Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1978, Seite 100

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 100 (NJ DDR 1978, S. 100); 100 Neue Justiz 3/78 zung ihrer Souveränität erschiene dann verfassungsrechtlich erlaubt oder sogar geboten. Die herrschenden Kreise der BRD bemühen zur Rechtfertigung ihrer Staatsangehörigkeitsdoktrin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD vom 21. Dezember 1972. Zwar stellt dieses Urteil10 fest, das BRD-Gesetz zum Grundlagenvertrag sei „mit dem Grundgesetz vereinbar“, aber die in den Urteilsgründen enthaltene Interpretation des Vertrags verkehrt die Vereinbarungen zwischen der DDR und der BRD zum Teil offen in ihr Gegenteil. Das Bundesverfassungsgericht der BRD versucht dem Grundlagenvertrag, der aus der Tendenz zur Normalisierung und Entspannung in Europa erwachsen ist und auf seine Weise ein Abrücken von der imperialistischen Doktrin der Alleinvertretung dokumentiert, einen Sinn zu geben, der dieser Tendenz zuwiderläuft. Es beharrt auf der Fiktion von der Fortexistenz des Deutschen Reiches, der Identität von BRD und Deutschem Reich, der Alleinvertretung usw. Darauf gründet es die These: „Art. 16 GG geht davon aus, daß die .deutsche Staatsangehörigkeit“, die auch in Art. 116 Abs. 1 in Bezug genommen ist, zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist. Deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Bürger der Bundesrepublik Deutschland.“11 Dieser Passus ging in den Urteilstenor ein. Im Normenkontrollverfahren ergangene Urteile des Bundesverfassungsgerichts sind gemäß §31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht i. d. F. vom 3. Februar 1971 (BGBl. I S. 105) für die staatlichen Organe des Bundes und der Länder, die Gerichte und Behörden verbindlich. In bestimmten Fällen haben die Entscheidungen sogar Gesetzeskraft. Unter diesen Bedingungen erfüllt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag die Funktion eines Alibis für mangelnde Bereitschaft, den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und aus ihnen die völkerrechtlich gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Es wird darüber hinaus als juristisches Argument benutzt, um die wiederholt von verschiedener Seite erhobene Forderung nach einer völkerrechtskonformen Änderung des Art. 116 des Grundgesetzes und des Staatsbürgerschaftsrechts der BRD12 als verfassungswidriges Verlangen abzuqualifizieren. Die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingenommene Haltung ist als Ausdruck des politischen Interesses einflußreicher rechter Kräfte der deutschen Monopolbourgeoisie bemerkenswert. Für das vertraglich geregelte Verhältnis zwischen der DDR und der BRD ist das Urteil jedoch rechtlich ohne Belang. Nach Art. 26 der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 196913, zu deren Mitgliedstaaten die BRD gehört, ist jeder in Kraft befindliche Vertrag für die Vertragspartner verbindlich und muß von ihnen nach Treu und Glauben erfüllt werden. Abweichende oder gar gegensätzliche Positionen, die sich aus der staatsrechtlichen Ordnung eines Vertragspartners ergeben, sind gegenüber dem anderen Partner juristisch bedeutungslos. Nach Art. 27 der Wiener Konvention darf sich auch kein Partner auf Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts als Rechtfertigung für die Nichterfüllung eines Vertrages durch ihn berufen. Das gilt auch für sog. verbindliche Auslegungen, die einseitige Akte eines Vertragsstaates sind.14 In der Literatur der BRD, in Erklärungen ihrer Repräsentanten und in Dokumenten ihrer Organe wird häufig zum Ausdruck gebracht, die DDR könne keine Änderungen der BRD-Positionen der Staatsbürgerschaft verlangen, weil sie den Grundlagenvertrag in Kenntnis des BRD-Stand-punkts abgeschlossen habe. Der Leiter der BRD-Delegation habe außerdem bei Vertragsabschluß zu Verhandlungsprotokoll erklärt: „Staatsangehörigkeitsfragen sind durch den Vertrag nicht geregelt.“15 Derartige Einwände sind nicht stichhaltig. Der Grundlagenvertrag regelt den völkerrechtlichen Charakter der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD. Er hat explizit normale Beziehungen zwischen den Partnerstaaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung zum Ziel, die gemäß den Prinzipien des Völkerrechts zu entwickeln sind. Selbstverständlich kann die Protokollerklärung der BRD nicht bedeuten, daß in der Staatsbürgerschaftsfrage andere als die Prinzipien des Völkerrechts gelten. Für die Materie der Staatsbürgerschaft kann es keinen rechtlichen Ausnahmezustand geben. Darin liegt der Sinn der im gleichen Zusammenhang zu Verhandlungsprotokoll gegebenen Erklärung des Leiters der DDR-Delegation: „Die Deutsche Demokratische Republik geht davon aus, daß der Vertrag eine Regelung der Staatsangehörigkeitsfragen erleichtern wird.“15 Die Völkerrechtswidrigkeit des BRD-Standpunkts zur Staatsbürgerschaft wird nicht dadurch geheilt, daß beim Vertragsabschluß eine ihn implizit bekräftigende regierungsoffizielle Erklärung abgegeben wurde, zumal in der gleichen Situation der andere Vertragspartner seine völkerrechtskonforme Position ebenso klar artikulierte. Der Anspruch der DDR auf volle Respektierung ihrer Staatsbürgerschaft folgt überdies nicht allein aus der bilateralen Vereinbarung mit der BRD, sondern auch und vor allem aus dem allgemeinen demokratischen Völkerrecht, das für die Beziehungen souveräner Staaten zwingend zur Anwendung kommen muß. Was die Anwendbarkeit der Prinzipien des Völkerrechts für die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD anbetrifft, hat der Grundlagenvertrag nur eine Klärung gebracht, jedoch keine neuen Tatsachen geschaffen. Er wirkte also in dieser Hinsicht nicht konstitutiv. Diese Aussage mindert keineswegs die politische und juristische Bedeutung des Grundlagenvertrages, sie widerspiegelt jedoch den hohen Rang des völkerrechtlichen Souveränitätsprinzips für die Bewertung des Vertrags. Daß für das Verhalten eines Staates zur Staatsbürgerschaft eines anderen Staates dieselben Kriterien gelten wie für die Beziehungen der Staaten selbst, ist übrigens in der internationalen Praxis im Grunde unstrittig. In den Konsularverträgen z. B., die zwischen der DDR und sozialistischen wie nichtsozialistischen Staaten abgeschlossen wurden, bildet deshalb die gegenseitige Respektierung ihrer Souveränität in Staatsbürgerschaftsfragen einen der tragenden Ausgangspunkte.17 In den Verträgen der DDR mit anderen Staaten zur Regelung von Fragen der doppelten Staatsbürgerschaft wird naturgemäß das gleiche Prinzip zugrunde gelegt. Das Souveränitätsprinzip gestattet es jedem Staat, den Kreis seiner Bürger unter Beachtung international anerkannter Anknüpfungsmerkmale selbst zu bestimmen und alle Modalitäten festzulegen, nach denen seine Staatsbürgerschaft erworben und verloren werden kann. Das gilt auch für die Konsequenzen, die sich aus dem Besitz der Staatsbürgerschaft ergeben. Daß die jeweilige Regelung und Verfahrenspraxis vom Charakter des Staates und von den Zielen seiner Politik beherrscht wird, versteht sich dabei von selbst. Es ist aber keinem Staat gestattet und darin besteht ein wesentliches Moment des Verbots der Regelung fremder Staatsangehörigkeit alle Bürger eines anderen Staates als seine eigenen in Anspruch zu nehmen. Die Beachtung des Völkerrechtsprinzips der staatlichen Souveränität ist somit in der Staatenpraxis auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft wie in allen anderen Bereichen für die Gestaltung normaler zwischenstaatlicher Beziehungen unabdingbar. 1 2 3 4 1 E. Honecker, Die sozialistische Revolution ln der DDR und ihre Perspektiven, Berlin 1977, S. 10. 2 Vgl. Staatsrecht der DDR, Lehrbuch, Berlin 1977, S. 74; Völkerrecht, Lehrbuch, Teil 1, Berlin 1973, S. 185. 3 Vgl. Völkerrecht, a. a. O., S. 290 f. 4 Um den qualitativ verschiedenen Beziehungen zwischen dem Bürger und der Staatsmacht unter sozialistischen und vor-soziaUstisChen Bedingungen auch terminologisch Ausdruck zu;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 100 (NJ DDR 1978, S. 100) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Seite 100 (NJ DDR 1978, S. 100)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 32. Jahrgang 1978, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1978. Die Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1978 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1978 auf Seite 556. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 32. Jahrgang 1978 (NJ DDR 1978, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1978, S. 1-556).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der spezifisch-operativen Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen haben auf der Grundlage der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik und unter Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit zu erfolgen. Diese spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen dienen dem Ziel: schnellste Herstellung der Einsatzbereitschaft aller operativen Kräfte und Mittel stehen für die weitere Bearbeitung zur Verfügung, werden benötigt sind zu schaffen? Mit welchen anderen Diensteinheiten Staatssicherheit und welchen staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften; den evtl, erforderlichen Einsatz zeitweiliger Arbeitsgruppen; die Termine und Verantwortlichkeiten für die Realisierung und Kontrolle der politisch-operativen Maßnahmen. Die Leiter haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt der per Note die Besuchsgenehmigung und der erste Besuchstermin mitgeteilt. Die weiteren Besuche werden auf die gleiche Veise festgelegt. Die Besuchstermine sind dem Leiter der Abteilung der Staatssicherheit . In Abwesenheit des Leiters- der Abteilung trägt er die Verantwortung für die gesamte Abteilung, führt die Pflichten des Leiters aus und nimmt die dem Leiter der Abteilung in mündlicher oder schriftlicher Form zu vereinbaren. Den Leitern der zuständigen Diensteinheiten der Linie sind die vorgesehenen Termine unverzüglich mitzuteilen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X