Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1978, Seite 496

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 496 (NJ DDR 1978, S. 496); 496 Neue Justiz 11/78 Unter Einbeziehung der ebenfalls anzutreffenden Praxis kapitalistischer Betriebe, durch eine sich sozial gebende gewisse „Großzügigkeit“ gegenüber kleineren Eigentumsverletzungen unter den Werktätigen gleichsam als soziale „Ventilsitten“ demoralisierende Gepflogenheiten zu fördern, kamen J. Renneberg, L. Frenzei und R. D ä h n zu der Einschätzung: „Diese von den Kapitalisten geübte scheinbare generöse Duldung respektive Begünstigung kleiner Diebereien und .persönlicher Aufrechnungen1 zielt objektiv ungeachtet gelegentlich vielleicht auch subjektiv wohlmeinender Beweggründe einzelner Unternehmer darauf ab, spontane soziale Klassenkampfbestrebungen der Werktätigen eines Betriebes in Akte individuell anarchischer Selbsthilfe zu kanalisieren und ventilieren und die solchen .Bräuchen“ unterliegenden Werktätigen dem Kapitalisten noch bedingungsloser zu verpflichten. In Verbindung mit ihrer .Hausjustiz1, auf die sie neben der staatlichen Strafverfolgung im Bedarfsfälle jederzeit willkürlich zurückgreifen können, haben sich die Kapitalisten hiermit ein weiteres Mittel geschaffen, die Werktätigen in gesellschaftlicher Blindheit zu halten, sie ökonomisch und psychologisch unter Druck zu setzen und zu korrumpieren.“10 Darüber hinaus dürfte die geringe Effektivität der staatlichen Strafverfolgungsorgane der BRD bei der Aufklärung und Ahndung der allgemeinen Kriminalität, die sich nicht zuletzt in der sehr niedrigen Aufklärungsquote bei Eigentumsdelikten" sowie in außerordentlich langen Bearbeitungsfristen12 äußert, bei den Unternehmern den Gedanken, eine Privatpolizei in Gestalt des Werkschutzes und eine Betriebsjustiz auf- bzw. auszubauen, zumindest begünstigt haben. Dieser Aspekt liefert auch die Erklärung dafür, warum in der BRD staatlicherseits nichts gegen die Betriebsgerichtsbarkeit unternommen wird. Unfähig, der Kriminalitätsexplosion wirksam zu begegnen, außerstande, vor allem auf die große Zahl weniger schwerwiegender Straftaten überhaupt zu reagieren13, sowie beeinträchtigt durch gelegentliche öffentliche Kritik an der Willkürpraxis der Betriebsjustiz, die dem „rechtsstaatlichen Image“ der BRD abträglich ist, möchte man die Hausjustiz der Unternehmer am liebsten totschweigen. Soweit das nicht gelingt, gibt man sich wie die eingangs zitierte Passage aus der SPD-Parteitagsresolution zeigt zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatsillusion verbal als Gegner „einer Privatisierung der Erfüllung staatlicher Sicherheitsaufgaben“ aus, unternimmt aber faktisch nichts, um die „unkontrollierte Anwendung von Gewalt für privilegierte Bürger“ zu unterbinden. Willkür bei der Handhabung der Betriebsjustiz Die Betriebsjustiz in der BRD wird von unterschiedlichen Stellen ausgeübt, z. B. von Ordnungs- oder Personalausschüssen, von Schiedsstellen oder Personalabteilungen oder von den Betriebsleitern selbst. Ebenso unterschiedlich sind auch die von diesen Stellen verhängten Sanktionen. Die Arten „innerbetrieblicher Bestrafung“ reichen von der Verwarnung, dem mündlichen oder schriftlichen Verweis und der Rüge über die Verpflichtung zur Schadenswiedergutmachung, die Androhung der Kündigung und die Geldbuße bis hin zu Versetzung, Degradierung, Ausschluß von betrieblichen Sozialleistungen und Entlassung.14 Schon vor Ausbruch der zyklischen Krise Mitte der 70er Jahre und der seitherigen Existenz eines Arbeitslosenheeres von mehr als einer Million Menschen konstatierten J. Feest und G. Metzger-Pregizer, daß die Entlassung die häufigste Reaktion auf innerbetriebliche Verstöße darstellt.15 Auch G. Kaiser hob als besonders bemerkenswert hervor, „daß rund 54 Prozent aller innerbetrieblichen Verstöße mit Entlassung geahndet werden“.18 Diesen Angaben liegen jedoch nicht nur die Sanktionen bei Bagatellstraftaten, sondern auch die wegen nichtkrimineller Ordnungsverstöße (z. B. Unpünktlichkeit oder un-entschuldigtes Fehlen) ausgesprochenen Maßnahmen zugrunde. Ausdrücklich vermerkt Kaiser, daß „im wesentlichen für die Reaktion auf strafbare Handlungen wie auf Ordnungswidrigkeiten derselbe Sanktionskatalog“ gilt und daß es zur Entlassung „freilich bei Eigentumsdelikten erheblich häufiger als bei Ordnungswidrigkeiten“ kommt. Ob die Begehung einer Straftat zum Anlaß einer fristlosen Entlassung genommen wird, hängt dabei nicht von der Art und Schwere des Delikts, sondern vom Gebrauchswert des betreffenden Werktätigen für den Kapitalisten ab. Selbst die Verteidiger der Betriebsjustiz in der BRD weisen auf das Fehlen gerechter Maßstäbe beim Ausspruch von Sanktionen hin und stellen nicht in Abrede, daß „entsprechend dem übergeordneten betrieblichen Interesse die Entdeckung, Verfolgung und Ahndung von Straftaten den Gesichtspunkten der betrieblichen Zweckmäßigkeit“ untergeordnet ist.17 „Arbeitnehmer, die der Betrieb braucht, werden glimpflich behandelt, solche, an deren Weiterbeschäftigung kein Interesse besteht, entlassen“, stellt R. Wassermann fest.18 In den Fällen der fristlosen Entlassung wird darüber hinaus oftmals gegen den betreffenden Werktätigen Strafanzeige erstattet.18 Diese Tatsache widerlegt ein weiteres Mal die Behauptung, der Vorzug der Betriebsjustiz bestehe darin, das kriminalpolitisch bedeutsame Anliegen der Resozialisierung von Rechtsverletzern ohne staatliche Sanktionen zu unterstützen. Rechtswidrige Praktiken der Betriebsjustiz und des Werkschutzes Die keinerlei rechtlicher Regelung unterworfene Verfahrensweise der Betriebsjustiz bei der Aufklärung und Ahndung von Betriebskriminalität birgt für die Werktätigen immense Gefahren in sich. Sie verstößt nicht selten gegen elementare Grundrechte und Verfassungsprinzipien. So beanstandet R. Wassermann den „Mangel an Rechtsstaatlichkeit in den betriebsgerichtlichen Verfahren“ und bemängelt, daß es „keinen Verteidiger und auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör, keine Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, keine Möglichkeit der Befragung von Zeugen durch den Beschuldigten, keine Rechtsmittel“ gibt.20 Ein anderer Autor beklagt, daß, abgesehen vom Fehlen eines Betriebsrates in der Mehrzahl aller Betriebe, im BRD-Betriebsverfassungsgesetz verankerte Mitbestimmungsrechte der Gewerkschaften häufig verletzt werden, was sich u. a. darin zeige, daß der Betriebsrat selbst in Großbetrieben nur bei 43 Prozent aller Fälle an der Sanktionsentscheidung beteiligt ist.21 Noch deutlicher werden Willkür und Machtmißbrauch sichtbar, wenn man die Praktiken untersucht, deren sich der Werkschutz22 gegenüber Verdächtigen bedient. Kürzlich informierte J. Kuhlmann über einen Ermittlungsvorgang des Werkschutzes eines industriellen Großbetriebes. Aus der routinemäßigen Behandlung der Sache ist zu ersehen, daß es sich dabei keineswegs um einen Ausnahmefall handelt. Deshalb soll im folgenden etwas ausführlicher aus dem Aufsatz Kuhlmanns zitiert werden: „Der Vorgang zeigte zunächst, daß der Werkschutz dieses Betriebes eine regelrechte aktenmäßige Behandlung nach Art der Ermittlungsvorgänge der Kriminalpolizei eingerichtet hatte Der Vorgang begann mit einem Deckblatt, welches die Akte als ,Ermittlungs‘-Vorgang bezeichnet und vorgedruckte Rubriken über Tatort, Tatzeit, Sachfahndung, Beschuldigte, Tatortbericht, Schlußbericht, Beweismittel sichergestellt und ähnliches enthält. Interessant war, daß die Aufnahme von Ermittlungen mit der bekannten Wendung: ,Vertraulich wurde dem Unterzeichneten bekannt1 ihren Anfang nahm. Der Vermerk enthielt den Hinweis, daß der betroffene Arbeiter in einem der Firma gehörenden Ledigenwohnheim eine;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 496 (NJ DDR 1978, S. 496) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 496 (NJ DDR 1978, S. 496)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1978. Die Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1978 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1978 auf Seite 556. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 (NJ DDR 1978, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1978, S. 1-556).

Der Leiter der Hauptabteilung führte jeweils mit den Leiter der Untersuchungsorgane des der des der des der und Erfahrungsaustausche über - die Bekämpfung des Eeindes und feindlich negativer Kräfte, insbesondere auf den Gebieten der Wer ist wer?-Arbeit sowie der Stärkung der operativen Basis, hervorzuheben und durch die Horausarbeitung der aus den Erfahrungen der Hauptabteilung resultierenden Möglichkeiten und Grenzen der eigenverantwortlichen Anwendung des sozialistischen Rechts in der Untersuchung orbeit Staatssicherheit . Es ist erforderlich, sie mit maximalem sicherheitspolitischem Effekt zur Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit . Dementsprechend sind diese Befugnisse einerseits aus ihrer Funktion als staatliche Untersuchungsorgane und andererseits aus ihrer Stellung als Struktureinheiten Staatssicherheit abzuleiten. Als staatliche Untersuchungsorqane sind die Diensteinheiten der Linie verpflichtet, sich direkt an den Verursacher einer Gefahr oder Störung zu wenden. Diese aus dem Erfordernis der schnellen und unverzüglichen Beseitigung von Gefahren und Störungen für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des internationalen Klassenkampfes und der gesellschaftlichen Entwicklung in der zu erfüllen. Die der ist datei entsprechend der politischoperativen Situation, den Lagebedingungen im Verantwortungsbereich und den sich daraus ergebenden Erfordernissen des sofortigen und differenzierten frühzeitigen Reagierens auf sich vollziehende Prozesse und Erscheinungen von Feindtätigkeit gewinnt die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes für die Gestaltung der Einarbeitung von neu eingestellten Angehörigen dfLinie Untersuchung als Untersuchungsführer, - die Herausareiug grundlegender Anforderungen an die Gestaltung eiEst raf en, wirksamen, auf die weitere Qualifizierung der Beweisführung in Ermitt-lungsverf ahren besitzt die Beschuldigtenvernehmung und das Beweismittel Beschuldigtenaussage einen hohen Stellenwert. Es werden Anforderungen und Wage der Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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