Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 68

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 68 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 68); sprechende Bildung erhält und zu einem, guten Staatsbürger erzogen wird, während die Frage, ob ein Kind von diesem oder jenem Erzeuger abstammt, grundsätzlich Privatsache der Beteiligten ist und die Allgemeinheit sachlich nicht interessiert. Das ist übrigens keine Besonderheit unserer heutigen Auffassung. Es scheint schon ganz in Vergessenheit geraten zu sein, daß auch die Zivilprozeßordnung ursprünglich die Kindschaftsprozesse in keiner Weise von anderen privaten Rechtsstreitigkeiten unterschied und sie ebenso wie diese der Verhandlu/ngsmaxime und freien Parteidisposition unterstellte. Erst die Nov. 98 schuf die §§ 640 ff. ZPO mit der darin festgelegten beschränkten Herrschaft dels Offizialprinzips über diese Prozesse. Der Grund hierfür aber lag, wie die Motive deutlich erkennen lassen*), nicht .etwa in einem sehr hoch veranschlagten sachlichen öffentlichen Interesse an der richtigen Feststellung der Abstammung, sondern in dem formalen öffentlichen Interesse an einer klaren Rechtslage: „Wegen der vielfachen durch den Status des Kindes bedingten Rechtsverhältnisse liegt es zur Vermeidung der sonst eintretenden Verwicklungen und übelstände im öffentlichen Interesse, daß der Status des Kindes einheitlich für und gegen Alle festgestellt wird."*) Um aber die Wirkung des Urteils auch gegen am Prozeß nicht beteiligte Dritte rechtfertigen zu können, war es erforderlich, den Prozeß der Parteidisposition zu entziehen. Dieser Argumentierung kann man durchaus folgen. Daß es ein unerfreulicher, im öffentlichen Interesse nicht wünschenswerter Zustand wäre, wenn im Verhältnis Kind Erzeuger A dieser, im Verhältnis Kind Dritter aber ein Erzeuger B als Vater gälte, liegt auf der Hand. Das öffentliche Interesse erfordert also, daß einer von beiden mit Wirkung für und gegen Alle als Vater festgestellt wird. Ob der damit festgestellte Vater aber tatsächlich der Erzeuger ist, das interessiert die Öffentlichkeit über das allgemeine Interesse an richtigen Urteilen hinaus nicht oder nur ganz beschränkt das interessierte andererseits die nazistischen Rassefanatiker in erster Linie. Wird in dieser Weise das öffentliche Interesse an Status- oder damit zusammenhängenden Prozessen auf das richtige Maß zurückgeführt, so zeigt sich sofort, wie abwegig es ist, mit der Berufung darauf Parteien oder Zeugen eines wertvollen, ihnen in anderen Prozessen gewährleisteten Persönlichkeitsrechts zu berauben. Das wäre nur erforderlich und damit erweist sich die Vorschrift von 1943 als vom nazistischen Standpunkt aus durchaus folgerichtig , wenn eine überragende Staatsnotwendigkeit die Feststellung des wirklichen Erzeugers ' verlangte. Kommt es aber, soweit das öffentliche Interesse reicht, nur darauf an, daß ein Erzeuger maßgeblich festgestellt wird, so wird dies Ziel ja bereits durch die normalen Urteilswirkungen erreicht, auch wenn das Urteil darauf beruht, daß eine Partei infolge der Ausübung jenes Persönlichkeitsrechts beweisfällig geblieben ist. Aus dem Beschluß der erwähnten Länderkonferenz, - das erbbiologische Beweisverfahren, wenn auch nur in der milderen Form des Gesetzes von 1938, weiterhin zuzulassen, darf also nicht etwa der Schluß gezogen werden, daß die Konferenz damit ein überragendes öffentliches Interesse an der richtigen Feststellung der Abstammung anerkannt habe. Wenn ein solches auch grundsätzlich verneint wird, so ist natürlich nicht zu verkennen, daß das private Interesse der Beteiligten an der richtigen Feststellung des Status außerordentlich bedeutsam und schutzwürdig ist. Und dieses Interesse rechtfertigt es vollauf, wenn das Verfahrensrecht dem Gericht und den Parteien alle durch den Fortschritt der Wissenschaft erreichten Mittel und Möglichkeiten zur Wahrheitsfeststellung an Hand gibt vorausgesetzt, die Benutzung des Beweismittels scheitert nicht an den allgemein und für jedes Beweisverfahren errichteten Schranken. Daß der zu Untersuchende, dem kein triftiger Weigerungsgrund zur Seite steht, zur Duldung der Untersuchung gezwungen werden kann, darf und in diesem einzigen Punkt kann man der oben zitierten Stellungnahme des Rechtsunterausschusses für die Britische 3) Motive z. Entw. III des BGB, Amtl. Ausg. 1896, Bd. IV, S. 672. 4) Motive aaO. Zone beistimmen nicht als Ausfluß nationalsozialistischer Ideologie bezeichnet werden; dieses Verfahren entspricht lediglich dem schon von jeher bestehenden Zeugniszivang, ohne den in Anbetracht der auch heute noch unzureichenden Möglichkeiten der Wahrheitsermittlung leider noch nicht auszukommen ist. Es ergibt sich also, daß bei der Beantwortung der Frage, was als „triftiger Grund" für die Untersuchungsverweigerung zu gelten hat, in allererster Linie an den Fall zu denken ist, daß der Betroffene durch das Ergebnis der Untersuchung in die Gefahr einer Strafverfolgung kommen würde (seltsam übrigens, daß sich der Senat für seine gegenteilige Auffassung ausgerechnet auf die 1943 erschienene 17. Auflage von Baumbach beruft!). Solche Fälle werden, darin ist dem Senat beizupflichten, gerade in den einschlägigen Prozessen nicht selten sein, wobei als strafbare Handlungen vor allem Meineid und Anstiftung dazu, Prozeßbetrug und Ehebruch, u.U. aber auch Notzucht, Verführung Minderjähriger und andere Sittlichkeitsdelikte in Frage kommen. Aber ist die relative Häufigkeit von Weigerungsgründen genügender Anlaß, um für die an dieser Art von Prozessen Beteiligten ein Ausnahmerecht zu statuieren? Ist man jemals auf den Gedanken verfallen, dem im Alimentenprozeß für die exceptio plurium benannten Zeugen das Zeugnisverweigerungsrecht des § 384 Ziff. 2 ZPO abzusprechen? Oder im Scheidungsprozeß: argumentiert man etwa dort, daß „in der großen Mehrzahl der Fälle“ das Zeugnisverweigerungsrecht des Ehebruchszeugen zu einer Vereitelung des Gesetzeszwecks führen würde und dem Zeugen daher nicht zuzubilligen sei? Dieser Widerspruch in der Behandlung der Bexveis-mittel beruht nicht etwa auf ihrer Wesensverschiedenheit ob jemand mittels seiner geistigen Fähigkeiten, d. h. als Zeuge, oder mittels seiner Körpermerkmale, d. h. im Wege der Augenscheinsgestattung, für eine bestimmte Tatsache Zeugnis ablegt, kommt grundsätzlich auf das gleiche heraus und berechtigt zum mindesten in der Frage des Weigerungsrechts zu keiner Differenzierung , dieser Widerspruch beruht einzig und allein auf der immer noch nicht überwundenen Mentalität, die der Abstammungsfeststellung (sogar in dem der Parteidisposition unterliegenden Unterhaltsprozeß!) ein größeres öffentliches Interesse beimißt, als beispielsweise dem Scheidungsprozeß. Es mag wiederholt werden, denn die Feststellung ist wichtig genug: der heute allein noch vertretbare Zweck des § 9 des Gesetzes von 1938 besteht darin, Gerichten und Parteien ein neues, bei Schöpfung der ZPO noch unbekanntes Beweismittel zur Verfügung zu stellen, das jedoch in seiner Anwendung keinerlei exzeptionelle Stellung gegenüber anderen Beweismitteln einnimmt. Im übrigen mag daran erinnert werden, daß aus einer Verweigerung des Zeugnisses oder der Körperuntersuchung meistens bestimmte Schlüsse gezogen werden können, wie es im Scheidungsprozeß ja auch täglich geschieht. Was weitere triftige Gründe anlangt, so ist der von den Kommentaren und Entscheidungen unfehlbar in diesem Zusammenhang erwähnte Fall einer durch die Untersuchung drohenden Gesundheitsschädigung praktisch wahrscheinlich fast bedeutungslos: es ist für den Regelfall schwer vorstellbar, wie die zu einer Blutprobe erforderliche geringfügige Blutentnahme oder die sonstigen erbbiologischen Untersuchungen zu einem ernsthaften Gesundheitsschaden sollten führen können. Immerhin gibt dieser geläufige Beispielsfall Anlaß, die seltsame Inkonsequenz einer Lehre festzustellen, die die drohende Beeinträchtigung der Gesundheit als Weigerungsgrund ausreichen läßt, nicht jedoch die drohende Beeinträchtigung der Freiheit. Im übrigen wird man sich an die Definition von Jonas-Pohle halten können, die in der unmittelbar nach Erlaß des Gesetzes von 1938 erschienenen 16. Auflage enthalten ist (und die oben dar gelegte Auffassung bestätigt, daß zunächst die Auslegung des Begriffs „triftiger Grund“ durch Rechtslehre und Rechtsprechung auch nach heutiger Auffassung durchaus vertretbar war und gerade dieser Umstand zu den nazistischen Zusätzen von 1943 fühtte): „ . die Gefahr wirtschaftlicher, beruflicher, sozialer oder sonstiger Nachteile kann . mehr oder weniger weitgehende Bedenken gegen die Untersuchung recht- 63;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Kr., ist die Verantwortung des Untersuchungsorgans Staatssicherheit für die Sicherung des persönlichen Eigentums Beschuldigter festgelegt. Dies betrifft insbesondere die Sicherstellung des Eigentums im Zusammenhang mit der Aufklärung politisch-operativ und ggf, strafrechtlich relevanter Handlungen bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen mit anderen politisch-operativen Zielstellungen zu befragen. Die Durchführung einer ist auf der Grundlage der gemeinsamen Lageeinschätzung das einheitliche, abgestimmte Vorgehen der Diensteinheitan Staatssicherheit und der Deutschen Volkspolizei sowie der anderen Organe des Ministeriums des Innern bei der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens sowie der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein wesentlicher Beitrag zu leisten für den Schutz der insbesondere für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Die Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit ist selbstverständlich an die strafprozessuale Voraussetzunq des Vorliecens eines der. im aufgeführten Anlässe gebunden. Der Anlaß ist in den Ermittlungsakten euszuWeisen. In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, möglich. Das Handeln als kann sich somit nur auf solche Aufgaben erstrecken, die sie selbst zu lösen hat.

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