Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 365

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 365 (NJ DDR 1979, S. 365); Neue Justiz 8/79 365 Staat und Recht im Imperialismus „Härtere Strafen und weniger Psychologie?" Unter dieser in Frageform gekleideten Schlagzeile vermittelt die BRD-Fachzeitschrift „Kriminalistik“ (Ham-burg/Heideiberg 1978, Heft 5, S. 201 ff.) ihren Lesern recht eindeutige Orientierungen des Krefelder Kriminaldirektors Willi Witkowski. Sie entstammen einem „Unterrichtsgespräch“, das diese: Kriminalist an der BRD-Polizeifüh-rungsakademie mi Bewerbern für den Leitenden Dienst der Polizei zum T. ema „Oie Funktion des Leiters K unter besonderer Berücksichtigung angespannter Sicherheitslage“ führte. Witkowski zeie. inet zunächst ein erschreckendes Bild von der Kriminalitätsflut in der BRD: alle 10 Sekunden eine Straftat, pro Minute vier Diebstähle, stündlich mehr als zwei Raubü'berfälle, täglich nahezu acht vorsätzliche Tötungen, jede Woche zehn Überfälle auf Banken oder Poststellen. Diesen Berechnungen liegen die bekanntgewordenen Straftaten für das Jahr 1976 zugrunde, nach der offiziellen Kriminalstatistik c er BRD 3 063 271 Verbrechen und Vergehen. Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 1977 ergibt sich ein neuerlicher Anstieg auf 3 287 642 Straftaten. Das entspricht einer Zunahme von 7,3 Prozent gegenüber 1976.1 Auch im Jahr 1978 gelang es in der BRD nicht, die Kriminalität einzudämmen, sie stieg auf 3 380 516 Straftaten an.1 2 Alle von Witkowski genannten Maßnahmen der Polizei wie verbesserte Aus- und Fortbildung, Personalvermehrung bis hin zum „Polizistenstaat“, neue Einsatzformen, Ausbau der krimmalpolizeilichen Beratungsstellen, verstärkter Einsatz von Polizeipsychologen und Werbefachleuten u. a. m. änderte n daran nicht das geringste. Zu bedenken ist dabei, daß die Kriminalstatistik nur die Spitze des Eisberges sichtbar macht. Wie verschiedene empirische Untersuchungen westdeutscher Kriminologen und Kriminalisten zur latenten Kriminalität ergaben, standen schon im Jahre 1969 den 2,2 Millionen polizeilich festgestellten Straftaten 16,5 bis 32,5 Millionen tatsächlich verübte Verbrechen und Vergehen (ohne Verkehrsdelikte!) gegenüber.3 Dieses unaufhörliche Anschwellen der Kriminalität (bei gleichzeitiger Verminderung der Bevölkerungszahl!) geht zudem mit einer Potenzierung ihrer Gefährlichkeit, einer qualitativen Verschärfung ihrer Züge einher. Die zunehmende Brutalisierung der Begehungsweisen, die Anwendung neuartiger, an Zynismus und Menschenverachtung kaum zu überbietender Verbrechensmethoden, die wachsende Organisierung und Internationalisierung von Verbrecherbanden, die „Verschiebung breitester Bereiche der Kriminalität in die jüngeren Jahrgänge“ und nicht zuletzt die „systematische Ausnutzung wirtschaftspolitischer Regelungen zur unreellen Gewinn- und Subventionsabschöpfung“ veranlaßten sogar offizielle Vertreter der BRD wie den Ministerialdirigenten Dr. A. Stümper (Stuttgart) von einem „Umbruch der Kriminalität“ zu sprechen.4 Witkowski hat also mit seinen schockierenden Zahlen die Kriminalitätswirklichkeit in der BRD keineswegs überzeichnet, sondern noch beträchtlich verschönt. Bemerkenswert ist, was der Kriminaldirektor über die Ursachen der kriminellen Verseuchung in der spätbürgerlichen Gesellschaf' zu sagen weiß. Verständlicherweise war von ihm nich t zu erwarten, daß er zu den Wurzeln der immer massenhafter und gefährlicher werdenden Kriminalität vordring und sie als Bestandteil der sich verschärfenden, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfassenden allgemeinen Krise des Kapitalismus kennzeichnet. Seine Erkenntnis, „die außergewöhnliche Zunahme der Kriminalität in der BRD“ sei „das Ergebnis einer fehlerhaften, ja einer falschen Kriminal- und Gesellschaftspolitik“, nimmt er nicht etwa zum Anlaß, die wirklichen Zusammenhänge zwischen Ausbeuterordnung und Kriminalität anzusprechen, sondern er wirft dem BRD-Ge- setzgeber vor, „mit seinen strafmündigen und strafunmündigen Gesetzesverletzern einen lächerlichen Liberalismus und Humanismus sowie eine schizophrene Resozialisierung“ zu betreiben, die „von permissiv eingestellten Eltern, Erziehern, Soziologen, Psychologen und Juristen sowie anderen meist politisch links angesiedelten Personen und Gruppen“ unterstützt werde. Solche Haltung müsse „eine Eskalation der Verbrechen“ und ein Aufweichen des materiellen wie des formellen Strafrechts zur Folge haben. Deshalb sei es verständlich, wenn der Ruf „Bürger, schütze Dich selbst, denn der Staat tut es immer weniger!“ ständig lauter wird. Witkowski, dem die in den letzten Jahren besonders unter dem Vorwand wirksamerer Terroristenbekämpfung in der BRD betriebene Verschärfung des Strafrechts und der Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte auch im Strafverfahrensrecht5 offensichtlich nicht genügt, hält es für „höchste Zeit , Rhetorik endlich durch Handlung, Philosophiererei durch Leistung und Forderungen durch Taten“ zu ersetzen. Damit auch der letzte seiner für die Praxis der Kriminalitätsbekämpfung in der BRD kompetenten Zuhörer verstehe, worauf Witkowski hinaus will, kommt er auf Erfahrungen und Konsequenzen in den USA, dem „gelobten Land der Kriminologie“, zu sprechen, wo es gemäß den „sozialromantischen Vorstellungen der 60er Jahre als erwiesen galt, daß Verbrecher durch geeignete Resozialisierungsmaßnahmen wieder zu gesetzestreuen Mitgliedern der Gesellschaft gemacht werden können“. Gestützt auf entsprechende amerikanische und westdeutsche Presseberichte, legt Witkowski dar, daß heutzutage das kriminalpolitische Klima in den USA durch ganz andere Züge geprägt sei. Da heißt es u. a., daß „ein offizieller Bericht das Multimillionenprogramm über die Resozialisierungsversuche als einen Versager gebrandmarkt“ hat. Ferner: „Amerika fordert härtere Strafen und weniger Psychologie“, denn die „Bösen kann man nicht bessern“, da es „schlechthin böse Menschen“ gibt, bei denen nur helfe, „sie von den Unschuldigen zu trennen“. Daher soll „die Rehabilitation künftig bei der Strafbemessung nicht mehr in die Überlegung mit einbezogen werden“. Witkowski preist das sog. Gewohnheitsverbrecherprogramm in den USA und die darauf gegründeten oftmals lebenslangen Freiheitsstrafen oder Verurteilungen bis zu 420 Jahren Freiheitsentzug als effektive Rückfallverhütung. Für die BRD leitet er die Schlußfolgerung ab, daß eine gleiche „Kehrtwende“ vorgenommen werden muß, „damit weiteres schweres, durch Verbrecher angerichtetes Unheil zum Nachteil der Bürger endlich weitgehend unterbunden wird“. Die Forderung könne daher nur lauten: .„Weg mit allen Reformen, die sich nicht bewährt haben und die nur dem Anstrich nach der Liberalisierung, der Humanisierung und der Resozialisierung dienen.“ Im Klartext heißt das: Verschärfung der Repression gegenüber Straftätern und deren Abbuchung als unvermeidlicher Verlust der Gesellschaft. Was die Ausbeuterordnung nicht brauchen kann, was zur Profitmaximierung nicht oder wenig geeignet ist, dessen will man sich in der „Wegwerf-Gesellschaft“ einfach entledigen. Dem Kriminalitätsproblem kommt man selbstredend auch mit diesem Rezept nicht bei. Hiervon legen die geschichtlichen Erfahrungen in den USA ebenso wie in der BRD hinreichend Zeugnis ab. Lo. We. 1 Vgl. „Nicht Menschheitsproblem, sondern Krebsschaden des Imperialismus“, NJ 1977, Heft 15, S. 478 fl., und „Kriminalitätsmisere“, NJ 1979, Heft 3, S. 127 ff. 2 Bulletin des Presse- und Informationsamtes der BRD-Bundes-regierung 1979, Nr. 60, S. 547. 3 Vgl. H.-J. Kerner, VerbreChenswirklibhkeit und Strafverfolgung, München 1973, S. 45. 4 Kriminalistik 1977, Heft 4, S. 150 ff. 5 Vgl. L. Frenzei, „Grundrechte und Strafrechtsreform in der BRD“, NJ 1978, Heft 3, S. 120 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 365 (NJ DDR 1979, S. 365) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 365 (NJ DDR 1979, S. 365)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Diese Art der Beweismittelsuche und -Sicherung findet unter anderem vor allem Anwendung bei der durch Angehörige der Linie erfolgenden Kontrolle von Personen und der von ihnen mitgeführten Gegenstände ist, daß sie dringend verdächtig sind, Sachen bei sich zu führen, durcfi deren Benutzung die öffentliche Ordnung gefährdet oder rrd Buchstabe Gesetz oder die der Einziehung unterliegen. Die Durchsuchung gemäß Buchstabe dient dem Zweck, durch das Auffinden von Sachen und deren nachfolgender Verwahrung oder Einziehung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bestanden hat. Die Befugnisse können auch dann wahrgenommen werden, wenn aus menschlichen Handlungen Gefahren oder Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der DDR. Mit der ausdrücklichen Fixierung von Aufträgen des Staatsanwalts sowie eigenen Feststellungen der Untersuchungsorgane als jeweils eigenständige Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dar. Sie erfordern im besonderen Maße eine enge und kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen operativer Diensteinheit und der Untersuchungsabteilung, insbesondere unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten strikt zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit des zentralen Aufnahmeheimes der für Erstzuziehende und Rückkehrer hat die Linie in enger Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten Staatssicherheit die möglichen feindlichen Aktivi- täten gegen die Hauptverhandlung herauszuarbeiten, um sie vorbeugend verhindern wirksam Zurückschlagen zu können.

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