Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1981, Seite 534

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 534 (NJ DDR 1981, S. 534); 534 Neue Justiz 12/81 so kann sie auch Schuld ausschließen oder mindern! An drei Fällen behandelt er die Gesinnungsbegünstigung: gegenüber Führern des Kapp-Putsches (Jagow, Wangenheim und Schiele), gegenüber dem Reichsanwalt Paul Jorns (Mitorganisator des Mordes an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und Begünstiger ihrer Mörder) sowie gegenüber deutschen Kriegsverbrechern des ersten Weltkriegs, deren Bestrafung die Alliierten gefordert hatten oder deren Verbrechen von anderen Stellen bekanntgemacht worden waren. Der zuletzt genannte Komplex hatte folgendes Ergebnis: Von 907 Verfahren gegen jene Beschuldigte, die von den Alliierten angegeben worden waren, wurden lediglich neun durch Urteil abgeschlossen, während die anderen eingestellt oder in sonstiger Weise erledigt wurden. Verurteilt wurden ein Unteroffizier, ein Landsturmmann, ein Hauptmann der Reserve (im Zivilberuf Rechtsanwalt) und ein ehemaliger aktiver Major. Drei Generäle, ein Kapitänleutnant, ein Oberleutnant, ein Beamter der Feldpolizei und ein Stabsarzt wurden freigesprochen. Die Verfahren, die auf Grund anderer Quellen durchgeführt wurden, hatten ein noch „günstigeres“ Ergebnis: Von 728 Verfahren wurden nur drei durch Urteil erledigt. Zwei Marineoffiziere, die an der Versenkung der Rettungsboote eines englischen Lazarettschiffes beteiligt gewesen waren, wurden letzten Endes in einem Wiederaufnahmeverfahren wegen „erwiesener Unschuld“ freigesprochen. F. K. Kaul schließt dieses Kapitel mit den Sätzen: „Der nächste Prozeß gegen deutsche Kriegsverbrecher fand erst am 20. November 1945 in Nürnberg statt Da aber waren die Alliierten selbst die Richter“ (S. 103). Uber die Erfahrungen, die er selbst bei der Bestrafung deutscher Kriegsverbrecher durch deutsche Richter gemacht hat, hat sich F. K. Kaul in diesem Buch nicht mehr geäußert. * Im Unterschied zum Bd. IV der „Geschichte des Reichsgerichts“, wo F. K. Kaul vor allem den Persönlichkeiten der Richter große Aufmerksamkeit widmete, finden wir im vorliegenden Buch wenn auch im wesentlichen auf die Namen und einige Prozeßhandlungen, Anträge, Rechtsmittel beschränkt Ausführungen über die Verteidiger. Die Namen dieser Verteidiger zu kennen halte ich für sehr wichtig. Es sind ausnahmslos solche Rechtsanwälte, die von den ersten Jahren des Wirkens der KPD an und noch vor der Gründung der Roten Hilfe9 von der juristischen Zentralstelle der KPD mit der Verteidigung ange-klagter Funktionäre und Mitglieder der Partei und revolutionärer Arbeiter beauftragt wurden. Einige von ihnen möchte ich charakterisieren:10 Artur Samter, wohl einer der ersten überhaupt zu Verteidigungen herangezogenen kommunistischen Rechtsanwälte, war nach meinen Erinnerungen mit großer Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewußtsein, ja Leidenschaft Verteidiger seiner Mandanten. Als Johannes R. Becher im August 1925 in Urach/Würt-temberg wegen Fluchtverdachts verhaftet und in das dortige Gerichtsgefängnis eingeliefert wurde, bestellte er als seinen Verteidiger Rechtsanwalt Bagnato aus Eßlingen. Bagnato war ein aktiver Verteidiger angeklagter Kommunisten in Süddeutschland. Rechtsanwalt Apfel in Berlin, parteiloser bürgerlicher Anwalt, fast zu den „Staranwälten“ der Weimarer Zeit zu rechnen, war auch in einer Reihe überparteilicher linker Organisationen und Friedensmanifestationen jener Jahre sehr aktiv. Er verteidigte später Carl von Ossietzky und war auch einer der Hauptverteidiger in dem Prozeß gegen die Arbeiter, die wegen der angeblichen Ermordung des Nazi-„Helden“ Horst Wessel angeklagt waren. Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld, linker sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, übernahm die ganzen Jahre hindurch Verteidigungen im Aufträge der KPD und später der Roten Hilfe. Als er 1943 in den USA starb, widmete ihm Genosse Albert Norden einen Nachruf, in dem er ihn einen „Sozialisten, der das lautere Gold der deutschen Demokratie war“, nannte.1 11 * Zum Schluß sei noch ein Gedanke ausgesprochen: Es hat seine tiefe Bedeutung, daß F. K. Kaul sich so intensiv mit der Klassenjustiz des deutschen Imperialismus, insbesondere in seiner jahrzehntelangen Verkörperung durch das Reichsgericht, beschäftigte. So legt er im Vorwort zu Bd. IV der „Geschichte des Reichsgerichts“ dar, in welcher Beziehung der Bundesgerichtshof der BRD zum Reichsgericht steht, und zitiert hierzu den damaligen Bundeskanzler K. Adenauer, der in der „Festschrift zur Eröffnung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe“ im Oktober 1950 sagte, es sei „Aufgabe des Bundesgerichtshofs, verantwortungsvolle Tradition, die aus früheren Jahrzehnten herüberwirkt, mit den Forderungen der Gegenwart und Zukunft zu verbinden“. F. K. Kaul zitiert ferner den damaligen BRD-Justizminister Th. Dehler nach der „Festschrift“: „Die Erinnerung an die ausgezeichneten Leistungen des Reichsgerichts und an den hohen Ruf, den es in aller Welt genoß, ist noch lebendig. Mein Wunsch ist, daß der Geist dieses Gerichts auch die Arbeit des Bundesgerichtshofs durchwaltet.“ Und schließlich wird der Aufsatz eines Ministerialdirektors im Bundesjustizministerium angeführt, in dem es u. a. heißt: „Neben der sichtbaren Tradition des Reichsgerichts gibt es eine unsichtbare, die sich aus noch so vollständigen Entscheidungssammlungen teils gar nicht, teils nicht unmittelbar ergibt.“12 Die Beschäftigung mit der sichtbaren wie mit der unsichtbaren Tradition, die nicht nur für den Bundesgerichtshof, sondern für die gesamte Justiz der BRD galt und gilt, hatte für F. K. Kaul nicht nur die Bedeutung historischen Studiums. Er mußte diese Tradition kennen und beherrschen, weil er, der kommunistische Rechtsanwalt, vor BRD-Gerichten zum Ankläger wurde: Als Vertreter der Nebenkläger zahlreicher Opfer der Nazi-Justiz13, die die gerechte Strafe ihrer Peiniger und der Mörder ihrer Angehörigen verlangten, mußte er seine Gegner kennen und das war nicht nur der Bundesgerichtshof mit den übernommenen Traditionen des Reichsgerichts, sondern das war die von diesen Traditionen bestimmte gesamte Strafjustiz der BRD. Hier mußte der kommunistische Rechtsanwalt F. K. Kaul so kämpfen, wie fortschrittliche Rechtsanwälte vor dem bürgerlichen Klassengericht angeklagte Arbeiter verteidigen müssen und das heißt: das bürgerliche Klassenrecht noch besser beherrschen als die Klassenrichter selbst, alle Winkelzüge des Klassengerichts durchschauen und das Klassenrecht entlarven. In dieser großen Tradition der Verteidigung gegen imperialistisches Klassenrecht und imperialistische Klassenjustiz stand Friedrich Karl Kaul und ein Ergebnis seines Wissens und Könnens ist auch diese seine letzte Arbeit 1 Erschienen im Akademie-Verlag, Berlin 1981; 103 Seiten. Seitenzahlen im Text ohne Quellenangabe beziehen sich auf dieses Buch. 2 Vgl. den Nachruf in NJ 1981, Heft 5, S. 199. 3 Akademie-Verlag, Berlin 1971; vgl. dazu die Bemerkungen von H. Toeplitz in NJ 1971, Heft 12, S. 360 f£. 4 Vgl. H. Benjamin, Karl Liebknecht zum Wesen der Klassenjustiz, Aktuelle Beiträge zur Staats- und Rechtswissenschaft, Heft 145, Potsdam-Babelsberg 1976, s. 23. 5 Vgl. F. K. Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Bd. IV, a. a. O., S. 10, und die dort angegebenen Quellen. 6 F. K. Kaul, a. a. O., S. 13. 7 K. Marx, „Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion“, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1956, s. 14. 8 M. Liepmann, Kommunistenprozesse ein Rechtsgutachten, München 1927, S. 18. 9 Vgl. hierzu A. Awrus/L. Babitschenko, „Wilhelm Pieck und die Rote Hilfe“, NJ 1976, Heft 1, S. 4 ff. 10 Zum Wirken weiterer fortschrittlicher Juristen vgl. H. Benjamin, „Die Juristen der DDR bewahren das antifaschistische Vermächtnis“, NJ 1980, Heft 9, S. 388 ff. 11 Vgl. Exil in den USA, Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933-1945, Bd. 3, Leipzig 1979, S. 146. 12 Vgl. F. K. Kaul, Geschichte des Reichsgerichts, Bd. IV, a. a. O., S. 8 f. 13 Vgl. z. B. F. K. Kauls Darlegungen im 1. Auschwitz-Prozeß (NJ 1969, Heft 4. S. 97 ff.), im KZ Dora-Prozeß (NJ 1970. Heft 4, S. 111 ff.), im Lischka-Prozeß (NJ 1980, Heft 4, S. 173 ff.) und im Majdanek-Prozeß (NJ 1981, Heft 5, S. 220 ff.).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 534 (NJ DDR 1981, S. 534) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 534 (NJ DDR 1981, S. 534)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981. Die Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1981 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1981 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 (NJ DDR 1981, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1981, S. 1-576).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegenüber dem Jahre gestiegen ist ergibt sich bezüglich des Anteils von Verfahren, die auf der Basis von Arbeitsergebnissen des ElfS eingeleitet wurden, an der Gesamtzahl der in Bearbeitung genommenen Verfahren, entwickelte sich seit folgendermaßen:, Bei Verfahren wegen Staatsverbrechen hat der Anteil des operativen Materials folgende Entwicklung genommen:, Der Anteil registrierten operativen Materials an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Tatbegehung, der Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten sowie des Verhaltens vor und nach der Tat.

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