Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 262

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 262); gen Rechtsprechung des Senats gehören zu diesem Personenkreis nicht nur die Personen, die berufsmäßig bewirtschaftete Waren hersteilen, verwalten oder mit ihnen Handel treiben, sondern auch alle diejenigen, die in irgendeiner Weise beruflich oder auf Grund eines Auftrages oder Treueverhältnisses bewirtschaftete Waren für ein Unternehmen, das im Dienste der Allgemeinheit arbeitet, empfangen, verwalten oder dem bestimmungsmäßigen Verbrauch zuführen. Zweigen solche Personen unbefugt die ihnen anvertrauten Güter ab, so sind sie nach KG 50 zu bestrafen. Im vorliegenden Fall gehören der Angeklagte H. als Werksleiter und der Angeklagte T. als Prokurist bedenkenlos zu diesem Personenkreis, obwohl der letztere in der Revisionsverhandlung behauptet hat, zur Zeit der Tat noch nicht Prokurist gewesen zu sein. Ob der Angeklagte R. als Buchhalter hinzuzurechnen ist, muß noch geklärt werden. Insbesondere ist das Verhältnis der drei Angeklagten zueinander (Mittäter oder Beihelfer) sowie der Arbeitsbereich des Angeklagten R. noch festzustellen. Ferner sind die Umstände aufzuklären, die zur Liieferung des Waggons Zement an die Firma geführt haben, da keine Bestellung Vorgelegen haben soll. Der Revision ist auch darin beizupflichten, daß die erkannte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat nicht entspricht. Das niedrige Strafmaß hängt offensichtlich mit der Verkennung der Tatbestände des KG 50 Art. 1 und des § 1 Abs. 3 KWVO zusammen. Im Hinblick auf die Menge des beiseitegeschafften Zements und auf den Mißbrauch der Vertrauensstellung der Angeklagten hätte eine weitaus höhere Strafe ausgeworfen werden müssen. Bei der strafrechtlichen Würdigung der Tat wird das Landgericht in der neuen Hauptverhandlung auch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 StGB1) zu berücksichtigen haben, da im Bezug auf den Tatbestand des Bei-seiteschaffens an Stelle der KWVO die WStVO getreten ist. Auf den konkreten Fall bezogen, sind § 1 Abs. 1 KWVO und § 1 Abs. 1 Ziffer 2 und 3, Abs. 2 WStVO miteinander zu vergleichen, wobei die Bestimmungen der WStVO das mildere Gesetz darstellen, zumal bis jetzt das erforderliche Strafverlangen der zuständigen Wirtschaftsstelle fehlt. Die Akten werden daher aus Zweckmäßigkeitsgründen schon vor der Hauptverhandlung dem zuständigen Wirtschaftsamt gern. § 21 WStVO zur Entscheidung darüber vorzulegen sein, ob für den Fall der Nichtanmeldung des KG 50 das Verlangen auf gerichtliche Strafverfolgung nach den Vorschriften der WStVO gestellt werde. Sollte dieses Strafverlangen nicht gestellt werden und auch KG 50 etwa nicht zum Zuge kommen, so müßte das gerichtliche Verfahren gern. § 260 StPO eingestellt und die Akten dem Wirtschaftsamt zur Durchführung des Wirtschaftsstrafverfahrens vorgelegt werden. Zur Anwendung der Notverordnung vom 14. Juni 1932, Kap. I Art. 2, § 1. OLG Gera, Urteil vom 10. August 1949 3 Ss 267/1949. Der Angeklagte ist als Fahrer eines Lastkraftwagens mit Anhänger in der Umgebung von W. nachts an einen gesperrten Bahnübergang gekommen und, nachdem sein mitfahrender Vater zunächst die erste Schranke geöffnet hatte, auf die Schienen gefahren und hat hier gehalten, weil der Vater die zweite Schranke noch nicht hatte öffnen können. Kurz darauf ist das Fahrzeug von einem herankommenden Zug erfaßt und zerstört und dabei ein noch in ihm befindlicher Mitfahrer, der sich nicht mehr hatte retten können, getötet worden. Das Schöffengericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Eisenbahntransportgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Seine Berufung ist vom Landgericht verworfen worden, auch die nunmehr von ihm eingelegte Revision, die unrichtige Anwendung des Begriffes der Fahrlässigkeit rügt, konnte keinen Erfolg haben. Zunächst war grundsätzlich die Frage zu prüfen, ob die Revision überhaupt zulässig ist. Durch die Notver- 1) Thüringische Fassung. (D. Red.) Ordnung vom 14. Juni 1932, Kap. I Art. 2, § 1 sind die Rechtsmittel in Strafsachen nämlich dahingehend beschränkt worden, daß gegen Entscheidungen der Amtsoder Schöffengerichte nur wahlweise entweder Berufung oder Revision möglich ist. Bisher war zweifelhaft, ob diese zwar noch aus der Vornazizeit stammende, aber schon in die Diktaturperiode der letzten Hindenburgzeit fallende Bestimmung noch Geltung hat oder nicht. In der Erwägung, daß sie eine nach heutigen demokratischen Begriffen unzulässige Einschränkung der Rechtsmittel enthalten möge, ist sie in Thüringen zeitweilig nicht mehr angewendet worden. Inzwischen hat die Deutsche Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone im Deutschen Zentralverlag eine Textausgabe der Strafprozeßordnung in der am 1. Januar 1949 geltenden Fassung herausgegeben. Diese Fassung beruht auf den Beschlüssen einer Konferenz, die am 12. Oktober 1948 unter Beteiligung von Vertretern der Justizministerien der Länder der SBZ stattgefunden hat. In dieser Besprechung sind alle in der Zeit seit 1933 ergangenen Novellen zur Strafprozeßordnung daraufhin geprüft worden, ob ihre weitere Anwendung, insbesondere vom antifasehlistisch-demokratischen Gesichtspunkt aus, gerechtfertigt ist. Die auf Grund dieser Prüfung zustande gekommene Fassung der StPO hat zwar keine formale Gesetzeskraft. Sie darf aber zufolge ihres Zustandekommens unter Mitwirkung verantwortlicher Vertreter der DJV selbst und der 5 Länder der SBZ ein Ansehen und eine Beachtung beanspruchen, die über die Bedeutung der Rechtsprechung eines höchsten Gerichtshofes noch hinausgeht. Sie ist in der SBZ als geltendes Recht anzusehen (wobei für Thüringen nur insofern ein vereinzelter Redaktionsfehler zu berichtigen ist, als die besonderen Bestimmungen über den Friedensspruch nicht nur im Lande Sachsen, sondern auch in Thüringen weiterhin angewendet werden, da sie nicht nazistischem Gedankengut entsprungen sind). Der erwähnten heute gültigen Fassung der StPO sind auch die Bestimmungen über die Wahlrevision aus der Notverordnung vom 14. Juni 1932 einverleibt (vergl. die DJV Textausgabe Seite 140). Sie gelten daher künftig auch wieder in Thüringen. Vergl. auch den Beschluß des Senats vom 2. August 1949 (3 Wa 186/49). Hiernach wäre also in elinem Falle, wo der Angeklagte, wie hier, gegen ein Schöffengerichtsurteil Berufung eingelegt hatte, eine von ihm später gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision an und für sich unzulässig (vergl. Kap. I Art. 2 § 1 Nr. 1 der Notverordnung vom 14. Juni 1932). Gleichwohl hat das Oberlandesgericht die vom Angeklagten eingelegte Revision für zulässig erachtet. Denn zu der Zeit, als das Urteil des Schöffengerichts erging, wurden in Thüringen die Bestimmungen über die Wahlrevision allgemein nicht angewendet. Bei einem so grundlegenden Wandel in der Gesetzesanwendung muß dem Angeklagten daher ähnlich, wie das bei einer Überleitung im Falle einer Gesetzesänderung geschehen würde, der Rechtsmittelzug in der Gestaltung erhalten bleiben, wie er zur Zeit des Laufens der Rechtsmittelfrist gegenüber dem Schöffengerichtsurtedl bestand. Es muß daher in Fällen, in denen bei Einlegung der Berufung die Gewißheit bestand, evtl, später auch noch das weitere Rechtsmittel der Revision zur Verfügung zu haben, diese noch als zulässig erachtet werden. In der Sache selbst ist das Landgericht auf Grund der von ihm ebenso wie vom Schöffengericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Angeklagte im Sinne der angezogenen Bestimmungen sich in mehrfacher Richtung der Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat. Den im Urteil ange-stellten, diesbezüglichen Erwägungen, die Widersprüche oder eine rechtsirrige Auffassung nicht erkennen lassen, ist in vollem Umfange beizutreten. Für den Angeklagten lag als verantwortlichen Fahrer eines schweren, großräumigen Lastzuges ein weiterer Grund zu erhöhter Sorgfalt, den er aber ebenfalls unbeachtet gelassen hat, auch darin, daß er zur Nachtzeit in einer ihm völlig unbekannten Gegend auf einem Feldweg an eine geschlossene Bahnschranke stieß, ohne daß ein Bahnwärter in der Nähe zu erkennen war. In einer solchen Situation, in der in jedem Augenblick mit 262;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 262) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 262 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 262)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden der konkreten Peindhandlungen und anderer politisch-operativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen Inspirierung und Organisierung politischer ünter-grundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten. Die von der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Konspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der Forschungsergebnisse, Vertrauliche Verschlußsache Aufgaben und Möglichkeiten der Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung, der gegen die Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten politischen Untergrundtütigkeitf Vertrauliche Verschlußsache Die weitere Qualifizierung der Sicherheits- überprüfungen dos Staatssicherheit im Prozeß der politisch-operativen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet ist die Aufklärung und Bearbeilrung solcher eine Hauptaufgabe, in denen geheime Informationen über Pläne und Absichten, über Mittel und Methoden des IfS zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspiration und ihrer Person erfolgen? Bei den Maßnahmen zur Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspirierung und ihrer Person ist stets zu beachten, daß die Bereitschaft zur konspirativen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird.

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