Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1981, Seite 321

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 321 (NJ DDR 1981, S. 321); Neue Justiz 7/81 321 Zur Diskussion Der Begriff „Rücksichtslosigkeit" in der Straf- und Zivilrechtsprechung Dt. JOACHIM MEINEL, wiss. Oberassistent, Dozent Dr. sc. WOLFGANG RÖSSGER und Dozent Dr. sc. WOLFGANG SEIFERT, Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Mit dem Beschluß des Bezirksgerichts Cottbus vom 12. März 19791 wird der Rechtsgrundsatz aufgestellt, daß das Tatbestandsmerkmal „rücksichtslos“ i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB nicht mit dem gleichen in § 5 Abs. 2 Buchst, d der AO über die Allgemeinen Bedingungen für die Kraft-fahr-Haftpflicht-Versicherung vom 12. Januar 1971 (GBl. II Nr. 14 S. 93) enthaltenen Begriff identisch ist. Aus diesem Grunde seien für die strafrechtliche und für die versicherungsrechtliche Relevanz jeweils unterschiedliche Anforderungen an diesen Begriff zu stellen, obwohl es sich um die gleichen Sachverhalte handele. An die Rücksichtslosigkeit i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB seien strengere Anforderungen zu stellen als an die Rücksichtslosigkeit i. S. des § 5 Abs. 2 Buchst, d der AO. Im Regreßverfahren sei daher die Rücksichtslosigkeit eigenverantwortlich gemäß § 5 Abs. 2 Buchst, d der AO zu prüfen. Gegen diese Auffassung des Bezirksgerichts Cottbus haben wir Bedenken. Die wissenschaftlich fundierte Bestimmung der Schuld hat grundsätzliche Bedeutung für die Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Sie ist ein wesentlicher Ausgangspunkt für die jeweilige Bewertung der Rechtsverletzung, auf die sich die Schuld bezieht (Einzeltatschuldprinzip). Die Bestimmung sowohl der Art als auch des Grades der Schuld ist bedeutsam für die Bewertung des Ausmaßes der konkreten Verantwortlichkeit einer Person für die von ihr begangene Rechtsverletzung. Dabei sind die der Rechtsverletzung zugrunde liegenden Einstellungen und Motive beachtlich. Sie bringen die Positionen des Rechtsverletzers zu den konkreten rechtlichen Anforderungen zum Ausdruck und charakterisieren das tatsächliche Ausmaß seiner verantwortungslosen Entscheidung. Deshalb werden im StGB Einstellungen, die für eine solche Schuldgraduierung wesentlich sind, tatbestandsmäßig genannt, so auch die Rücksichtslosigkeit.2 Dieser Begriff charakterisiert eine den Grad der Schuld erhöhende gesellschaftswidrige Einstellung, die sich darin zeigt, daß „der Täter im krassen Gegensatz zu den an ihn gestellten Anforderungen in Verfolgung eigensüchtiger Interessen eine besonders riskante Verhaltensweise an den Tag legt“.3 Obwohl dieser Begriff in der Rechtsprechung im wesentlichen für fahrlässige Straftaten (insbesondere im Bereich des Straßenverkehrs) entwickelt wurde, hat er nicht nur für das Strafrecht Bedeutung. Auch im Versicherungsrecht begründet diese negative Verhaltensweise eine besondere Verantwortlichkeit in Form des Regresses. Indirekt verwenden das ZGB und das OWG ebenfalls diesen Begriff.4 Schließlich wird auch in der Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts damit gearbeitet, ohne daß dieser Begriff direkt oder indirekt im AGB enthalten ist (z. B. bei der arbeitsrechtlichen Verantwortlichkeit der Werktätigen gemäß §§ 252, 253 AGB). Diese Regelungen machen deutlich, daß der Begriff der rücksichtslosen Verhaltensweise außer für das Strafrecht auch für andere Rechtszweige die Funktion erfüllt, über das Verschuldensprinzip den Grad der jeweiligen rechtlichen Verantwortlichkeit zu bestimmen. Die rücksichtslose Verhaltensweise bringt stets eine besonders verantwortungslose, negative und auf krassem Egoismus beruhende Position des Rechtsverletzers zu seinen konkreten Rechtspflichten zum Ausdruck, die als Einstellung wirksam wird.5 Weil Schuld immer tatbezogen zu prüfen und zu bestimmen ist, kann auch die Rücksichtslosigkeit, als wesentliches Element der Schuld, immer nur tatbezogen gewertet werden. Bei Fahrlässigkeitsstraftaten im Bereich des Straßenverkehrs, insbesondere bei der Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls, ist deshalb immer unter Berücksichtigung aller maßgebenden Tatumstände zu prüfen, ob die jeweilige Rechtspflicht durch „eine riskante, insbesondere das Leben und die Gesundheit anderer Menschen kraß mißachtende Verhaltensweise“ verletzt wurde.6 Die riskante und bedenkenlose Mißachtung solcher Rechtspflichten durch den Täter wird somit zum Maßstab der Bewertung des konkreten, strafrechtlich relevanten Sachverhalts. Das ist bedeutsam für die Entscheidung, ob der Täter rücksichtslos gehandelt hat oder nicht. Ergibt die umfassende Prüfung und Bewertung des konkreten Sachverhalts, daß die Handlung auf einer rücksichtslosen Verletzung von Bestimmungen zum Schutze von Leben und Gesundheit oder Eigentum anderer beruht, ist der schwere Fall gemäß § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB anzuwenden. „Danach wiegt die Schuld um so schwerer, je negativer die Einstellungen und Motive waren, die die Verhaltensentscheidung des Täters bestimmten.“7 Die tatbezogene Schuldprüfung und damit auch die Prüfung der Rücksichtslosigkeit läßt bei dem gleichen Sachverhalt keine unterschiedliche Wertung zu. Das ergibt sich aus dem Inhalt des Begriffs und aus seiner Funktion im Gesetz.8 Hat das Gericht rechtskräftig entschieden, daß das konkrete Verhalten des Täters unter Berücksichtigung aller Umstände zur Zeit der Rechtsverletzung nicht als rücksichtslos zu bewerten ist, kann von einem anderen Staatsorgan im Zusammenhang mit der Rechtsanwendung (Versicherungsrecht) nichts Entgegengesetzes entschieden werden. Jede andere Auffassung widerspricht den Anforderungen an die Rechtssicherheit für die Bürger und einer einheitlichen Rechtsauffassunig über gleiche Sachverhalte. Sie widerspricht auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die marxistisch-leninistische Schuldauffassung. Das schließt qualitative Unterschiede des rücksichtslosen Verhaltens nicht aus, sofern sie von dem vorhandenen Begriff umfaßt und charakterisiert werden. So wird z. B. schon seit Jahren in der Strafrechtsprechung das Vorliegen einer Rücksichtslosigkeit i. S. des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB dann bejaht, wenn ein schwerer Verkehrsunfall von einem Verkehrsteilnehmer herbeigeführt wurde, dessen Fahrtüchtigkeit durch Alkoholgenuß erheblich beeinträchtigt war. Im Haftpflicht- und im Kasko-Versicherungsrecht begründet diese besonders schwere Form der Rücksichtslosigkeit den vollen Regreß. Andererseits beweisen die Ergebnisse der Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen, daß auch bei anderen bewußten Rechtspflichtverletzungen Rücksichtslosigkeit begründet sein kann, wenn sich der Täter in riskanter und bedenkenloser Mißachtung dazu entscheidet. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, dann können zwar auch Einstellungen vorliegen, die den Grad des Verschuldens erhöhen (z. B. besonders leichtfertige Einstellung zu den Anforderungen im Straßenverkehr). Sie sind jedoch nicht mit dem Merkmal der Rücksichtslosigkeit .identisch und können daher nicht den schweren Fall mit all seinen Konsequenzen begründen.9 Mit dieser eindeutigen Differenzierung hat das Oberste Gericht nicht nur die Schuldform der Fahrlässigkeit theoretisch weiterentwickelt, sondern gleichzeitig Maßstäbe für die einheitliche Rechtsanwendung auf diesem Gebiet geschaffen. Ausgehend vom Schuldbegriff im sozialistischen Strafrecht sind in Abschn. I Ziff. 3 des Beschlusses des Prä-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981. Die Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1981 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1981 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 (NJ DDR 1981, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1981, S. 1-576).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung sowie die Erfüllung der gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben von besonderer Bedeutung sind; Hinweisen auf operativ bedeutsame Vorkommnisse, Gefahren und Sachverhalte und damit im Zusammenhang stehende Personen. Auf der Grundlage der ständigen Analyse der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Sicherung Verhafteter sind deshalb rechtzeitig Gefährdungsschwerpunkte zu erkennen, erforderliche Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zur Erhöhung der äußeren Sicherheit der Untersuchungshaft anstalten Staatssicherheit schlagen die Autoren vor, in der zu erarbeit enden Dienstanweisung für die politisch-operative Arbeit der Linie dazu erforderlichen Aufgaben der Zusammenarbeit mit den befreundeten Organen sowie der unmittelbaren Bekämpfung der Banden, ihrer Hintermänner und Inspiratoren im Operationsgebiet, durch die umfassende Nutzung der Möglichkeiten der Hauptveraaltung Aufklärung und der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in den üntersuchungHaftans.ta Staatssicherheit rohk Bedeutung sind und diese garantieren: Erziehung uid Befähigung der Mitarbeiter der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der НА und der Abtei lung zu erfolgen. In enger Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und im Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deutschen Volkspolizei -und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? auch langfristig zu planen. Das heißt, daß diese Problematik auch in den Perspektivplänen der Diensteinheiten ihren Hiederschlag finden muß.

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