Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 191

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 191 (NJ DDR 1979, S. 191); Neue Justiz 4/79 191 Angeklagten ist auf seine mangelnde Kenntnis über die tatsächliche Pflichtenlage zurückzuführen. Die Strafkammer hat jedoch nicht die Ursachen für diese mangelnde Kenntnis aufgeklärt. Die Beachtung der geltenden Verkehrsbestimmungen ist eine der Grundvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Der Kraftfahrer, der in Unkenntnis dieser Bestimmungen am Straßenverkehr teilnimmt, geht ein Risiko ein. Der Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zu einigen Fragen der gerichtlichen Tätigkeit in Verkehrsstrafsachen vom 15. März 1978 (NJ 1978, Heft 5, S. 229) orientiert gerade darauf, daß sich die Gerichte nicht allein mit der Feststellung unbewußter Pflichtverletzungen begnügen, sondern die Ursachen der mangelnden Kenntnis über die tatsächliche Pflichtenlage aufklären. Die wegen der mangelnden Kenntnis der geltenden Verkehrsregeln angestellten Überlegungen des Angeklagten können nicht wie es in der Berufung versucht wird als Ausdruck seines Bemühens um pflichtgemäßes Verhalten gewertet werden, und es ist bei der Beurteilung der Pflichtverletzung auch nicht von einer besonderen Kompliziertheit der Pflichtenlage an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen. Die neuen Bestimmungen der StVO dazu sind für die einzelnen Verkehrsteilnehmergruppen übersichtlich und präzise gestaltet. Ein wichtiges Anliegen der StVO ist es, im öffentlichen Nahverkehr besonders unter den Bedingungen des Großstadtverkehrs optimale Sicherheit für die Fahrgäste öffentlicher Verkehrsmittel zu gewährleisten und auf dieser Grundlage die Pflichten der Fahrgäste und der Kraftfahrer eindeutig zu regeln. An Haltestellen hat die Sicherheit der Fahrgäste beim Überqueren der Fahrbahn den Vorrang. Der Fahrgast ist in diesem Zusammenhang berechtigt, die Fahrbahn in der Haltestelle - unabhängig von ihrer Lage - dann zu überschreiten, wenn eine Straßenbahn zum Zwecke des Fahrgastwechsels hält und eine Absperrung zur Fahrbahn nicht besteht (sog. Haltestelleninsel). Das ist eine allgemeine Regel, die entgegen dem Berufungsvorbringen keine speziellen juristischen Kenntnisse voraussetzt und die auch der Angeklagte erkennen konnte. Angesichts der klaren Erkennbarkeit dieses Grundanliegens und der daraus abzuleitenden Verhaltensanforderungen, die sich zudem allgemein auch aus § 1 StVO ergeben, bestehen an der Schuld des Angeklagten keine Zweifel. Der Angeklagte war von seinen persönlichen Voraussetzungen her wie jeder andere Kraftfahrer uneingeschränkt in der Lage, seine Pflicht zum Anhalten zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Die Tatsache, daß der Angeklagte dennoch die ihm obliegende Pflicht verletzte, ist auf sein ungenügendes Verantwortungsbewußtsein gegenüber seinen Pflichten als Kraftfahrer zurückzuführen. Der Grad dieses mangelnden Verantwortungsbewußtseins ist aber wesentlich schwerwiegender, als es die Strafkammer einschätzte, indem sie sich auf die Feststellung der Schuldart gemäß § 8 Abs. 2 StGB beschränkte. Die mangelnde Kenntnis des Angeklagten war nicht nur auf gelegentliche Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Der Angeklagte zeigte vielmehr eine leichtfertige Einstellung zu seiner Informationspflicht über die Bestimmungen der neuen StVO. Er hat nicht an Schulungsveranstaltungen teilgenommen, weil er der Meinung war, daß er sich mit anderen Mitteln hinreichend informieren könne. Jeder Kraftfahrer hat die unabdingbare, sich aus seiner Verantwortung als Führer eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ergebende Verpflichtung, sich bei Änderung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen ähnlich wie z. B. vor Antritt einer Auslandsfahrt sorgfältig mit den für ihn geltenden Bedingungen vertraut zu machen. Dabei ist ihm die Nutzung bestimmter Informationsquellen nicht vorgeschrieben. Ein Kraftfahrer, der aber weder das in Vorbereitung des Inkrafttretens der neuen StVO geschaffene System staatlicher und gesellschaftlicher Schulungsmaßnahmen genutzt noch sich durch gründliches Selbststudium mit den für ihn veränderten Bedingungen sorgfältig vertraut gemacht hat, kann sich bei einem durch die Verletzung seiner Pflichten herbeigeführten Verkehrsunfall nicht auf seine mangelnde Kenntnis berufen. Ein auf die imzureichende Wahrnehmung dieser grundlegenden Verpflichtung zurückzuführender Irrtum hat im Fall einer Unfallverursachung keine schuldbefreiende oder schuldmindernde Wirkung. Ein solches Verhalten offenbart in der Regel eine zutiefst leichtfertige und negative Einstellung zu gesellschaftlichen Pflichten. Deshalb ist zu prüfen, ob der Täter seine Sorgfaltspflichten in besonders verantwortungsloser Weise verletzt hat. Die Notwendigkeit zu dieser Prüfung ergibt sich auch daraus, daß angesichts der eindeutigen, für jeden Kraftfahrer geltenden Pflicht zu ausreichender Information (§ 1 Abs. 3 StVO) die bloße Feststellung unbewußt pflichtwidrigen Verhaltens gemäß § 8 Abs. 2 StGB zur Charakterisierung der Schuld nicht ausreicht. Unbeschadet der Unbewußtheit der unfallursächlichen Pflichtverletzung objektiviert sich darin vielmehr ein solches Maß an verantwortungsloser Gleichgültigkeit und Risikobereitschaft, daß die Anwendung des § 196 Abs. 3 Ziff. 2 StGB in seiner zweiten Alternative erforderlich ist. Der Angeklagte hätte selbst nach den Bestimmungen der alten StVO über das Verhalten in Haltestellenbereichen der Straßenbahn anders handeln müssen. Auch die Tatsache, daß er den in der rechten Fahrspur wegen der haltenden Straßenbahn zum Stehen gekommenen Kleintransporter des Zeugen D. nicht wahrnahm, charakterisiert seine leichtfertige Einstellung zu Verhaltensanforderungen im Straßenverkehr. Das angefochtene Urteil war im Schuldausspruch abzu-ändem und der Angeklagte wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls im schweren Fall gemäß § 196 Abs. 1, 2 und 3 Ziff. 2 StGB zur Verantwortung zu ziehen. Das mußte auch zur Abänderung des Urteils im Strafausspruch führen. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalstaatsanwalts von Berlin ist der Senat nach-Würdigung aller die Tatschwere bestimmenden Momente zu dem Ergebnis gekommen, daß nur eine die gesetzliche Mindeststrafe übersteigende Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten der Tatschwere hinreichend gerecht wird. Der ausgesprochene Fahrerlaubnisentzug war als eine für die weitere erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten unerläßliche Maßnahme nach Art und Dauer aufrechtzuerhalten. Anmerkung: Die vorstehende Entscheidung nimmt zu einer wichtigen Frage Stellung. Nicht selten versuchen Fahrzeugführer, die durch verantwortungsloses Verhalten einen Verkehrsunfall herbeigeführt haben, ihr Verhalten damit zu entschuldigen, daß ihnen die für sie geltenden Rechtspflichten im Straßenverkehr nicht oder nur ungenügend bekannt gewesen seien. Damit soll allein aus diesem Grunde eine strafrechtliche Verantwortlichkeit verneint werden. Einem solchen Standpunkt muß widersprochen werden. Das Oberste Gericht hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sich die Bürger für ihr Verhalten in den jeweiligen Lebensbereichen mit den sich daraus für sie ergebenden Pflichten vertraut machen müssen. Unterlassen sie dies und verletzten sie dadurch Rechtspflichten unbewußt, ist stets zu prüfen, ob das Nichtbewußtmachen dieser Pflichten ein verantwortungsloses Verhalten darstellt (vgl. auch Ziff. 17 des Beschlusses des Präsidiums des Obersten Gerichts zur Rechtsprechung auf dem Gebiet des Gesund-heits-, Arbeits- und Brandschutzes vom 13. September 1978 [NJ 1978, Heft 10, S. 448]). Mit der Ausübung bestimmter Tätigkeiten sind oft auch spezielle Rechtspflichten zu erfüllen. Der Betreffende ist dann verpflichtet, sich mit diesen Pflichten vertraut zu machen, um sich gesellschaftsgemäß, d. h. in Übereinstim-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

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