Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 483

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 483 (NJ DDR 1979, S. 483); Neue Justiz 11/79 483 (GBl. I Nr. 5 S. 30) spricht allgemein von Berufspflichten, die der Arzt „verantwortungsbewußt, sorgfältig und gewissenhaft auf der Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ zu erfüllen hat. Dabei ist davon auszugehen, daß rechtlich verbindlich nicht nur diejenigen ärztlichen Pflichten sind, die in Gesetzen, Verordnungen, Anordnungen, Arbeitsordnungen, Funktionsplänen usw. ausdrücklich beschrieben sind, sondern auch die vielfältigen nicht ausdrücklich fixierten bzw. normierten allgemein anerkannten ärztlichen Berufsregeln, die sich in der medizinischen Praxis herausgebildet haben. § 9 StGB nennt neben den Pflichten, die den Verantwortlichen kraft Gesetzes obliegen, besonders auch diejenigen Pflichten als'Rechtspflichten, die den Verantwortlichen kraft Berufs oder Tätigkeit obliegen. Die allgemein anerkannten ärztlichen Berufsregeln tragen Rechtspflichtcharakter. Das bedeutet, daß der behandelnde Arzt rechtlich zu einem solchen diagnostischen und therapeutischen Vorgehen verpflichtet ist, das zur Sicherung eines optimalen Behandlungserfolgs erforderlich und geeignet sowie auf der Grundlage des erworbenen Qualifikationsgrades und der ärztlichen Fortbildungspflicht für den einzelnen zumutbar und nach den objektiven Bedingungen auch realisierbar ist. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Schuldausschlusses nach § 10 StGB betonen die eingangs genannten Thesen in Ziffer 6 zutreffend, daß vom Arzt zur Erfüllung seiner Berufspflichten die Anstrengungen verlangt werden, „die unter Berücksichtigung seiner Qualifikation, seiner Erfahrungen und der objektiv vorhandenen Möglichkeiten und Bedingungen (Ort, Zeit und Situation) von ihm erwartet werden können“. Wem die Erfüllung seiner Pflichten objektiv nicht möglich ist oder wer wegen eines von ihm nicht zu verantwortenden persönlichen Versagens oder Unvermögens zur Erfüllung seiner Pflichten nicht imstande ist, handelt gemäß § 10 StGB nicht schuldhaft und kann demzufolge auch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Rechtlich verbindlich sind ärztliche Berufsregeln allerdings nur dann, wenn sie allgemein anerkannt sind. Zur praktischen Anwendung bestimmter Erkenntnisse, Methoden und Verfahren ist der Arzt rechtlich verpflichtet, wenn diese z. B. in der allgemein zugänglichen Fachpresse ausgiebig und als gesichert dargelegt wurden, als Standardwissen für die Facharztprüfung gelten und an Universitäten und Akademien gelehrt werden. „Maßstab ist der in Lehrbüchern' (letzte Auflage), Hochschulvorlesungen, Zeitschriften mit großer Verbreitung und Zugangsmöglichkeit (Das deutsche Gesundheitswesen, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung) vermittelte Erkenntnisstand.“2 Die in Therapieempfehlungen, Richtlinien oder Standards dargelegten Erkenntnisse, Methoden und Verfahren sind m. E. immer allgemein anerkannte Berufsregeln. Weicht ein Arzt davon ab, dann muß er im Konfliktfall nachweisen, daß dieses Abweichen auf Grund der jüngsten Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und Praxis nach Lage des Falles notwendig und gerechtfertigt war. Der Rechtspflichtcharakter der allgemein anerkannten ärztlichen Berufsregeln wird nicht nur deshalb betont, weil bei der Verletzung von Rechtspflichten die Frage nach dem Verantwortlichen auftritt, sondern vor allem deshalb, weil durch die in den Rechtspflichten zum Ausdruck kommenden verbindlichen Verhaltensanforderungen von vornherein ein diesen Anforderungen entsprechendes Verhalten der Ärzte und der anderen medizinischen Mitarbeiter stimuliert werden soll. Da in der medizinischen Wissenschaft und Praxis immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen werden, die in einer Vielzahl von Publikationen veröffentlicht und allgemein zugänglich gemacht werden, vervollkommnen sich die ärztlichen Berufsregeln ständig. Jeder einzelne Arzt ist selbst dafür verantwortlich, daß er sich mit den neuen erprobten und anerkannten Erkenntnissen und Erfahrungen vertraut macht und sie in der täglichen Praxis an- wendet. In § 5 Abs. 2 der Approbationsordnung heißt es zu dieser Pflicht ausdrücklich: „Der Arzt bildet sich ständig weiter, vervollkommnet seine Kenntnisse und wendet sie in der Praxis an.“ Danach ist die Weiterbildungspflicht für jeden Arzt eine verbindliche Rechtspflicht. Die Leiter im Bereich des Gesundheitswesens haben dafür zu sorgen, daß in den ihnen unterstellten Einrichtungen die sozialistische Gesetzlichkeit ständig weiter gefestigt wird, systematisch erzieherische Maßnahmen zur Erhöhung des sozialistischen Rechtsbewußtseins organisiert und wichtige neue Rechtsvorschriften im Zusammenwirken mit den Gewerkschaftsleitungen den Kollektiven der Gesundheitseinrichtungen erläutert werden.3 Die Rechtserziehung im Gesundheitswesen für die die leitenden Mitarbeiter die Verantwortung tragen muß vor allem darauf gerichtet sein, im Prozeß der täglichen Arbeit und bei den verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen ständig auch das Wissen um die rechtlich verbindlichen Verhaltensanforderungen zu vertiefen, allen Mitarbeitern diese Verhaltensanforderungen bewußt zu machen und dabei selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Die weitere Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der medizinischen Arbeit hängt wesentlich davon ab, wie es gelingt, die Forderung in Abschn. II des Beschlusses über weitere Maßnahmen zur Durchführung des sozialpolitischen Programms des VIII. Parteitages der SED (Gemeinsamer Beschluß des Politbüros des Zentralkomitees der SED, des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB vom 25. September 1973, ND vom 27. September 1973, S. 3) zu verwirklichen, „den in der medizinischen Praxis tätigen Ärzten . neue und erprobte wissenschaftliche Erkenntnisse rascher und übersichtlicher zugänglich zu machen“. Welche Probleme es dabei gibt, wurde in einem im Bezirk Suhl durchgeführten Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung deutlich. Ein 6jähriges Kind war an einer Knochenmarkschädigung gestorben, die bei einer Berlicetin-Therapie durch das Überschreiten der Maximal-Dosis in Menge und Zeitdauer entstanden war. Die beteiligten Ärzte vertraten die Meinung, daß bis zu diesem Todesfall die Therapie auch der nicht bakteriell bedingten Hirnhautentzündung mit Berlicetin allgemein als gültig anerkannt gewesen sei. In der Auseinandersetzung mit diesem Argument wiesen die Gutachter nach, daß die Indikation, Dosierung in Menge und Zeit sowie die notwendigen Kontrollmaßnahmen bereits zwei Jahre vor dem Tod des Kindes ausreichend in der in der DDR erhältlichen und für den Pädiater unerläßlichen Literatur klargestellt gewesen ist. Dieses Beispiel wirft die Frage auf, ob den übergeordneten Leitungsorganen im Gesundheitswesen ggf. eine stärkere rechtliche Verantwortung dafür übertragen werden sollte, daß sich die Ärzte in den einzelnen Fachbereichen eines Kreises oder Bezirks mit neuen Erkenntnissen vertraut machen und diese auch in ihrer Praxis anwenden. Verantwortlichkeits-, Schuld-'und Beweislastregelungen und ihre Beachtung bei der Beurteilung medizinischer Fehlleistungen Eine ungenügende Kenntnis der unterschiedlichen Verantwortlichkeits-, Schuld- und Beweislastregelungen im Ar-beits-, Zivil- und Strafrecht führt in der Praxis manchmal noch dazu, daß das zivilrechtliche Einstehenmüssen der Gesundheitseinrichtungen mit einem strafrechtlichen Schuldvorwurf verwechselt wird. Manche Mitarbeiter des Gesundheitswesens sind der Meinung, daß die Anerkennung einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit oder schon die Schadensmeldung an die Staatliche Versicherung die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung heraufbeschwört. Durch solche Auffassungen kann u. U. die rasche materielle Sicherung der Bürger im Schadensfall beträchtlich gehemmt werden. Manchmal wird auch noch die Pflicht der;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 483 (NJ DDR 1979, S. 483) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 483 (NJ DDR 1979, S. 483)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung Strafverfahren, Heue Justiz, Gysi,Aufgaben des Verteidigers bei der Belehrung, Beratung und UnterotUtsuag des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, Heue Justiz Wolff, Die Bedeutung des Verteidigers für das Recht auf Verteidigung, da dieses Recht dem Strafverfahren Vorbehalten ist und es eines solchen Rechts zur Gefahrenabwehr nicht bedarf. Weitere Festschreibungen, durch die die rechtliche Stellung des von der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß kein gesetzlicher Ausschließungsgrund vorliegt und die für die Begutachtung notwendige Sachkunde gegeben ist. Darüber hinaus wird die Objektivität der Begutachtung vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß die vom Betreffenden im Wiederholungsfall begangene gleiche Handlung in der Regel nicht anders als die vorangegangene bewertet werden kann. Die Realisierung der von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Sachverhaltsklärung zur Gefahrenabwehr gemäß Gesetz durchgeführt wurden. Daraus resultiert das Erfordernis, gegebenenfalls die Maßnahmen im Rahmen der Sachverhaltsklärung gemäß Gesetz :.in strafprozessuale Ermittlungshandlungen hinüberzuleiten.

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