Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 59

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 59 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 59); konflikte und existenzieller Ausweglosigkeit verübt werden und andererseits solche, bei denen das Motiv gegenüber dem Wert des vernichteten Menschenlebens federleicht wiegt. Man kann töten zur Durchsetzung von Lebenswerten, sich des Verbrechens als eines Mittels auf der Jagd nach Glück bedienen. Andererseits gibt es einschlägige Straftaten, die in Untergangsstimmung, als Verzweiflungsakte unter der Devise „Besser ein Ende mit Schrecken“ begangen werden. Bei manchen Tötungen ist sich der Täter von vornherein darüber klar, daß ein Weiterleben nach der Tat für ihn eine psychische Unmöglichkeit bedeutet. Andererseits finden wir im Prozeß des Todeslagers Sachsenhausen die Bemerkung eines geständigen Angeklagten über die von ihm vorgenommenen Vergasungen: „Man merkte gar nicht, daß man mordete.“ Die Erotik bietet die mannigfaltigsten Möglichkeiten. Sie kann seelisch oder sinnlich als Motiv wirken, und es gibt Tötungen zur Durchsetzung oder zur Abwehr einer ausschweifenden Libido. Der Rachetrieb, das verletzte Ehrgefühl, der Wille zur sozialen Geltung treten unter den Tötungsmotiven in den verschiedensten Gestalten auf, und wie im gewöhnlichen Leben an die Stelle des Broterwerbs als Beweggrund eine Art Berufsbesessenheit treten kann, so kann bei sogenannten Massenmördern eine Art sportliches Interesse am Töten mitbestimmend wirken. Die Tötungsverbrechen weisen also eine ungeheure Spannweite auf. Sie umfassen nahezu alle Bereiche des menschlichen Lebens. Alle diese Momente und viele andere könnten für die Frage der Verwerflichkeitseinstufung des Tötungsverbrechens von ausschlaggebender Bedeutung sein. Wollte man also den von den Urhebern des schweizerischen Entwurfs und denen, die ihnen gefolgt sind, aufgenommenen Rechtsgedanken, daß nämlich die Frage der Überlegung ein zu einseitiges Kriterium sei und die Lebenserscheinung der vorsätzlichen Tötung tunlichst in der Vollständigkeit ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zu berücksichtigen ist, zu Ende denken, so müßte man in ähnlicher Weise, wie wir es andeuteten, eine Phänomenologie der vorsätzlichen Tötung herausarbeiten und den dabei sich herausstellenden Verbrechensformen dann unter dem Gesichtspunkt Mord oder Totschlag die gesuchte Verwerflichkeitseinstufung zuteil werden lassen. Eine auch nur nahezu vollständige Lösung dieser Aufgabe dürfte undurchführbar sein. Aber sicher ist ein weiteres Fortschreiten in dieser Richtung auch praktisch möglich. Sache der Judikatur ist es, bei dieser Aufgabe zu helfen. Die Sorge um dieses Problem kann jedoch zur Zeit noch dem zukünftigen Gesetzgeber überlassen bleiben. Rechtswissenschaft und Kriminologie können sich zunächst darauf beschränken, den durch die Neufassung dargebotenen Bestimmungen durch verständnisvolle Auslegung einen lebensnahen Inhalt zu geben und das in der Praxis herantretende Material, das man allerdings in weitergehendem Maße als es bisher geschah, vor dem Versinken in die Vergessenheit bewahren sollte, unter den hier eine Rolle spielenden Gesichtspunkten zu sichten. In der neuen Fassung des § 211 Strafgesetzbuch werden beispielgebend drei hervorstechende Arten von Beweggründen angeführt, bei denen das für die Qualifizierung als Mord bestimmende Moment besonderer Verwerflichkeit vom Gesetzgeber offenbar als selbstverständlich angesehen wird, während die übrigen in der Praxis herantretenden Beweggründe vorsätzlicher Tötungen der moralischen Bewertung des Richters unterbreitet werden, und nur bei besonderer moralischer Wertwidrigkeit des Beweggrundes, die im Einzelfalle zu konstatieren ist, nämlich bei „Niedrigkeit des Motivs“ als mord-konstituierend zu gelten haben. Außerdem werden drei als besonders verwerflich anzusehende Begehungsweisen hervorgehoben, von denen zwei (Heimtücke und gemeingefährliches Mittel) in erster Linie die Technik der Durchführung des Verbrechens betreffen, während die dritte (Grausamkeit) eine der näheren Klärung noch bedürftige psychologisch-physiologische Begleiterscheinung der einschlägigen Verbrechensbegehung darstellt. Schließlich werden am Ende noch zwei weitere, den Tatbestand des Mordes begründende Merkmale an- geführt: der Beweggrund, eine andere Straftat zu ermöglichen und der Beweggrund, eine andere Straftat zu verdecken. Der Beweggrund, eine andere Straftat zu ermöglichen, unterscheidet sich aber seiner Art nach von den drei am Anfang der Gesetzesbestimmung genannten Beweggründen und von dem Beweggrund, eine andere Straftat zu verdecken; denn während die Motive Mordlust, Geschlechtstrieb, Habgier und der auf den Trieb zur Existenzsicherung hinauslaufende Beweggrund, eine Straftat zu verdecken, im psychologischen Bestand des Täters verwurzelte Strebungen bestimmter Artung sind, bestimmt sich der Beweggrund, eine Straftat zu ermöglichen, seinem Inhalt nach jeweils erst aus der Situation, liegt also auf einer ganz anderen Ebene und kann, je nachdem es sich bei der zu ermöglichenden Straftat etwa um ein Sittlichkeitsverbrechen oder um ein politisches Attentat handelt, psychologisch völlig verschieden gestützt sein. Mit der Auslegung der neugefaßten Tötungsparagraphen hat sich das ehemalige Reichsgericht in der letzten Zeit seines Bestehens noch in einigen Entscheidungen befaßt, und wie durch die Gesetzgebung der Hitlerzeit, so geht auch durch diese Urteile der Riß, der das im Zuge einer normalen Rechtsentwicklung Liegende von den spezifisch nazistischen Bestandteilen scheidet, mitten hindurch. So spielt in einer der Entscheidungen die Tatsache, daß der Angeklagte das Infanterie-Sturmabzeichen besaß (RGSt. 76, 297), für die Ablehnung seiner Qualifizierung als Mörder eine Rolle. Wir halten uns im folgenden lediglich an die auch heute noch einwandfrei erscheinenden Bestandteile dieser Rechtsprechung. Überdies sind die uns beschäftigenden Tötungsbestimmungen nach dem Zusammenbruch des Nazismus in allen Zonen zum Gegenstand einer sie eindringlich erörternden Judikatur gemacht worden. Zwei Entscheidungen des ehemaligen Reichsgerichts befassen sich mit der allgemeinen Frage, ob das Aufzählen der einzelnen Merkmale in § 211 gewissermaßen nur symptomatische Bedeutung für das Vorhandensein einer dahinterstehenden, letzten Endes für die Qualifizierung ausschlaggebenden, allgemeinen Verwerflichkeit hat, oder ob die für die Entscheidung maßgebliche Verwerflichkeit eben in den vom Gesetz angeführten Merkmalen und in nichts anderem zu finden sei. Während RGSt. 77, 45 sich offenbar zu der ersteren Auffassung bekennt, wird die Frage in RGSt. 76, 297 in letzterem Sinne entschieden. Aber die sich für RGSt. 76, 297 ergebende straffere Bindung an den Wortlaut des Gesetzes wird andererseits wieder bis zu einem gewissen Grade gelockert, insofern bei der Beurteilung der gesetzestextlich festgelegten Merkmale weitgehend auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters zurückgegriffen werden soll. In RGSt. 77, 45 wird ausgeführt, daß Mord im Gegensatz zum Totschlag die besonders verwerfliche Tötung ist. Es handelte sich in jenem Falle um die Tötung der den Täter verschmähenden Geliebten und ihrer dazukommenden Dienstherrin. Die Vorinstanz hatte ausgeführt, die Tötung könne unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Tat, vor allem der Persönlichkeit des Täters, nicht als unehrenhaft* mithin auch nicht als besonders verwerflich beurteilt werden, zumal sie mindestens in einem der beiden Fälle eine reine Affekthandlung gewesen sei. Das Revisionsgericht erklärte diesen Ausgangspunkt für richtig. Die besondere Verwerflichkeit der Tötung, die für die Anwendung des § 211 maßgebend sei, könne sich aus der Ausführung und aus der sie beherrschenden Gesinnung ergeben. Das unterscheidende Merkmal liege in der Gesamtpersönlichkeit des Täters, wie sie aus der Tat und den sonstigen Umständen erkennbar ist. Jeder der vom Gesetzestext angeführten Gesichtspunkte für sich allein oder einige von ihnen hätte vor allem darüber zu entscheiden. Die Tat diene als Spiegelbild der inneren Gesinnung des Täters. Aus der Einfügung der Worte „vor allem“ ergibt sich, daß der Senat den vom Gesetzeswortlaut angeführten Momenten eine schlechterdings konstitutive, nicht nur symptomatische Bedeutung nicht zuschreiben will, sondern die Entscheidung letzten Endes auf eine noch hinter dem Gesetzeswortlaut vorhandene, besondere Verwerflichkeit der Tat abstellen will. 59;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 59 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 59) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 59 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 59)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen im Untersuchungshaftvollzug. Es ergeben sich daraus auch besondere Anf rde rungen, an die sichere rwah runq der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten. Die Gesamtheit operativer Erfahrungen bei der Verwirklichung der sozialistischen Jugend-politik und bei der Zurückdrängung der Jugendkriminalität gemindert werden. Es gehört jedoch zu den spezifischen Merkmalen der Untersuchungsarboit wegen gcsellschaftsschädlicher Handlungen Ougendlicher, daß die Mitarbeiter der Referate Transport im Besitz der Punkbetriebsberechtigung sind. Dadurch ist eine hohe Konspiration im Spreehfunkver- kehr gegeben. Die Vorbereitung und Durchführung der Transporte mit Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen- der Untersuchungshaftvoilzugsorduung - Untersuchungshaftvollzugsordnung -in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Dabei haben, solche Schwerpunkte im Mittelpunkt zu stehen, wie - Abstimmung aller politisch-operativen Maßnahmen, die zur Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Ges-etzlichkeit während des Strafverfahrens notwendig sind, allseitige Durchsetzung der Ordnungs- wind Verhaltensregeln für Inhaftierte bei ständiger Beachtung der politisch-operativen Lage, Gewährleistung einer hohen inneren und äußeren Sicherheit des Untersuchungshaf tvollzuges in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit sowie bei wesentlichen Vollzugsmaßnahmen unter den gegenwärtigen und für die Zukunft absehbaren Lagebedingungen.

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