Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 252

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 252 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 252); Krise der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die natürlich auch und gerade im Justizsektor zutage tritt. Auch Schiffer freilich leugnet das Vorhandensein einer Dauerkrise hinter den akuten Krisenerscheinungen nicht. Aber er führt sie auf zwei äußere Gründe zurück: die durch die Rezeption des Römischen Rechts verschuldete Schädigung des nationalen Rechtslebens und die Hypertrophie, das Übermaß der Rechtsnormen. Auch bei der Analyse der Gesamtaufnahme des Römischen Rechts finden sich in Schiffers kenntnisreicher Betrachtung wiederum die entscheidenden Elemente, ohne daß sie zu klarer Entscheidung zusammenfließen. Um den Vorgang der Rezeption, der „rätselhaft“ und „wunderbar“ genannt wird, zu enträtseln und zu deuten, hätte Schiffer lediglich seine Feststellung: „Die tiefgreifenden Veränderungen in der sozialen und ökonomischen Entwicklung Deutschlands finden, besonders auf dem Gebiet des Obligationsrechts, im römischen Recht eine bessere Stütze als im deutschen Recht damaliger Zeit .“ zur Grundlage seiner Bewertungen zu nehmen brauchen. Inmitten mancher anderen politischen und ideologischen Triebkräfte erscheint der kapitalistische Durchbruch als das entscheidende movens agens der Rezeption des von den Verengungen lehnsrechtlicher Vorstellungen notwendiger Weise nicht belasteten Römischen Rechts. Zugleich wurde es selbst zu seinem Teil Förderer der sozialökonomischen Umgestaltung, deren fortschrittlichen Charakter kein Betrachter der geschichtlichen Entwicklung leugnen wird. Mit dem verzweigten heimisch-örtlichen Recht wäre das Leben der neuen Stufe nicht zu bewältigen gewesen. Die Umwandlung der motorisierenden Wirkung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in einen Bremseffekt und schließlich eine Hemmung der gesellschaftlichen Produktivität, demgemäß die allmähliche Erstarrung und Dogmatisierung, Lebensfremdheit, ja Lebensfeindschaft der kapitalistischen Rechtsordnung steht auf einem anderen Blatt. Dialektische Wertung sieht den Prozeß und folgt mit ihrem Urteil der realen Dialektik des Lebens. Auch das tatsächlich bestehende Übermaß an Normen und Funktionen, die Hypertrophie des Rechts und der Gerichte, ist nicht der eigentliche Krisengrund. Schiffer spricht gelegentlich selbst von dem Zusammenhang „zwischen der rastlosen Umbildung der Dinge und dem rastlosen Drehen der Gesetzesmühle“. Nicht so sehr die Zahl wie der Charakter der Gesetze, mit deren Anwendung es die deutsche Justiz während ihrer Dauerkrise zu tun hatte, nicht so sehr die Zahl der Richter dieser Periode wie ihr Wesen, ihre sozialen und politischen Bindungen, sind verantwortlich für die Feindseligkeit und das Mißtrauen der werktätigen Massen gegenüber Recht und Gericht. Auch das spürt Schiffer, wenn er der Eigenart der „moderen“ Gesetze nachgeht; aber ihre Charakterisierung als „Angstgeschöpfe und Kompromißprodukte aus juristischer Technik, politischer Taktik, Interessenbeeinflussung. Zufallsabstimmungen, Parteistreiterei, Popularitätshascherei, persönlicher Liebhaberei und Pressegeschrei“ mischt m. E. Falches und Richtiges, vor allem aber Unwesentliches und Wesentliches zu einem ungenauen Apercu. Interessentenbeeinflussung das ist das entscheidende Wort für die Gesetze des Klassenstaates und damit für die Arbeitsgrundlage seiner Richter. Entscheiden infolge geeigneter „Beeinflussungen“ die Interessen weniger Mächtiger über die Vieler, sehr Vieler, aber Ohnmächtiger, dann ist die Dauerkrise da. Nicht die Hypertrophie der „Wirtschaftsverordnungen“, gegen die sich Schiffer speziell wendet, sondern ihr antidemokratisch-monopolistisches Gepräge brachte das Unheil, und die ungeschriebenen Handelsgebräuche sind, wie Schiffer sagt, „eine gute Grundlage für die Rechtsprechung“ nur dann, wenn es gute, d. h. nicht ausbeuterische Handelsgebräuche sind. Für den wissenschaftlichen Sozialisten ist es klar, daß das Recht nie höher sein kann „als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft“, wie Marx an einer vielzitierten Stelle der „Kritik des Gothaer Programms“ sagt. Desto bemerkenswerter ist es, daß der Nichtmarxist Schiffer zwar den organisatorisch-technischen Reformen große Aufmerksamkeit schenkt, darüber aber das Sachlich-Inhaltliche, die Notwendigkeit einer Demokratisierung der Justiz, nicht vergißt, vielmehr auch hierzu viele Einzelvorschläge macht. Im Rahmen einer kurzen Würdigung ist es unmöglich, den zahlreichen Anregungen in der einen wie der anderen Richtung, von denen das Werk strotzt, gründlich nachzugehen. Daher nur noch ein paar Hinweise zu den Hauptpunkten. Zunächst in Richtung der technisch-organisatorischen Umgestaltung: da ist z. B. die Empfehlung eines weitgehenden Übergangs vom Kollegialprinzip zum Einzelrichtersystem, die tendenziell sicher das Rechte trifft (Begründung siehe oben: nicht die Zahl, sondern die Qualität der Richter entscheidet über den Wert des Rechtsschutzes) oder der Hinweis auf die Nützlichkeit einer Erweiterung der Rechtspflegerbefugnisse, deren Grenzen man m. E. sogar noch weiter erstrecken könnte. Da ist der Vorschlag der prinzipiellen Unklagbarkeit bei Bagatellsachen, der mir umgekehrt ein wenig zu weit geht, ferner die grundsätzlich sicher richtige Empfehlung der Schaffung von Familiengerichten als Schöffengerichte unterster Instanz auf der Basis der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der sympathische Gedanke einer Abschaffung der Eidespflicht und der Pflichtvereidigung, der die Problematik des ganzen Eidesinstituts zeigt, ohne sie ausdrücklich auszusprechen, oder der Vorschlag einer noch weiteren Eingrenzung von Privatklagesachen. Dagegen dürfte die zur Schließung einer empfindlichen Lücke gegebene Anregung der Schaffung besonderer Ehrengerichte (außerhalb des Strafprozesses) einer hinreichenden realen Grundlage entbehren, die Einführung einer Vorschußpflicht bei Strafanzeigen ungewünschte Ergebnisse ermöglichen, die Erwägung einer weitgehenden Einschränkung der Öffentlichkeit unserer demokratischen Justiz nicht gut zu Gesichte stehen. Das Adhäsionsverfahren, dem Schiffer das Wort redet, also die Miterledigung des zivilrechtlichen Komplexes bei strafbaren Eigentums- und Vermögensverietzungen, hat sich m.W. nicht recht eingebürgert im Gegensatz zu dem Ordnungsstrafverfahren, für dessen Ausdehnung Schiffer gleichfalls eintritt. Das Problem der Rechtsmittelbegrenzung und die lose damit zusammenhängende Frage einer Gestaltung der sogen, reformatio in peius bedürfen des Nachdenkens ebenso wie die Frage der Errichtung eines einzigen Revisionsgerichtes und das Problem der Rechtskrafterweiterung seiner Entscheidungen. Den Ausführungen Schiffers zum richterlichen Prüfungsrecht (S. 182 bis 195) kann ich aus den Gründen, die ich in meinem „Blocksystem“ (Berlin 1949 S. 62 ff.) entwickelt habe, nicht folgen, sie sind auch durch Art. 89 der inzwischen in Kraft gesetzten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik überholt. Von der systematischen Förderung einer nichtstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit in Zivilsachen verspreche ich mir keine demokratisierende Wirkung. Dagegen ist die Einführung einer allgemeinen sozialen Rechtsberatung sowie eine Entlastung der Justiz von Grundbuch-, Konkurs- und Entmündigungssachen in der einen oder anderen Weise empfehlenswert. Der Rückgliederung der Arbeitsgerichte in die ordentliche Justiz, für die sich Schiffer nachdrücklich einsetzt, dürfte, sobald die Bewußtseinsbildung unserer ordentlichen Gerichte hinreichend sozialen Charakter angenommen hat, durchaus zuzustimmen sein. Der Fürsprecher einer Rückführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die ordentliche Rechtspflege verkennt dagegen m. E. den sachlichen Charakter der Kontrolltätigkeit der Verwaltungsgerichte, zumal nach Überwindung der dreigeteilten Staatsgewalt. Der interessante Vorschlag Schiffers für eine übersichtliche dreiinstanz-liche Neugliederung unserer Gerichte (unter Aufhebung der Amtsgerichte, die mit den Landgerichten zu Bezirksgerichten verschmelzen sollen) ist tendenziell außerordentlich beachtenswert. Noch größere Aufmerksamkeit können Schiffers Vorschläge und Anmerkungen zur Demokratisierung der Justiz beanspruchen. Sein klares Ja zum Volksrichtertypus ohne Einseitigkeit gegenüber dem akademischen Ausbildungsverfahren, dessen Lehrthematik und Lehrmethode wohl noch gründlicherer Umgestaltung bedürfen, als das Schiffers Vorschlägen ent- 252;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 252 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 252) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 252 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 252)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

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