechts ausnahmslos zutreffende Erwägung, daß das Maß der Schuld aus Gründen der Gerechtigkeit unter allen Umständen die äußere Grenze der Strafe bestimmen müsse, . bei Jugendlichen zu einer unerträglichen Verkümmerung des Erziehungsgedankens“. Ergibt sich in der Praxis im Einzelfall, daß in erheblichem Umfang Erziehungsmängel zu überwinden sind, so sei der Richter befugt, „eine Strafe zu verhängen, die dem Erziehungsbedürfnis in ausreichendem Umfang Rechnung trägt, auch wenn dadurch nach allgemeinen Grundsätzen das Maß der Schuld überschritten wird“23 (Hervorhebung von mir I. B.). Diese Konzeption des Erziehungsgedankens im Strafrecht die Bestrafung nach dem Ausmaß der schädlichen Neigungen, nach der Erziehungsbedürftigkeit usw. hat sich als unwirksam erwiesen, den Anstieg der Jugendkriminalität aufzuhalten. In diesem Zusammenhang ist auch noch auf eine andere Tatsache hinzuweisen. Nach dem Konzept des JGG der BRD sollten Erziehungsmaßregeln, die dem Jugendlichen die Nachteile einer Bestrafung ersparen, Vorrang, haben. Praktisch hat sich das aber im Grunde nie durchgesetzt. Es überwiegen nach wie vor die Verurteilungen zur kurzen Freiheitsstrafe, einschließlich Jugendarrest. Erziehungsmaßregeln kommen dagegen nur bei etwa 10 Prozent der Verurteilten zur Anwendung.24 Man kommt deshalb immer häufiger zu der Erkenntnis, „daß das Jugendstrafverfahren die Erziehungsvorstellungen des JGG offensichtlich nicht durchzusetzen vermag“.25 Inzwischen wird auch in Lehre und Rechtsprechung nicht mehr von Erziehung statt Strafe, sondern von Erziehung durch Strafe gesprochen. „Der Täter soll durch das Jugendstrafverfahren und die angeordnete Maßnahme dazu gebracht werden, keine weiteren Straftaten mehr zu begehen . Die Praxis versucht dieses Ziel vorwiegend durch abgestufte Übelszufügung zu erreichen. Die Angst vor erneuter und dann in der Regel härterer Bestrafung soll weitere Straftaten verhüten . Entsprechend sind Geldbuße, Jugendarrest und Jugendstrafe die dominierenden Sanktionen des JGG.“26 Ähnliches gilt auch für andere imperialistische Länder, die vergleichbare Konzeptionen der Erziehung oder Behandlung von Tätern verfolgen. Selbst dort, wo mit entsprechenden Behandlungstherapien gearbeitet wird, bleibt der Erfolg versagt. Eine Studie aus den Niederlanden besagt, daß im Ergebnis der Behandlungstherapie (männliche Jugendliche) zwar verbesserte Arbeits- und Lernorientierungen und eine Entwicklung sozialer Beziehungen festzustellen war; diese Ergebnisse hatten jedoch keinerlei Auswirkungen auf das strafbare Verhalten, denn sowohl die Jugendlichen aus dem Behandlungszentrum wie die einer Kontrollgruppe vergleichbarer Täter wiesen in einem Zeitraum von zwei Jahren eine Rückfallquote von 80 bis 85 Prozent auf.27 Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Untersuchungen in anderen imperialistischen Ländern. Grundprobleme der Erziehung jugendlicher Straftäter in der kapitalistischen Gesellschaft Angesichts der vorgenannten Misere gibt es in der BRD wie auch in einigen anderen kapitalistischen Ländern eine Reihe verschiedener Versuche und Initiativen. Seit 1978 läuft z. B. über das „Projekt der Brücke e. V.“ in München ein Modellversuch zur Erprobung neuer Formen von Sozialpädagogik im Rahmen der Erziehungsmaßregeln des JGG.28 Dieses Projekt „Projekt zur Organisation von Arbeitsauflagen“ oder „Projekt Gemeinnützige Arbeit statt Strafe“ genannt widerspiegelt die Erfahrung einer Reihe bürgerlicher gtrafrechtswissenschaftler und Sozialpädago-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 557 (NJ DDR 1981, S. 557) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 557 (NJ DDR 1981, S. 557)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981. Die Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1981 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1981 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 (NJ DDR 1981, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1981, S. 1-576).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges in und-außerhalb der Untersuchungshaftanstalten rechtzeitig zu erkennen und mit dem Ausmaß der Störung von Ordnung um Sicherheit entsprechenden, gesetzlich zulässigen sowie operativ wirksamen Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im UntersuchungshaftVollzug ist stets an die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der Sicherung von Transporten Verhafteter sind ursächlich für die hohen Erfordernisse, die an die Sicherung der Transporte Verhafteter gestellt werden müssen. Sie charakterisieren gleichzeitig die hohen Anforderungen, die sich für die mittleren leitenden Kader der Linie bei der Koordinierung der Transporte von inhaftierten Personen ergeben. Zum Erfordernis der Koordinierung bei Transporten unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen und für die zukünftige Entwicklung absehbaren inneren und äußeren Lagebedingungen, unter denen die Festigung der sozialistischen Staatsmacht erfolgt, leistet der UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit einen wachsenden Beitrag zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der zur Erfüllung der Verpflichtungen der in der sozialistischen Staatengemeinschaft und in der Klassenauseinandersetzung mit dem Imperialismus erfordert generell ein hohes Niveau der Lösung der politisch-operativen Aufgaben durch die Linie davon auszuqehen, daß die Sammlung von Informationen im tvollzuq zur Auslieferung an imperialistische Geheimdienste und andere Feindeinrichtunqen, vor allem der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft unter den Bedingungen der Verschärfung der Klassenaus- jeinandersetzung mit dem Imperialismus wachsen objektiv die Sicherheitserfordernisse der sozialistischen Gesell- schaft.

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