Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 269

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 269 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 269); sehen Gewalten können in der Epoche des Herrschendwerdens der bürgerlichen Gesellschaft die Kraft zum Kampf gegen diese Gesellschaft nicht mehr aufbringen. In der Idee mögen Wohlmeinende sich den alle Freiheit und Sittlichkeit vernichtenden Lebensverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft entgegenstemmen. Die Wirklichkeit selbst aber geht über solche Ideen und Wünsche hinweg ihren Weg. Das gesellschaftliche Dasein ist stärker als solche politischen Potenzen. Die auftauchende bürgerliche Gesellschaft zieht mehr und mehr alle politischen Kräfte in ihren Bann, zwingt ihnen ihren Willen auf und durchdringt allseitig das Bewußtsein und die Praxis der Menschen. Der Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft, stellt Marx fest, ist ein geschichtlicher Prozeß, der mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses abläuft. Es ist das Schicksal der Menschheit, in dieses. Entwicklungsstadium treten zu müssen. Die Erlösung aus der bürgerlichen Gesellschaft kann nur an ihrem Ende stehen. Daher muß sie mit sich selbst fertig werden, sie muß aus sich selbst die Kräfte zu ihrer Überwindung entwickeln. Marx erkennt, daß die Kraft, die die Geschichte ins Rollen bringt und in Bewegung hält, nicht, wie Hegel glaubte, in dem Widerspruch zwischen traditionellen staatlichen Mächten und Gesellschaft liegt, sondern in der Gesellschaft selbst. Die bürgerliche Gesellschaft, einmal zur Macht gekommen, stagniert nicht, sie entwickelt Sich. Die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft macht die Zeit aus, ist die konkrete Lage, in der sich die Menschheit befindet. Marx stellt dem falschen Zeitbewußtsein Hegels, das an der Vergangenheit klebt, das wahre Bild der politischen Verhältnisse, die auf sich selbst gestellte bürgerliche Gesellschaft entgegen. Er sieht, daß diese Gesellschaft in sich einen Widerspruch trägt und daß dieser Widerspruch das Moment ihrer Entwicklung ‘ist. 3. Marx’ Schrift „Zur Judenfrage“ In der Erfassung der politischen Strömungen und Gegensätze seiner Zeit entfaltet sich nun Marx’ Genie. Er lebt ganz in diesen politischen Gegensätzen. Die wirklichen politischen Kräfte, nicht die Ideen und Vorstellungen, sind für ihn der Gegenstand der Forschung. Diese Tendenz auf die gesellschaftliche Wirklichkeit der Zeit zeigt sich schon bei dem frühen Marx. Was den Studenten Marx bei den Junghegelianern von Anbeginn nicht befriedigt, ist ihre allzu spekulative, bloß theoretische Haltung. Sie denken allzusehr an das und über das, was sein soll, untersuchen aber nicht die realen Kräfte der Zeit, die realen politischen Bewegungen. Marx erkennt früh, daß durch willkürlich gesetzte Ideen die Verhältnisse nicht gebessert werden können, die Welt nicht verändert werden kann. Der Übergang von der Idee zur Wirklichkeit, von der Theorie zur Praxis, ist das Problem, mit dem er ringt. Nicht „erlösende Ideen“ will er predigen, sondern eine „heilende Praxis“ entdecken und entfalten. Er steht noch ganz unter dem Einfluß der Hegelschen Analyse der bürgerlichen Gesellschaft, dieses „sich in sich bewegenden Lebens des Toten“, das nichts Positives aus sich heraus zu bringen vermag, als er schon sehr viel deutlicher als Hegel konkretisiert, worin das Negative dieser bürgerlichen Gesellschaft besteht. So schreibt er: „Das System des Erwerbes und Handels, des Besitzes und der Ausbeutung der Menschen führt aber viel schneller als die Vermehrung der Bevö kerung zu einem Bruch innerhalb der jetzigen Gesellschaft, den das alte System nicht zu heilen vermag, weil es überhaupt nicht heilt und schafft, sondern existiert und genießt.“ Die Heilung, d. h. die Lösung der Widersprüche, kann seiner Ansicht nach nur von dem „leidenden Teil der Menschheit“ kommen, der sich aber der kritischen Philosophie bedienen müsse. Der junge Marx will ein Bündnis der „leidenden mit der denkenden Menschheit“. Er schreibt: „Je länger die Ereignisse der denkenden Menschheit Zeit lassen, sich zu besinnen, und der leidenden, sich zu sam-me n, um so vollendeter wird das Produkt in die Welt treten, welches die Gegenwart in ihrem Schoße trägt. “20 Diese Erkenntnis, daß die politische Praxis der bürgerlichen Gesellschaft (eben, weil diese Gesellschaft nicht den leidenden Teil der Menschheit repräsentiert, darum nichts schaffen, sondern nur genießen könne) 20J ebenda. nicht in der Lage sei, die Wunden der Menschheit zu heilen, bringt ihre erste Frucht in einer der bedeutsamsten Arbeiten des jungen Marx, die ein Markstein auf dem Wege zur Entwicklung des Marxismus ist, in seinem Aufsatz „Zur Judenfrage“21). Das Problem, das Marx hier behandelt, lautet dahin: kann die Menschheit (also auch die Juden es ging hier insbesondere um die Frage der Emanzipation der Juden) durch die Prinzipien der bürgerlichen Demokratie befreit werden? Können die alten Grundsätze der französischen Revolution von der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit zu den höchsten politischen, staatlichen und rechtlichen Prinzipien erhoben die Widersprüche lösen, die in den gesellschaftlichen Verhältnissen da sind? Marx antwortet darauf: Nein, sie können es. nicht! Und weshalb können sie es nicht? Weil diese in der bürgerlichen Revolution gesetzten politischen Prinzipien in der Wirklichkeit der bürgerlichen Gesellschaftsver-hältnisse gar nicht da sind. Die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft hat weder mit Freiheit noch mit der Gleichheit noch mit der Brüderlichkeit etwas gemein, die Verhältnisse, die durch sie herrschend werden, sind von ganz anderer Natur. Gegenüber diesen Verhältnissen, die mit der bürgerlichen Gesellschaft zur Wirklichkeit selbst werden, können die Prinzipien der politischen Demokratie nichts ausrichten, denn sie wälzen die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft nicht um. Solange das aber nicht geschieht, werden die gesellschaftlichen Verhältnisse sich immer wieder durchsetzen und Politik, Staat, Recht usw. nach ihrem Willen gestalten. Das zeigt Marx an Hand der höchst entwickelten Demokratie bürgerlicher Prägung, der Demokratie, die alle ehrlichen, bürgerlichen Revolutionäre als das große Vorbild heroischer, revolutionärer Machtentfaltung an-sehen, an Hand der Jacobinerdiktatur der französischen Revolution. Marx zeigt den geschichtlichen Widerspruch der konsequenten bürgerlichen Demokratie. Sie erstrebte unter den Losungen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Emanzipation des Menschen von ihn bedrückenden gesellschaftlichen Zuständen. Das menschliche Wesen wollte, in Freiheit gesetzt, sich selbst bestimmen und die Verhältnisse sich anpiassen. Darum zerbrach die Jacobinerdiktatur die Fesseln der alten Staats- und Gesellschaftsordnung und schickte sich an, unter den Prinzipien der Gleichheit und Gerechtigkeit den Staat zu formieren. Aber in dem Augenblick, als sie sich zü dieser Macht emporreckte, als also ein politischer Wille sich über die bürgerliche Gesellschaft erhob und ihr das Gesetz ihres Handelns vorschreiben wollte, da stand ein großer Gegner gegen sie auf, die bürgerliche Gesellschaft selbst. Marx sieht hierin als erster den Sinn und die geschichtliche Be-wandnis der Katastrophe des 9. Thermidor, des Sturzes Robespierres und der Jacobiner. Das Pendel der Revolution, die bis zu diesem Zeitpunkt im Aufstieg war, beginnt hier zurückzuschlagen. Der politische Wille war in der Jacobinerdiktatur bis zu seinem höchsten Punkte angespannt, es wurde mit der alten Feudalgesellschaft aufgeräumt. Diese gewaltige politische Kraftäußerung konnte aber geschichtlich nur den Sinn haben, der bürgerlichen Gesellschaft den Weg freizumachen. Die Jacobinerdiktatur war der Versuch, durch politische Willkür die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft zu meistern er mißlang und mußte mißlingen. Die Jacobinerdiktatur hätte nur siegen können, wenn alle Menschen ihr Sonderinteresse dem allgemeinen Interesse, dem Gemeinwesen geopfert hätten. Solche Erwartung aber ist unter den Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft eine Illusion. Der Mensch der bürgerlichen Gesellschaft kann nicht der freie, politische Mensch sein, wenn die bürgerliche Gesellschaft auf Schacher und Eigennutz aufgebaut ist. Die bürgerliche Gesellschaft hat den Menschen nicht vom Egoismus des Gewerbes befreit, sie gewährte ihm vielmehr eine Gewerbefreiheit, setzt also den Schacher und den Eigennutz in Freiheit eben die Eigenschaften, von denen sich die Juden befreien wollten. Will in der Epoche der bürgerlichen Gesellschaft der Mensch frei und nur seiner mensch- 21) Siehe Marx-Engels-Gesamtausgabe, Abt. I, 1. Halbband S. 576 ft. 269;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 269 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 269) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 269 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 269)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

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