Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1978, Seite 310

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 310 (NJ DDR 1978, S. 310); 310 Neue Justiz 7/78 Erfahrungen aus der Praxis Zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft Die sozialistische Gerechtigkeit fordert, daß jede Straftat aufgedeckt und jeder Schuldige zur Verantwortung gezogen wird. Sie gebietet aber zugleich, die Würde des Menschen strikt zu achten und seine Rechte nicht mehr einzuschränken, als dies zur ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens und damit zugleich im Interesse und zum Schutz der sozialistischen Gesellschaft, ihres Staates und seiner Bürger gesetzlich zulässig, notwendig und unumgänglich ist. Diese Grundsätze des sozialistischen Strafverfahrens werden verfassungsrechtlich garantiert und liegen den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozeßordnung zugrunde (Art. 4, 19 Abs. 2, 30 und 99 der Verfassung; Art. 4 StGB; §§ 3, 6 StPO). Ihre Verwirklichung gehört zu den in Art. 100 der Verfassung, in §§ 45, 49 GVG sowie in § 3 StPO enthaltenen Grundpflichten des Richters. Zur Gewährleistung der Aufgaben des Strafverfahrens können Eingriffe in die persönlichen Rechte von Bürgern notwendig werden. In der Strafprozeßordnung sind zu diesem Zweck prozessuale Sicherungsmaßnahmen vorgesehen, zu denen neben der Untersuchungshaft u. a. die vorläufige Festnahme, die besondere Aufsicht Erziehungsberechtigter, die Vorführung Beschuldigter und Angeklagter, die Zuführung Verdächtiger sowie die Durchsuchung und Beschlagnahme gehören. Diese strafprozessualen Sicherungsmaßnahmen können aber nur dann und nur so lange angewendet werden, wie sie zur Durchführung des Strafverfahrens unbedingt erforderlich sind. Die Mitarbeiter des Untersuchungsorgans, die Staatsanwälte und die Richter sind im Rahmen ihrer spezifischen Verantwortung verpflichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen der im Strafverfahren erforderlich werdenden Beschränkungen der Freiheit und ihre Notwendigkeit für die Durchführung des Strafverfahrens jederzeit zu prüfen (§3 StPO). Im Interesse der Rechtssicherheit und der Wahrung der Rechte der Bürger ist genau geregelt, welche strafprozessualen Sicherungsmaßnahmen zulässig sind und welche Voraussetzungen für ihre Anordnung vorliegen müssen. Sicherungsmaßnahmen dürfen nur dann angewendet werden, wenn sie zur Erreichung des Verfahrenszwecks unumgänglich sind. Dabei ist stets der weniger schwerwiegenden Maßnahme gegenüber einer schwerwiegenderen der Vorrang zu geben, wenn damit der Zweck des Verfahrens gleichermaßen gewährleistet bleibt. Die Untersuchungshaft ist die schwerwiegendste prozessuale Sicherungsmaßnahme. Sie ist mit der Unterbringung in einer Untersuchungshaftanstalt und mit wesentlichen Beschränkungen verbunden, kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und bewirkt immer einen tiefen Eingriff in das Leben des Beschuldigten bzw. Angeklagten. Sie hat auch beachtliche Auswirkungen auf die Familie und das Arbeitskollektiv. Der sozialistische Staat ist aus seinem humanistischen Wesen heraus daran interessiert, daß die richterliche Anordnung der Untersuchungshaft auf die relativ geringe Zahl der unumgänglichen Fälle beschränkt wird und daß die Untersuchungshaft auch nur so lange andauert, wie dies zur Durchführung des Strafverfahrens unbedingt notwendig ist (Art. 4, 19 Abs. 2, 40, 99 und 100 der Verfassung; §§ 3, 6 Abs. 3 und 123 StPO). Mit den Strafrechtsänderungsgesetzen vom 19. Dezember 1974 (GBL I Nr. 64 S. 597) wurden auch die Bestimmungen über die Untersuchungshaft im Interesse der weiteren Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Erhöhung der Rechtssicherheit weiterentwickelt. Im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 123 StPO hat das Bezirksgericht Leipzig die Praxis der Gerichte im Bezirk im Verlaufe der letzten Jahre untersucht und ausgewertet. Wie die Gerichte die Voraussetzungen der Untersuchungshaft gemäß §§ 122 und 123 StPO in den Strafverfahren angewendet haben, soll im folgenden dargelegt werden. Zur zusammenhängenden Prüfung der Haftvoraussetzungen Aus der Regelung des § 123 StPO ergibt sich eindeutig, daß das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und eines oder mehrerer Haftgründe gemäß § 122 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 StPO allein das Gericht noch nicht berechtigt, einen Haftbefehl zu erlassen oder die Untersuchungshaft aufrechtzuerhalten. Erst die zusammenhängende Prüfung der in § 122 und § 123 StPO genannten Haftvoraussetzungen ermöglicht eine richtige Entscheidung über die Anordnung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft. Bei seiner Entscheidung muß der Richter verantwortungsbewußt anhand aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beschuldigten bzw. Angeklagten, seines Gesundheitszustandes, des Alters und der Familienverhältnisse prüfen, ob diese prozessuale Zwangsmaßnahme, die tief in das Leben des Menschen eingreift, zur Durchführung des Strafverfahrens unumgänglich ist. Bei der Entscheidung über das Vorliegen von Haftgründen nach § 122 StPO und über die Unumgänglichkeit der Untersuchungshaft muß die Tatschwere zu den Umständen aus dem Persönlichkeitsbereich des Täters in ein richtiges Verhältnis gesetzt werden. Erfordern im Einzelfall Charakter, Motive, Begehungsweise und gesellschaftliche Auswirkungen der dem Be-schudigten zur Last gelegten Tat eine unverzügliche und nachdrückliche Disziplinierung des Täters durch eine Strafe mit Freiheitsentzug (wie das oft bei Rowdytum der Fall ist), dann ist zwar der Haftgrund der Haftstrafe gemäß § 122 Abs. 1 Ziff. 4 StPO gegeben, die Untersuchungshaft aber mitunter nicht unumgänglich, wenn z. B. der Beschuldigte aus Einsicht und Reue besondere Anstrengungen zur Wiedergutmachung des mit der Straftat verursachten Schadens unternommen hat und die Tatschwere einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht. Ein weiterer vom Richter zu beachtender Gesichtspunkt, der der Unumgänglichkeit der Untersuchungshaft entgegenstehen kann, ist z. B. der Gesundheitszustand des Beschuldigten und die sich daraus ergebenden notwendigen medizinischen Maßnahmen. So wurde gegen einen Beschuldigten, dem Verletzung seiner Unterhaltspflichten und andere Straftaten zur Last gelegt wurden, trotz Vor-liegens von Haftgründen gemäß § 122 StPO kein Haftbefehl erlassen, weil in der richterlichen Vernehmung bekannt wurde, daß sich der Beschuldigte einer dringlichen Operation unterziehen mußte. Prüfung der Unumgänglichkeit bei Wiederholungsgefahr Auch beim Vorliegen der Wiederholungsgefahr i. S. des § 122 Abs. 1 Ziff. 3 StPO ist unter Berücksichtigung der Tatschwere im Zusammenhang mit der Beachtung z. B. der familiären Situation eine Inhaftierung nicht in jedem Falle unumgänglich. So lagen z. B. gegen einen einschlägig vorbestraften Beschuldigten dringende Verdachtsgründe vor, in zwei Fällen wiederum Mopeds unbefugt benutzt zu haben (§ 201 StGB). In seiner Haftvernehmung legte der Beschuldigte dar, daß seine Ehefrau zur Zeit in keinem Arbeitsrechtsverhältnis steht, weil sie für zwei Kleinkinder zu sorgen hat und im 6. Monat;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 310 (NJ DDR 1978, S. 310) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 310 (NJ DDR 1978, S. 310)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1978. Die Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1978 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1978 auf Seite 556. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 (NJ DDR 1978, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1978, S. 1-556).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Damit die Hausordnung den in der Forschungsarbeit nachgewieeenen höheren gegenwärtigen und perspektivischen Erfordernissen an die Untersuchungshaft Staatssicherheit zur Gewähr leistung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen. Daraus ergeben sich hohe Anforderangen an gegenwärtige und künftige Aufgabenrealisierung durch den Arbeitsgruppenloiter im politisch-operativen Untersuchungshaftvollzug. Es ist deshalb ein Grunderfordernis in der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der vorab erwähnten Tendenz der Kompetenzverschiebungen zugunsten des Polizeiapparates und zugunsten der Vorerhebungen im System der Strafverfolgung. Zusammenfassend läßt sich resümieren: daß den Polizeibehörden der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ausgelöst und vertieft. Im Ergebnis dieses Prozesses kam es bei den von den Autoren- untersuchten rar täte vielfach zur.

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