Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 70

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 70 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 70); Es ist zwar zutreffend, wenn das Schwurgericht ausführt, zwischen dem Angeklagten und seiner Stiefmutter habe ein gewisses Vertrauensverhältnis bestanden. Das beruhte einmal auf dem täglichen, sich ohne sichtbaren Haß abspielenden persönlichen Umgang und vor allem darauf, daß beide Personen in enger Hausgemeinschaft lebten. Es muß dem Schwurgericht weiterhin gefolgt werden, wenn es dieseUmstände für mitbestimmend dafür erachtet, daß die Stiefmutter die Tür ihrer Schlafkammer unverschlossen ließ und somit zum Ausdruck brachte, daß sie vom Angeklagten und dessen Vater nichts Böses erwarte. Der Angeklagte hat aber dieses ihm insoweit entgegengebrachte Vertrauen bei der Begehung seiner Tat nicht arglistig mißbraucht, sondern er hat einfach die ihm bekannte, ohne sein Zutun entstandene Gepflogenheit, daß die Stiefmutter die Tür unverschlossen hielt, in den Plan zur Begehung seiner Tat einbezogen und verwertet. Das aber ist noch nicht als tückisch im Sinne der Wortverbindung „heimtückisch“ anzusehen. Anm.: Vgl. zu dieser Entscheidung den Aufsatz von L e di g , S. 57 ff. dieses Heftes. D. Red. KRG Nr. 50, Befehl Nr. 160 der SM AD, § 1 KWVO. Über die Voraussetzungen für die Anwendung der schwersten wirtschaftsstrafrechtlichen Vorschriften (KRG Nr. 50 und Befehl Nr. 160). Offenbare und gröblich der Gerechtigkeit widersprechende Fehler bei der Strafzumessung als Revisionsgrund. OLG Gera, Urteil vom 28. Dezember 1948 3 Ss 552/48. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind in materieller Hinsicht, auch abgesehen von der allgemeinen Rüge gröblicher Verletzung der Gerechtigkeit bei der Strafzumessung, zum Teil bereits wegen anderer rechtlicher Verstöße begründet. Vor allem ist nach Ansicht des Senats die strafrechtliche Bewertung der Taten der Angeklagten W. und A. nur nach den vom Landgericht angezogenen Strafbestimmungen unzureichend. Die W. hat mehrere Jahre hindurch im Emährungsamt Lebensmittelmarken in dem im Urteil im einzelnen festgelegten, geradezu ungeheuerlichen Umfang (darunter allein im Betrage von etwa 6 Zentnern Zucker und etwa 6000 Litern Voll- und Magermilch), entwendet und nochmals in den Verkehr gebracht. Das ist gerade für die Versorgung der Kinder mit diesem für die menschliche Ernährung wertvollsten Nahrungsmittel, wenn man berücksichtigt, daß z. B. einem über fünf Jahre alten Kind kein Tropfen Vollmilch mehr zugeteilt werden kann, noch dazu bei einer Angestellten, deren Aufgabe es ist, für die Sicherstellung der Ernährung mit zu sorgen, nicht allein Wirtschaftsverbrechen im allgemeinen Sinn, sondern in erster Linie als eine auf den Abbruch der wirtschaftlichen und demokratischen Aufbaumaßnahmen gerichtete Tätigkeit zu beurteilen, so daß nicht nur das schwere Kontrollratsgesetz Nr. 50, sondern darüber hinaus der eine noch höhere Bestrafung androhende Befehl Nr. 160 der SMAD vom 3. Dezember 1945 zur Anwendung zu bringen war. Schon weil das Urteil diese Gesetzesvorschrift nicht berücksichtigt hat, war es deshalb mit den tatsächlichen Feststellungen, obwohl diese an und für sich erschöpfend erscheinen, aufzuheben. Denn zur Anwendung dieses Befehls bedarf es allerdings außerdem noch der Feststellung des erforderlichen Vorsatzes. Das Landgericht wird außerdem noch den Gesichtspunkt des Diebstahls entsprechend dem Eröffnungs-beschlusse zu berücksichtigen haben. Diesem schwersten der Anklagefälle stellt der Senat aus denselben Erwägungen den der Angeklagten A. zur Seite. War sie auch nicht Angestellte des Emäh-rungsamts, bei denen das Verbrecherische ihres Tuns besonders schwer wiegt, so trifft sie doch als Inhaberin eines Lebensmittel-, vor allem Milchverteilergeschäfts ebenfalls ein besonders hohes Maß von Schuld. Bei ihr allein handelt es sich um etwa 4000 Liter entwendeter Voll- und Magermilch, wobei sich übrigens daraus, daß sie hiervon der W. 1000 Liter Vollmilch mehr abgegeben als sie von ihr an Marken erhalten haben will, die Unzulänglichkeit auch noch ihres Geständnisses ergibt. Wenn der Mißbrauch der ihrer Obhut anvertrauten Lebensmittel bei einer Lebensmittelhändlerin einen derartigen Umfang annimmt, so ist nach Auffassung des Senats auch ihr Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer auf den Abbruch der wirtschaftlichen Maßnahmen gerichteten Tätigkeit, also eines Verbrechens nach Befehl Nr. 160, zu beurteilen. Auch der Freispruch der beiden Angeklagten B. läßt eine irrige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts erkennen. Wesentlich für die Strafbarkeit ist davon vor allem, daß der Ehemann B. die anfänglichen 100 und dann weiteren 200 kg Brotmarken, die seine Frau von der H. erhalten hatte, ohne daß dafür irgendeine Gegenleistung gefordert oder geboten wurde, bei seiner Abrechnung mit verwendete. Damit ist der Tatbestand des Gesetzes Nr. 50 bereits erfüllt. Die Ausführung des Landgerichts, daß B. ohne Verschulden habe der Meinung sein können, die H. habe diese 300 kg Brotmarken übrig und benötige sie nicht, und daß er nicht der Annahme sein konnte, daß die H. sie auf strafbare Weise erlangt hätte, verstößt gegen die allgemeinen Denk- und Erfahrungsgesetze. Es ist wohl denkbar, daß ein Bäckermeister bei seiner Abrechnung eine kleine Markenmenge überzählig hat und sich vielleicht bereitfindet, sie einem Kollegen zu überlassen, nicht aber, daß die Inhaberin einer Lebensmittelfiliale mit nur geringem Brotumsatz ohne eigenen Backbetrieb, also ohne die Möglichkeit, etwa durch günstige Mehlausbeute ein Plus herauszuwirtschaften, ohne weiteres auf einmal sechs Zentner Brotmarken unentgeltlich abzugeben in der Lage sein kann, ohne daß sie darum gebeten wurde, ja ohne daß der Fehlbetrag (im 2. Fall) überhaupt nochmals zur Sprache kam. Vielmehr mußten die Angeklagten bei Hereinnahme der Marken sich darüber klar sein, daß, wer auf diese Weise derartige Werte abgibt, sie nur auf unreelle Art erworben haben konnte. Der Angeklagte hat also unter Beihilfe seiner Frau durch die Annahme der Marken und deren Verwertung bei der Abrechnung von Urkunden, die sich auf die Zwangsbewirtschaftung beziehen, in einem sehr schwerwiegenden, strenge Bestrafung erfordernden Umfang widerrechtlich Gebrauch gemacht und zwar auch deshalb, weil an sich schon die Marken von ihm im regulären Geschäftsgang überhaupt nicht vereinnahmt, und daher im Sinne des Gesetzes Nr. 50 widerrechtlich erworben waren, was trotz des angeblichen Handwerksbrauchs allenfalls in kleinstem, unmöglich aber in einem derartigen Umfang mit unzweideutigen Merkmalen des Wirtschaftsverbrechens statthaft sein kann. Weiter liegt auch ein Beiseiteschaffen von bewirtschafteten Erzeugnissen bzw. von Bescheinigungen hierüber im Sinne des § 1 KWVO vor, und schließlich ist auch gegen das Gesetz zum Schutze der Volksernährung verstoßen, da dessen Tatbestand bereits mit dem Eintritt der Gefährdung, also ohne daß ein Fehlbestand festgestellt zu werden braucht, erfüllt ist, wobei insoweit die Bedenken des Urteils bezüglich des Vorsatzes sowie eines Irrtums durch obige neue Würdigung gegenstandslos geworden sind, weshalb auch nicht davon die Rede sein kann, daß der Angeklagte durch seine Anzeige im Sinne von § 46 StGB den Eintritt des Erfolges rechtzeitig abgewendet habe. Zur Verurteilung der Angeklagten H.: Das Landgericht hat die Angeklagte für den fortgesetzten unberechtigten Bezug von Milch von der A. richtig auf Grund der VRStrVO bestraft, weil sie bei deren Bezug, wie das Urteil feststellt, von den wirklichen Verhältnissen zwischen der W. und der A. nichts gewußt habe. Das Urteil stellt aber weiter fest, daß die Angeklagte von der W. einmal gebeten wurde, der A. letztmalig Marken zu überbringen, und daß sie dabei die Verfehlungen der W. erfahren, also gewußt habe, daß es sich um entwendete Marken handelte. Sie hat sie aber gleichwohl der A. überbracht. Das Landgericht sieht hierin keine Straftat, sondern lediglich einen Botendienst. Auch diese Beweiswürdigung ist angesichts der gesamten obwaltenden Umstände rechtsirrig, da sie gegen die allgemeinen Denk- und Vemunftgesetze verstößt. Die W. hat, wie das Urteil feststellt, der Ehefrau ihres Halbbruders vorher schon öfter Lebensmittel nach Mittweida geschickt, diese hat also gewußt jedenfalls bestehen keine gegenteiligen Feststellungen , daß ihr Ehemann nur durch umfangreiche Hingabe von Lebensmitteln durch die W. an die Handwerker überhaupt in der Lage war, die gemeinsame spätere Wohnung ausbauen zu lassen, ihr 70;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 70 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 70) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 70 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 70)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich seinFormelle, gleichgültige, politisch unkluge, undifferenzierte, letztlich ungesetzliche Entscheidungen darf es nicht geben. Immer wieder muß gerade die hohe politische Bedeutung der strikten Einhaltung der Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit bewußt und konsequent durchzusetzen. In der vom Parteitag umfassend charakterisierten Etappe unserer gesellschaftlichen Entwicklung und infoloe der sich weiter verschärfenden Systemauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus ergebenden enormen gesellschaftlichen AufWendungen für die weitere ökonomische und militärische Stärkung der zum Beispiel vielfältige. Auswirkungen auf Tempo und Qualität der Realisierung der Sozialpolitik. Des weiteren ist zu beachten, daß die in den entsprechenden Vorschriften der geforderten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind und welche rechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind.

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