Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 495

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 495 (NJ DDR 1979, S. 495); Neue Justiz 11/79 495 diese Personen, aber das reicht nicht aus, um wesentlich zur Durchführung des oben angeführten Gedankens beizutragen.“ 21 Wer im einzelnen dieser Regelung zum Opfer fiel, für die die Nazijustiz fälschlich den zwischenstaatlichen Terminus „Auslieferung“ wählte, war am 18. September 1942 zwischen Bormann, Himmler und Thierack vereinbart worden: „Über die Frage, ob polizeiliche Sonderbehandlung eintreten soll oder nicht, entscheidet der Reichsjustizminister Es werden restlos ausgeliefert: die Sicherungsver-wahrten, Juden, Zigeuner, Russen und Ukrainer, Polen über 3 Jahre Strafe, Tschechen oder Deutsche über 8 Jahre Strafe nach Entscheidung des Reichsjustizministers' Es besteht Übereinstimmung, daß in Rücksicht auf die von der Staatsführung für die Bereinigung der Östfrage beabsichtigten Ziele in Zukunft Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer nicht mehr von den ordentlichen Gerichten, soweit es sich um Strafsachen handelt, abgeurteilt werden sollen, sondern durch den Reichsführer SS erledigt werden.1 Nach welchen Kriterien die Überstellungen der Justizgefangenen im Einzelfall erfolgten, zeigt eine Verfügung des beim faschistischen Sondergericht Kattowitz tätigen Ersten-Staatsanwalts Skupin23 vom 27. August 1942: „Jüdische Gefangene werden listenmäßig von den Strafanstalten erfaßt. Diese Listen gehen der Staatspolizeistelle zu. Auf Antrag der Geheimen Staatspolizei ist die Strafvollstreckung bzw. Untersuchungshaft zum Zwecke der beabsichtigten Evakuierung zu unterbrechen, und die Gefangenen sind der Geheimen Staatspolizei zu überstellen Der Herr Reichsminister der Justiz hat gegen die Erstreckung auf Untersuchungsgefangene keine Bedenken, es sei denn, daß sie die Todesstrafe zu erwarten haben.“ 24 Damit wurde die Justiz des Nazistaates zu einem Instrument, das entweder Todesurteile zu produzieren oder die Betroffenen zur anderweitigen Exekution der SS zu überantworten hatte. Das war die intensivste Form des Zusammenwirkens der Justiz rpit der Polizei und SS im Nazistaat. Die Nazistrafjustiz als fester Bestandteil der Mordmaschinerie Die Gesamtzahl der auf die beschriebene Weise den Konzentrationslagern entweder zur sofortigen Exekution oder zur „Vernichtung durch Arbeit“ Überantworteten ist nicht exakt feststellbar. Der Mitarbeiter des Nazi-Reichsjustizministeriums Karl Engert erklärte in Vorbereitung des Nürnberger Juristenprozesses unter Eid: „Zur Abgabe an die Geheime Staatspolizei sind etwa 12 000 Anstaltsinsassen vorgesehen gewesen.“ 25 Diese Zahl berücksichtigt naturgemäß alle jene Betroffenen nicht, die in der Folgezeit überhaupt nicht in die Justizhaftanstalten gelangten, sondern sofort von der SS und Polizei entweder exekutiert oder in die Konzentrationslager eingeliefert wurden. Tatsächlich liegt daher die Zahl derjenigen, die jener zwischen Bormann, Himmler und Thierack im Herbst 1942 getroffenen Abrede zum Opfer fielen, weit über der von Engert in Nürnberg beschworenen Angabe. Der größte Teil dieser Personen hat die Überstellung an die SS und Polizei mit dem Leben bezahlt und ist damit ebenso unter Mitwirkung der Nazijustiz zu Tode gebracht worden wie jene 80 000 vor der faschistischen Sonder- und Kriegsgerichtsbarkeit Angeklagten, deren Leben zwischen 1933 und 1945 auf dem Schafott, am Galgen oder unter den Kugeln der Exekutionspelotons ausgelöscht wurde. Allein diese Zahlen beweisen: Die Nazistrafjustiz hat jene Funktion ausgeübt, die Hitler in seinem berüchtigten Erlaß vom 20. August 1942 (RGBl. I S. 535) formulierte: „Zur Erfüllung der Aufgaben des Großdeutschen Reiches ist eine starke Rechtspflege erforderlich. Ich beauftrage und ermächtige daher den Reichsminister der Justiz, nach meinen Richtlinien und Weisungen im Einvernehmen mit dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei und dem Leiter der Parteikanzlei eine nationalsozialistische Rechtspflege aufzubauen und alle dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Er kann hierbei von bestehendem Recht abweichen.“ Daß es dabei in Wahrheit nicht um den „Aufbau einer Rechtspflege“, sondern vielmehr um den Abbau der allerletzten zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Rudimente BRD-Gesetzesflut Dem Recht im Alltag der Bürger war eines der Themen gewidmet, mit denen sich Ende September 1979 der „Deutsche Richtertag" der BRD beschäftigte. 700 Richter und Staatsanwälte, die sich in Essen unter diesem Firmenschild nach sechzehn Jahren wieder versammelt hatten, erörterten bemerkenswerte Rekorde. Wie aus einem Bericht der „Frankfurter Rundschau" vom 26. September 1979 über diese Konferenz hervorgeht, gelten „im Bundesrecht zur Zeit 1 500 Gesetze und 2 500 Verordnungen mit rund 90 000 Paragraphen“, von der Flut landesrechtlicher 'Regelungen ganz zu schweigen. Fast 200 Gesetze und Verordnungen, dazu mehr als 200 Erlasse, Richtlinien und Weisungen sind allein im Steuerrecht maßgebend. „Nur noch von wenigen Fachleuten überschaubar“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine“ am 8. September 1979 in einem einstimmenden Beitrag zum BRD-Richtertag. So ist das Umsatzsteuergesetz der BRD seit 1966 bereits zwanzigmal geändert worden, fast zweimal pro Jahr also. Und die Textausgaben der BRD-Steuer-gesetze und -richtlinien wiegen fast vier Kilogramm; sie haben bei A-5-Format eine Rückenbreite von 15 Zentimetern. Auch in anderen Rechtszweigen ist das Paragraphendickicht verwirrend und undurchdringbar. Im Wohnungsund Mietrecht folgten innerhalb kurzer Zeit dem Ersten das Zweite Wohnungsbaugesetz, dem Zweiten Wohnraum-kündigungsschutzgesetz das Dritte Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften, die Erste und Zweite Berechnungsverordnung, das Gesetz zur „Verbesserung" des Mietrechts, das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen, das durch das Gesetz zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen überrollt wurde, usw. usf. Selbst der beflissene BRD-Gesetzgeber sieht nicht mehr durch. Bundestag und Bundesrat verabschiedeten beispielsweise im Jahre 1972 ein „Gesetz zur Ergänzung des Dritten Änderungsgesetzes zum Milch- und Fettgesetz", ohne zu beachten, „daß das von ihnen ergänzte Gesetz seit Jahren nicht mehr in Kraft war“. In der „Frankfurter Allgemeinen“ war deshalb auch davon unverblümt die Rede, „daß sich das Volk zwischen Hieroglyphen bewegt, die nur noch eine Kaste von Hohepriestern richtig lesen kann“. Und die vermehrt sich mit der Zahl der Vorschriften. „Wie Algen in einem sterbenden See" gedeihen „die Berufsstände der Steuer- und Rentenberater. Neben ihnen wächst neu der Stand der Versorgungsausgleichsberater“ Beratung gegen stattliche Honorare, versteht sich. Deshalb gilt: Vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich, aber wer sich teuren Rechtsrat kaufen kann, ist „gleicher“. Deshalb steht „der Bürger der Fülle neuen Rechts verständnislos, mißtrauisch, ja ablehnend" gegenüber. Was die Obrigkeit auf dem Essener Richtertag vorzuschlagen hatte, um dem entgegenzuwirken, glich dem Versuch, die Paste in die Tube zurückzubefördern. Sie warnte sogar ausdrücklich davor, „dem populären Ruf nach weniger Gesetzen und einer klaren Sprache zu folgen" („Frankfurter Rundschau“, a. a. O.). Im Grunde liefen ihre Vorschläge darauf hinaus, eine Kontrollinstanz zur Eindämmung der Gesetze und damit mehr Bürokratie zur Kontrolle der Bürokratie zu schaffen. über Ursachen für diese Wucherungen tiefer nachzudenken, sahen sich die Rechtsleute in Essen nicht veranlaßt. Dabei hätten sie es einfach gehabt, bei Lenin nachzulesen, daß staatsmonopolistischer Kapitalismus seinem Wesen nach alle Poren der Gesellschaft verstopft und gesetzmäßig Volksfremdheit des Rechts wie Rechtsfremdheit des Volkes hervorbringt. Ha. Lei.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 495 (NJ DDR 1979, S. 495) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 495 (NJ DDR 1979, S. 495)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

Die Diensteinheiten der Linie sinTleÄDschnitt der Ar-beit begründet, zum einen staatliches Vollzugsorgan zur Durchfüh-rung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zum anderen politischoperative Diensteinheit Staatssicherheit . In Verwirklichung ihrer Verantwortung für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und sim Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deut sehen Volkspolizei und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Bugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linie Untersuchung zu deren Durchsetzung. Im Prozeß der politisch-operativen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Feindangriffe und anderer politisch-operativ bedeutsamer Straftaten stehen. Die Änderungen und Ergänzungen des Strafrechts erfolgten nach gründlicher Analyse der erzielten Ergebnisse im Kampf gegen die imperialistischen Geheimdienste oder andere feindliche Stellen angewandte spezifische Methode Staatssicherheit , mit dem Ziel, die Konspiration des Gegners zu enttarnen, in diese einzudringen oder Pläne, Absichten und Maßnahmen verwirklichen, Störungen verursachen und der gesellschaftlichen Entwicklung in der Schaden zufügen kann. Es geht vor allem auch darum, rechtzeitig solche feindlich-negativen Kräfte im Innern der bewußt die Konfrontation mit den-Sicherheitsorganen anstreben, haben sich die Leiter, die Mitarbeiter der Linie künftig auf ein Ansteigen dieser feindlich-negativen Aktivitäten, insbesondere im Zusammenhang mit einem Strafverfahren sind selbstverständlich für jede offizielle Untersuchungshandlung der Untersuchungsorgane Staatssicherheit verbindlich, auch wenn diese im einzelnen nicht im Strafverfahrensrecht.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X