Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 494

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 494 (NJ DDR 1979, S. 494); 494 Neue Justiz 11/79 Dennoch wird das Zusammenwirken zwischen Justiz und KZ-System keineswegs nur dadurch charakterisiert, daß Angehörige der Gestapo, SA und SS in die Justizhaftanstalten Häftlinge einlieferten und diese dort mißhandelten oder gar töteten, sondern auch dadurch, daß die Justizorgane Zehntausende dem KZ-System überantworteten. Die Haftentlassungsmeldungen an die Gestapo Die Aufforderung, Untersuchungs- und Strafgefangene vor ihrer Haftentlassung der Gestapo zu benennen, ist wohl erstmals in einer Anweisung des Preußischen Justizministers betr. die „Entlassung staatsfeindlicher Personen aus der Untersuchungshaft“ vom 6. Mai 1933 AZ.: I 3784 enthalten. Diese lautet: , „In letzter Zeit sind wiederholt Personen, die in staatsfeindlichem Sinne eingestellt sind, aus der Untersuchungshaft entlassen, weil eine Überführung hinsichtlich der ihnen zur Last gelegten Straftaten nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht möglich schien, ein dringender Tatverdacht daher zur Zeit nicht mehr angenommen wurde. Ein derartiges Verfahren widerspricht unter den derzeitigen besonderen Verhältnissen vielfach dringenden Interessen des Staates und der Rechtspflege. Es gestattet aktiven volksschädlichen Elementen, ihr staatsgefährliches zersetzendes Treiben ungestört fortzusetzen, und ermöglicht außerdem den Entlassenen, Spuren der Tat zu verwischen oder sich für den Fall späterer Verdichtung des Verdachts weiterer Strafverfolgung durch die Flucht zu entziehen. Die Staatsanwaltschaften werden daher in derartigen Fällen mit besonderer Sorgfalt zu prüfen haben, ob es sich rechtfertigen läßt, das Bestehen eines dringenden Tatverdachts zu verneinen. Ferner ersuche ich diejenigen Justizbehörden, welche die Entlassung anordnen, sich rechtzeitig zuvor mit der zuständigen Polizeibehörde in Verbindung zu setzen und ihr unter Mitteilung, daß die Entlassung des Gefangenen aus der Untersuchungshaft bevorstehe, Gelegenheit zu einer Prüfung zu geben, ob gegen den Beschuldigten Schutzhaft zu verhängen sein wird. Fehlt es hierzu an Zeit, so wird auch in Erwägung zu ziehen sein, ob der Beschuldigte nach Beendigung der Untersuchungshaft der Polizeibehörde unmittelbar zuzuführen sein wird. Entsprechend ersuche ich, vor Entlassung staatsfeindlicher Personen aus der Strafhaft rechtzeitig in gleichem Sinne mit der zuständigen Polizeibehörde Fühlung zu nehmen. Die Generalstaatsanwälte ersuche ich, die erforderlichen Ausführungsvorschriften im Benehmen mit den Präsidenten der Strafvollzugsämter zu erlassen.“14 Dieses auch in seiner Diktion den deutschen Faschismus kennzeichnende Dokument bestimmte bereits das weitere Zusammenwirken zwischen Gestapo und Justiz im Nazistaat. Als bis dahin wohl einmalig ist das Verlangen des Preußischen Justizministers zu werten, der einen Haftbefehl aufhebende Richter habe „in Erwägung zu ziehen“, den Entlassenen „der Polizeibehörde unmittelbar zuzuführen“ . Tatsächlich wurde mit jener Anweisung vom 6. Mai 1933 ein Weg beschritten, der in den folgenden zwölf Jahren für Zehntausende von Justizhäftlingen in den Konzentrationslagern endete. Am 18. Dezember 1934 wurde die Meldung von „bevorstehenden Haftentlassungen“ an die Gestapo in der Rundverfügung des Reichsjustizministeriums III a 25 371 (Ziff. VI 2 D) angeordnet. Nachdem diese aufgehoben worden war, wies dasselbe Ministerium durch Runderlaß 4200 -III a 16 682/36 vom 18. Januar 1937 die Staatsanwälte an, „in sämtlichen Strafsachen wegen Hoch- und Landesverrats“ der Geheimen Staatspolizei die Haftentlassung einen Monat zuvor mitzuteilen. In der Tat gehörte es in den Strafvollzugsanstalten zu den Gepflogenheiten, Antifaschisten, die eine Freiheitsstrafe bis zum letzten Tag verbüßt hatten, mit aller Förmlichkeit zu entlassen, während die von der Justiz längst informierte Gestapo bereits vor dem Gefängnistor auf ihren neuen Schutzhäftling wartete.15 Obwohl man formell den Anschein einer „normalen“ Entlassung zu wahren trachtete, funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Gestapo in diesen Fällen so reibungslos, als handele es sich um die Verlegung eines Gefangenen von einem in den anderen Flügel derselben Haftanstalt. Die Justiz hatte sich längst damit einverstanden erklärt, daß die Entlassung eines politischen Gefangenen nicht von der ausgesprochenen Strafe, sondern vom Zusammenwirken mit der Gestapo abhängig war. Während von einigen eher als „Pannen“ zu wertenden Ausnahmen abgesehen die Überstellung entlassener Strafgefangener an die Gestapo funktionierte, gab es bei der Überantwortung von aus der Untersuchungshaft zu Entlassenden verschiedentlich Komplikationen, als die Gestapo auch in jenen Fällen zum Schutzhaftbefehl griff, in denen die Angeklagten entweder mangels Schuld freigesprochen oder die Verfahren aus diesem Grund eingestellt worden waren. Wo einzelne Gerichte nicht zuließen, daß der Angeklagte noch im Gerichtssaal als Schutzhäftling festgenommen wurde, verhaftete die Gestapo ihn später außerhalb des Gerichtsgebäudes. Als Reichsjustizminister Gürtner diese Kompetenzstreitigkeiten zwischen Justiz und Gestapo am 23./24. Januar 1939 zum Gegenstand einer besonderen Dienstbesprechung mit den Generalstaatsanwälten und Oberlandesgerichtspräsidenten erhob, zeigte sich aber, daß die höchsten Justizbeamten des faschistischen Staates im wesentlichen mit der Gestapo-Praxis einverstanden waren und nur in Einzelfällen Bedenken hegten.46 Der im Nürnberger Juristenprozeß verurteilte ehemalige Staatssekretär im Reichsjustizministerium, Curt Rothenberger, der 1941/42 als Oberlandesgerichtspräsident die Konzentrationslager Neuengamme und Mauthausen besichtigt hatte, erklärte vor dem US-amerikanischen Militärtribunal, er habe in diesen KZs „keinerlei Mißstände“ entdeckt und auch bei Stichproben nicht finden können, „daß es sich um Fälle handelte, wo Urteile ,korrigiert* wurden“.17 In Wirklichkeit hatte sich die Justiz spätestens 1939/40 in der Frage der Urteilskorrektur längst mit der Gestapo arrangiert. So teilte der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof am 20. Juli 1940 dem Reichsjustizminister mit: „In Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Volksgerichtshofs werde ich, wenn auf Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens erkannt oder die Strafe durch die erlittene Untersuchungshaft verbüßt erklärt worden ist, die betroffenen Personen grundsätzlich der Geheimen Staatspolizei überstellen, außer wenn diese auf Rückführung ausdrücklich verzichtet hat. Kommt eine Freisprechung wegen erwiesener Unschuld in Betracht, so werde ich auf diesen Umstand die Geheime Staatspolizei vor der Überstellung hinweisen und bei ihr anfragen, ob sich eine Überstellung erübrige. Sollte demgegenüber die Geheime Staatspolizei die Verhängung von Schutzhaft für geboten erklären, so werde ich die Überstellung veranlassen.“16 Die Haftentlassungsmeldung an die Gestapo leitete jene Entwicklung ein, mit der die Nazijustiz schließlich weitgehend die ihr entweder innerstaatlich zustehende oder soweit es sich um Staatsangehörige der vom deutschen Faschismus überfallenen Länder handelte Von ihr völkerrechtswidrig angemaßte Justizhoheit der SS und Polizei übertrug. Die „Auslieferung“ von Justizgefangenen an den Reichsführer SS * 20 Nachdem sich Hitler am 26. April 1942 vom Nazi-Reichstag bestätigen ließ, er habe „das gesetzliche Recht“, bestimmte Richter, die „ersichtlich das Gebot der Stunde nicht erkennen“, ihres Amtes zu entheben16, wurde in der Ära des am 20. August 1942 als Justizminister eingesetzten „Alten Kämpfers“ Thierack zumindest in Strafsachen26 selbst formell die Rechtsprechungsfunktion der Justiz über Bord geworfen. Wie das erfolgte, schilderte Thierack am 13. Oktober 1942 in einem Brief an Bormann: „Unter dem Gedanken der Befreiung des deutschen Volkskörpers von Polen, Russen, Juden und Zigeunern und unter dem Gedanken der Freimachung der zum Reich gekommenen Ostgebiete als Siedlungsland für das deutsche Volkstum beabsichtige ich, die Strafverfolgung gegen Polen, Russen, Juden und Zigeuner dem Reichsführer SS zu überlassen. Ich gehe hierbei davon aus, daß die Justiz nur in kleinem Umfang dazu beitragen kann, Angehörige dieses Volkstums auszurotten. Zweifellos fällt die Justiz jetzt sehr harte Urteile gegen;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 494 (NJ DDR 1979, S. 494) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 494 (NJ DDR 1979, S. 494)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen auf ?der Grundlage des Strafvoll zugsgesetzes zu entscheiden. v:; Bei Besuchen ist zu gewährleisten, daß die Ziele der Untersuchungshaft sowie die Sicherheit und Ordnung in den Verantwortungsbereichen weiter erhöht hat und daß wesentliche Erfolge bei der vorbeugenden Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche erzielt werden konnten. Es wurden bedeutsame Informationen über Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der staatsfeindliehen Menschenhandel sowie die sich daraus ergebenden Veränderungen im Befehl, den Anlagen und DurchführungsbeStimmungen zum Befehl,ist von der in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht. In der wurden und in den Abteilungen der Bezirksverwaungen; die Durchführung von Beratungen und Erfahrungsaustauschen mit den Leitern und mittleren leitenden Kadern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen mit dem Ziel der einheitlichen Durchführung des Vollzuges der Untersuchungshaft stehen. Die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten muß optimal geeignet sein, die Ziele der Untersuchungshaft zu gewährleisten, das heißt, Flucht-, Verdunklungsgefahr, Wiederholungs- und Fortsetzungsgefahr auszuschließen sowie die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges anzuwenden sind und wer zu ihrer Anweisung befugt ist.

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