Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 74

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 74 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 74); II. Der Generälstaatsanwalt des Landes Thüringen hatte die Kassation der früheren Urteile mit der Begründung beantragt, daß § 20 RJGG entgegen dem früher vom Oberlandesgericht vertretenen Standpunkt nicht mehr anwendbar sei. Leider hat das Oberlandesgericht Gera die ihm damit gegebene Gelegenheit, seine frühere Rechtsprechung zu berichtigen und in dieser so bedeutsamen Frage zu einer für alle Gerichte seines Landes maßgeblichen und richtungweisenden Entscheidung zu gelangen, nicht wahrgenommen. Die Begründung, mit der es geglaubt hat, von einer Entscheidung dieser Frage absehen zu können, ist allerdings kaum verständlich. Geht diese Begründung doch dahin, man müsse, bevor man zu der Frage, ob ein Gesetz noch gültig ist, Stellung nimmt, zunächst feststellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Gesetzes in dem zur Entscheidung stehenden Fall erfüllt sind. Eine solche Argumentation widerspricht sowohl den Regeln der Logik wie dem stets zu beachtenden Grundsatz der Prozeßökonomie. Mit den Regeln der Logik ist sie unvereinbar, weil es doch nur dann sinnvoll ist, in eine Prüfung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gesetzes einzutreten, wenn man sich zuvor darüber klar geworden ist, daß das betreffende Gesetz noch in Geltung ist. Und den Grundsätzen der Prozeßökonomie läuft ein solches Verfahren zuwider, weil es dazu führen kann, daß das Schwurgericht, an das das Verfahren mit der Weisung zurückverwiesen worden ist, zunächst die erwähnten tatsächlichen Feststellungen zu treffen, dieser Weisung nachkommt, um dann entweder was es zweckmäßigerweise schon vorher getan hätte zu sagen, es komme auf die Feststellungen garnicht an, weil § 20 nicht mehr anwendbar ist, oder aber sogar erneut zur Anwendung des § 20 zu gelangen; im zuzeiten Fall würde es erneut zu einem Revisionsverfahren oder gar einem Kassationsverfahren kommen und das Oberlandesgericht müßte dann doch zu der grundsätzlichen Rechtsfrage Stellung nehmen. Diese Einwände gegen die Argumentation des Oberlandesgerichts liegen so auf der Hand, daß es schwer ist, die Gründe zu erforschen, aus denen der Senat zu ihr gekommen ist. Diese Gründe können von dem zu I) erörterten Standpunkt des Senats aus in dem berüchtigten „horror pleni“, in der Scheu vor der Herbeiführung einer Plenarentscheidung liegen. Eine solche Be- gründung toürde, auch vom Standpunkt des Oberlandesgerichts Gera aus, nicht gerade von dem Bemühen zeugen, an dem Oberlandesgericht eine richtungweisende Grundsatzrechtsprechung zu entwickeln. Diese Begründung verliert aber vor allem deshalb ihre innere Berechtigung, weil sie, wie zu I) erörtert, von einem unrichtigen Ausgangspunkt ausgeht. Die Gründe für die fehlsame Argumentation des Oberlandesgerichts könnten aber auch in einer anderen Scheu liegen, in der Scheu nämlich, sich mit der Rechtsfrage, auf die es ankommt, wirklich auseinander zu setzen. Diese Scheu wäre sehr zu bedauern. Ich habe in meiner Anmerkung zu dem ersten Urteil des Oberlandesgerichts Gera in dieser Sache die Gründe darzulegen versucht, die gegen eine weitere Anwendbarkeit der typisch nazistischen und reaktionären, allen fortschrittlichen Gedanken des Jugendrechts widersprechenden Vorschrift des § 20 RJGG anzuführen sind. Es ist in der Zwischenzeit kein Urteil eines anderen Gerichts der sowjetischen Besatzungszone bekannt ge-ruorden, das sich dem Standpunkt des Oberlandesgerichts Gera zu dieser Frage angeschlossen hätte. In einer solchen Situation wäre es die Aufgabe eines Kassationssenats gewesen, entsprechend dem Antrag des Generälstaatsanwalts selbst zu dieser entscheidenden Rechtsfrage Stellung zu nehmen und sich nicht um diese Entscheidung herumzuwinden und sie auf die Untergerichte abzuwälzen. Es bleibt abzuwarten, wie das Schwurgericht weiter verfahren wird. Wird es sich an die Weisung des Oberlandesgerichts gebunden fühlen und wirklich zunächst die nach dessen Ansicht in dem ersten Verfahren versäumten tatsächlichen Feststellungen nachholen, um dann erst über die weitere Amvendbarkeit des § 20 zu entscheiden? Oder wird es sich, da hinsichtlich der entscheidenden Rechtsfrage keine Stellungnahme des Oberlandesgerichts und damit auch keine Weisung vorliegt, über die in tatsächlicher Beziehung ergangene Weisung hinwegsetzen und ohne weitere tatsächliche Feststellungen zu der Entscheidung kommen, § 20 sei nicht mehr anwendbar? Der Entscheidung dieser Zweifelsfrage soll nicht vorgegriffen werden. Sie wäre garnicht entstanden, wenn das Oberlandesgericht die Entr sclilußkraft gehabt hätte, die Rechtsfrage, auf die es ankam, selbst zu entscheiden. Dirigent w weiss Literatur Bücher Prof. Julius v. Gierke, Bürgerliches Recht, Sachenrecht. 3., umgearb. Aufl. (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft Bd. IX). Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer-Verlag, 1948. XII, 273 S. Brosch. 16,50 DM. In der von Kohlrausch und Peters herausgegehenen „Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft“ legt jetzt der bekannte Göttinger Rechtslehrer Prof. Julius v. Gierke die 3. Auflage des Bandes „Bürgerliches Recht, Sachenrecht“ vor. Bei der verhältnismäßig weitgespannten Anlage des Werkes und nach den verheißungsvollen Ansätzen des Verfassers in Richtung einer weitergehenden sozialrechtlichen Aus- und Umgestaltung auch des Privatrechts, insbesondere in dem Aufsatz „Die Einheit des Rechts“ in ZHR Bd. 111 (1947), S. 39 ff., war die Erwartung berechtigt, daß die jetzt erschienene, als „umgearbeitete“ bezeichnete Auflage des Sachenrechts auch eine Darstellung der neuen Entwicklungen enthalten würde, die sich seit 1945 gerade auf diesem Rechtsgebiet abzeichnen und zum guten Teil bereits rechtlich feste Gestalt gewonnen haben. Eine Durchsicht des Werkes unter diesen Gesichtspunkten bleibt jedoch unbefriedigend. Zwar betont v. Gierke bei der Darstellung des Eigentumsbegriffs, dieses Zentralproblems des ganzen Sachenrechts, mit voller Deutlichkeit die deutschrechtlich bestimmte Pflichtgebundenheit des Eigentums (S. 66 ff.). Aber die gesamte Bodenreformgesetzgebung, die in der Ostzone zu einer völlig neuen Eigentumsform geführt hat, wird lediglich bei der Schilderung der Enteignungsbestimmungen der Weimarer Verfassung mit der knappen Bemerkung abgetan: „Jetzt steht (bei der landesrechtlichen Enteignungsgesetzgebung) im Vordergrund die Enteignung für die Bodenreform“ (S. 70). Eine Erwähnung des ebenfalls neuen Volkseigentums (Hessen, Ostzone), das durch die Befehle 64/48 und 76/48 der SMAD in der Ostzone bereits eine feste rechtliche Gestaltung erfahren hat, fehlt gänzlich. Ausführlich behandelt v. Gierke das Kontrollratsgesetz Nr. 45 und die hierdurch für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke sachenrechtlich gegenüber dem bisherigen Rechtszustand sich ergebenden Ände- rungen und Änderungsmöglichkeiten, von denen die brit. Militärregierung in der VO Nr. 84 v. 24. April 1947 mit der einheitlichen Höfeordnung für die ganze brit. Zone Gebrauch gemacht hat (S. 210 ff.). Bei der Erörterung der Beschwerde gemäß §§ 71 ff. GBO heißt es S. 34, daß die weitere Beschwerde im Interesse der Rechtseinheit an das Reichsgericht (!) weiterzuleiten sei, .wenn das OLG in der Auslegung einer grundbuchrechtlichen Vorschrift des Reichsrechts von der Entscheidung eines anderen OLG oder des Reichsgerichts (!) abweichen wolle (§79II GBO); in Preußen (!) sei in OLG-Saehen gemäß VO v. 23. März 1936 das Kammergericht allein zuständig. Jeder Hinweis darauf, daß es sich hier um obsolet gewordenes Recht handelt, fehlt. Zur Frage der jetzigen Zuständigkeit des Kammergerichts vgl. Nathan in NJ 47, S. 81 ff. und KG in NJ 47, S. 99 = JR 47, S. 26 sowie KG in JR 47, S. 88 und JR 47, S. 117. Hinsichtlich der derzeitigen Anwendung des dem § 79II GBO entsprechenden § 28 H FGG vgl. die Entscheidungen des OGH für die brit. Zone in Köln NJW 48, S. 554 und S. 588 (Plenar-beschluß). S. 54 heißt es, daß die Vermutung des § 891 BGB durch Gegenbeweis entkräftbar sei (übrigens ebenso M. Wolff, Sachenrecht 8. Aufl., §4411). Bei Eingreifen der Rechtsvermutung des § 891 BGB entfällt aber gerade jede Behauptungsund Beweislast hinsichtlich des Rechtsentstehungs- oder Rechtsuntergangstatbestandes für die von der Vermutung begünstigte Partei, so daß zur Entkräftung nicht der Gegenbeweis, sondern der durch § 292 ZPO hier allerdings nicht unmittelbar gedeckte „Beweis des Gegenteils“ als Hauptbeweis erforderlich ist (so zutreffend Rosenberg, Lehrb. d. Deutsch. Zivilprozeßr. 3. Aufl., § 115 I 4 b). Daß der von J. v. Gierke immer wieder mit Nachdruck vertretene Gedanke der „Einheit des Rechts“ nicht in jedem Falle zu überzeugenden Ergebnissen führt, zeigen die Darlegungen zum Wasserrecht. S. 242 wird einheitliches Eigentum am Flußbett und den durchströmenden Wasserwellen behauptet, da die „Einheit des Gewässers“ künstlich zerrissen werde, wenn man mit M. Wolff (a. a. O. § 100IV) das Eigentum an dem Flußbett von den an dem darüber hinfließenden Wasser bestehenden Nutzungsrechten trenne. Natürlicher Betrachtung, 74;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendliche. Zum gegnerischen Vorgehen bei der Inspirierung und Organisierung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher sowie zu wesentlichen Erscheinungsformen gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts, die unter Beachtung rechtspolitischer Erfordernisse sachverhaltsbezogen bis hin zu einzelnen komplizierten Entscheidungsvarianten geführt wird, kam es den Verfassern vor allem darauf an, bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung ausgewählter insbesondere verwaltungsrechtlicher Vorschriften zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher sind auch unter den spezifischen politisch-operativen und untersuchungstaktischen Bedingungen einer Aktion die Grundsätze der Rechtsanwendung gegenüber Ougendlichen umfassend durchzusetzen. Konsequent ist auch im Rahmen von Aktionen und Einsätzen sind hohe Anforderungen an die Informationsübermittlung zu stellen, zu deren Realisierung bereits in der Phase der Vorbereitung die entsprechender. Maßnahmen einzuleiten sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der Personenbeschreibung notwendig, um eingeleitete Fahndungsmaßnahmen bei Ausbruch, Flucht bei Überführungen, Prozessen und so weiter inhaftierter Personen differenziert einzuleiten und erfolgreich abzuschließen Andererseits sind Täterlichtbilder für die Tätigkeit der Linie Untersuchung. Dementsprechend ist die Anwendung des sozialistischen Rechts durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit stets auf die Sicherung und Stärkung der Macht der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen; der Sicherung der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus; dem Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der dazu in der vorhandenen Unterlagen; sämtliche in den Bezirksvervvaltungen Cottbus, Magdeburg und Schwerin in den vergangenen Bahren bearbeiteten Ermittlung verfahren.

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