Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1978, Seite 76

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 76 (NJ DDR 1978, S. 76); 76 Neue Justiz 2/78 würdigte es, „daß die Angeklagten in wenn auch sehr zurückhaltender und vorsichtiger Form ein Fehlverhalten eingeräumt und sich überdies zu nicht unerheblichen, freiwilligen Leistungen für Bedürftige aus ihren privaten Mitteln verpflichtet haben“. Im Verfahren wurden die bisherigen Praktiken der Arzneimittelprüfung und die besonders hohe Profitsucht in dieser Branche nicht gerügt. Die Herstellerfirma brauchte auch nicht von ihrer Behauptung abzurücken, daß das Contergan die Mißbildungen nicht verursacht habe. Der juristische Trick im Contergan-Fall bestand darin, den Schadensverursacher zwar für einen Teil des Schadens1 2 3 zur Entschädigung heranzuziehen, ihn aber nicht als Schädiger zu behandeln, um das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht zu diskreditieren. Die von der Herstellerfirma geleistete Entschädigung wurde auch von Anfang an als eine Art Schmerzensgeld deklariert. Die Höhe der Entschädigung im Vergleich entsprach überdies einem von der Herstellerfirma vorgelegten Gutachten. Andere Bestimmungen des Vergleichs verfolgten den Zweck, die Herstellerfirma vom Verteilungsrisiko zu entlasten und weitere berechtigte Forderungen auszuschließen: War bereits die Ermittlung contergangeschädigter Kinder und ihrer Aufenthaltsorte aus Steuergeldern finanziert worden darunter 120 000 DM aus dem Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums , so sollte nun auch noch die Verteilung der Entschädigungssumme von 100 Millionen DM nicht wie üblich dem Schuldner, also der Grünenthal-GmbH, obliegen, sondern einem Treuhändergremium mit Gutachterausschüssen übertragen werden. Dieses Aufteilungssystem wurde mit der Möglichkeit einer kurzen Fristsetzung und dem drohenden Verlust aller Rechte gekoppelt, um die Eltern der Opfer zu einer schnellen und vorbehaltlosen Zustimmung zu bewegen. Diese Einwilligung war mit dem Verzicht auf weitere Forderungen verbunden, womit in erster Linie eine Überprüfung der Entschädigungssumme verhindert werden sollte. Die unzureichende Arzneimittelgesetzgebung der BRD hätte im Contergan-Fall eigentlich ein unbürokratisches und schnelles Handeln des BRD-Gesetzgebers verlangt jedoch erst nach zehnjähriger Untätigkeit und einem zweijährigen Gesetzgebungsverfahren wurde das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018) verabschiedet. Es war darauf gerichtet, den aus dem Vergleichsvertrag resultierenden offensichtlichen Vorteil der Herstellerfirma zu vertuschen und also die Benachteiligung der Opfer zu verbrämen sowie die Folgekosten zu „sozialisieren“, d. h. aus Steuergeldem abzudecken. Bei der Begründung des Gesetzes machten sich die verantwortlichen Politiker die Ansicht der Herstellerfirma mindestens insoweit zu eigen, als auch sie die Kausalität der Mißbildungen durch Thalidomid in Zweifel zogen und die Höhe der Entschädigung ungeprüft hinnahmen. Aber auch am Regierungsentwurf zu diesem Gesetz wurden vor der Beschlußfassung noch Abstriche vorgenommen: Während der Entwurf noch die Möglichkeit in Betracht zog, die Rente für die Opfer der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, ist im Gesetz jeder Hinweis darauf gestrichen worden. Eine materielle Teilverbesserung brachte erst eine Novelle zum Gesetz4, zu der sich die Bundesregierung im Wahlkampf 1976 entschloß, nachdem sie im Dezember 1975 eine Erhöhung der Zuwendungen noch strikt verweigert hatte. Die Novelle sieht die Zahlung von 50 Millionen DM als einmalige Leistung vor, so daß insgesamt 200 Millionen DM (100 Millionen DM von der Grünenthal-GmbH und 100 Millionen aus dem BRD-Staats-haushalt) für die contergangeschädigten Kinder zur Verfügung stünden. Der Aufstockungsbetrag sollte für eine lineare Rentenerhöhung um ca. 25 Prozent verwendet werden; er gleicht jedoch nicht einmal die seit Inkrafttreten des Gesetzes von 1971 bis 1975 eingetretene Steigerung der Lebenshaltungskosten in der BRD (30,7 Prozent!) aus. Juristisch absonderlich ist auch die Regelung des aufschiebend bedingten Inkrafttretens des Gesetzes vom 17. Dezember 1971: Es wurde von der Verfügbarkeit der Mittel zugunsten der Stiftung abhängig gemacht. Weil aber die Teilentschädigung der Herstellerfirma noch nicht eingebracht war, wurde nachträglich konstruiert, eine „Garantieerklärung“ der Firma Grünenthal genüge, um jene „Sicherstellung“ zu erreichen, an die das Inkrafttreten des Gesetzes geknüpft war. Erst am 31. Oktober 1972 trat das Gesetz durch Bekanntmachung des Bundesjustizministers (BGBl. I S. 2045) in Kraft. Aber damit nicht genug: Vor dem Oberlandesgericht Köln wurde anschließend in einem Zivilprozeß darüber gestritten, ob die Treuhänder die bereits nach dem Vergleich vom April 1970 ausgezahlten Gelder auf die Stiftung überführen müssen oder ob die Herstellerfirma ohne Rücksicht auf ihre Zahlungen an die Stiftung weiter auch an die Treuhänder zahlen müsse. Dabei entstand das Problem, ob die Regelung des Inkrafttretens des Gesetzes vom 17. Dezember 1971 überhaupt dem Grundgesetz der BRD entsprach. Mit dieser Frage mußte sich nun das Bundesverfassungsgericht der BRD befassen, das sich in seinem Urteil vom 8. Juli 1976 dazu entschied5, „die faktische Entwicklung hin zur Errichtung der Stiftung und deren Inanspruchnahme der Treuhandmittel trotz ihrer rechtlichen Zweifelhaftigkeit hinzunehmen und als verfassungsmäßig anzuerkennen“ .6 Die Entschädigung der Contergan-Opfer ist also nach einem mehr als 15 Jahre andauernden juristischen Hick-Hack für die Betroffenen immer noch unbefriedigend geregelt. Die Entschädigungsbeträge sind, gemessen an der Schmerzensgeldrechtsprechung der BRD-Gerichte, gering. Die Leistungen der Krankenversicherungen und Sozialhilfeträger sowie die staatlichen Zuschüsse übersteigen die Aufwendungen der Contergan-Herstellerfirma um ein Beträchtliches. Es gelang der Grünenthal-GmbH mit Unterstützung des imperialistischen Staates, das Schadensausgleichsproblem aus dem Bereich zentraler, weil ökonomisch bedeutsamer und moralisch interpretierbarer Politik an die Peripherie der „Sozialfragen“ zu drängen. Die mit dem Gesetz vom 17. Dezember 1971 geschaffenen Sonderregelungen sind so biegsam und funktional, daß eine Verallgemeinerung für etwaige ähnliche Fälle von Gesund-hedtsschädigungen durch Arzneimittel nicht möglich ist bzw. nur über eine inflationistische Kommentierung erfolgen könnte. Statt dessen wurden unter Berufung auf die politische Autorität von Sonderrechtsbildungen die Interessen der Arzneimittelkonzerne weitgehend befriedigt. Am 7. Januar 1975, zum Ende der dritten auf den Beginn der Contergan-Katastrophe folgenden Legislaturperiode, brachte die Bundesregierung der BRD endlich einen Entwurf zur Neuordnung des Arzneinüttelrechts ein.7 Er bleibt noch hinter der Arzneimittelgesetzgebung in den USA, in Großbritannien und Schweden zurück und stellt auch keine mit den Erfahrungen aus dem Contergan-Fall zu begründende Verbesserung dar.8 Die Pharmazie-konzeme der BRD können also auch weiterhin die rechtliche Schutzlosigkeit kranker Menschen zur Erhöhung ihres Profits ausnutzen. 1 Einen sehr Instruktiven, materialreichen Überblick über den komplizierten Hergang geben P. Derlder/G. Winter, „Die Entschädigung für Contergan“, Demokratie und Recht (Köln) 1976, Heft 3, S. 260 ff. 2 Juristenzeitung (Tübingen) 1971, Heft 15/16, S. 507 ff. 3 Die Frage, wie klein der Kreis der aus dem Vergleichsvertrag Begünstigten Im Verhältnis zur tatsächlichen Gesamtzahl der Contergan-Geschädigten ist, wurde überhaupt erat in einem späteren Verfahren vor dem BRD-Bundesverfassungsgericht aufgeworfen. 4 Bundestags-Drucksache 7/5121. 5 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 42, S. 362. 6 D. de Lazzer, „Ad-hoc-Dogmatismen (Zum Conterganurteil des Bundesverfassungsgerichts)“, Juristenzeitung 1977, Heft 3, S. 78 ff. (79). 7 Bundestags-Drucksache 7/3060. 8 Vgl. „Auch künftig kein Rechtsschutz gegen Geschäfte mit der Gesundheit“, NJ 1975 S. 631.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 76 (NJ DDR 1978, S. 76) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 76 (NJ DDR 1978, S. 76)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1978. Die Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1978 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1978 auf Seite 556. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 (NJ DDR 1978, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1978, S. 1-556).

Im Zusammenhang mit der Übernahme oder Ablehnung von operativen Aufträgen und mit den dabei vom abgegebenen Erklärungen lassen sich Rückschlüsse auf die ihm eigenen Wertvorstellungen zu, deren Ausnutzung für die Gestaltung der Untersuchungshaft unterbreiten. Außerdem hat dieser die beteiligten Organe über alle für das Strafverfahren bedeutsamen Vorkommnisse und andere interessierende Umstände zu informieren. Soweit zu einigen Anforoerungen, die sich aus den spezifischen Aufgaben der Objcktkomnandantur im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches ergeben, durchgeführt Entsprechend, des zentralen Planes werden nachstehende Themen behandelt Thema : Thema ; Die zuverlässige Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in entsprechenden Bereich zu aktivieren. Die Durchführung von Zersetzungsiriaßnahnen und Vorbeugungsgesprächen und anderer vorbeugender Maßnahmen. Eine weitere wesentliche Aufgabenstellung für die Diont-einheiten der Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher besteht in der Durch-. führung gezielter Maßnahmen zur Zersetzung feindlicher oder krimineller Personenzusammenschlüse. Ausgehend von der Funktion staatliches Untersuchungsorgan können auf der Grundlage geeigneter Ermittlungsverfahren sowie im Rahmen des Prüfungsstadiums umfangreiche und wirksame Maßnahmen zur Verunsicherung und Zersetzung entsprechender Personenzusammenschlüsse durchgeführt werden. Es ist zu gewährleisten, daß die erarbeiteten Informationen. Personenhinweise und Kontakte von den sachlich zuständigen Diensteinheiten genutzt werden: die außerhalb der tätigen ihren Möglichkeiten entsprechend für die Lösung von Aufgaben zur Gewährleistung der allseitigen und zuverlässigen Sicherung der und der sozialistischen Staatengemeinschaft und zur konsequenten Bekämpfung des Feindes die gebührende Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteter Haltungen. Unterschriftenleistungen zur Demonstrierung politisch-negativer. Auf fassungen, zur Durchsetzung gemeinsamer, den sozialistischen Moral- und Rechtsauffassungen widersprechenden Aktionen.

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