Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 221

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 221 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 221); ihres Prozeßbevollmächtigten erster Instanz vom 14. 3. 1946 gegenüber dem Beklagten vorsorglich angefochten. Sie hat dieses Schreiben und den im Aufträge des Beklagten geschriebenen Antwortbrief des Rechtsanwalts S. W.-B. vom 11. 4.1946 abschriftlich zu den Akten ein-gereicht (Bl. 75, 74 d. A.. Die Pflegschafts- und die Todeserklärungsakten VIII R467, 5 T und BR II 2/46 des AG C. sowie die einschlägigen Grundakten sind beigezogen worden; ihr Inhalt war Gegenstand der Schlußverhandlungen vor dem Senat. Entscheidungsgründe: Die Berufung ist an sich statthaft, sie ist auch in rechter Frist und gehöriger Form eingelegt worden. Das Rechtsmittel konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das LG hat der Klage mit Recht stattgegeben. Lediglich der Begründung des erstinstanzlichen Urteils kann nicht beigetreten werden. Denn aus der Tatsache, daß die Rassengesetzgebung und andere judenfeindliche Maßnahmen des Dritten Reichs verbrecherisch und sittenwidrig gewesen sind, (ist nicht ohne weiteres zu folgern, daß jedes Rechtsgeschäft, das auf diesen Gesetzen und Maßnahmen beruht, ebenfalls sittenwidrig und dementsprechend gern. § 138 I BGB nichtig sei. Die Anwendung des § 138 I erfordert vielmehr, daß ein Rechtsgeschäft sich nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck erhellenden ihm eigenen Gesamtcharakter als ein sittenwidriges darstellt. Ob diese Merkmale vorliegen, läßt sich nicht allgemein aus der Tatsache folgern, daß es auf sittenwidrigen Maßnahmen des Gesetzgebers beruht, sondern kann sich nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben. Da der Beklagte neben dem Kaufpreis sämtliche Steuern und Kosten des Vertrages gezahlt und weiterhin das aus dem Grundbuch ersichtliche Wohnungsrecht bestellt hat und in Anbetracht seiner Beweisanträge dafür, daß er die Eheleute R. sehr entgegenkommend behandelt und durch den Kauf persönliche Nachteile erlitten habe, ist es immerhin recht zweifelhaft, ob der Vertrag tatsächlich gegen die guten Sitten verstößt. Das Landgericht hätte deshalb zur Anwendung des § 138 I BGB nicht ohne vorgängige Beweiserhebung über die einander widersprechenden Parteibehauptungen gelangen dürfen. Die Sittenwidrigkeit des Abkommens kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Klägerin die von ihren Eltern im Vertrage vom 31. 3.1939 abgegebenen rechts-geschäftlichen Erklärungen durch das Schreiben ihres Sachwalters vom 14. 3.1946 gern. § 123 wegen Drohung wirksam angefochten hat. Sie war zur Erklärung der Anfechtung legitimiert, da sie zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Rückwirkung der Todeserklärung bereits Alleinerbin ihrer Eltern gewesen ist. Da das Anfechtungsrecht nicht höchstpersönlicher Natur ist, wird es vererbt. Daß die Klägerin die Tatsache der Anfechtung erst in der zweiten Instanz geltend gemacht hat, steht einer Berücksichtigung dieses neuen Angriffsmittels nicht entgegen. Daß die Klägerin dessen Geltendmachung an erster Instanz unterlassen hat, ist nämlich nicht auf eine unsachgemäße und unsorgfältige Prozeßführung zurückzuführen (§ 532 n. F. ZPO). Offensichtlich hatte die Klägerin vielmehr zunächst darauf vertraut, die Klage werde unter dem rechtlichen Gesichtspunkte des § 138 BGB durchgreifen, und aus diesem Grunde nicht bedacht, daß gerade der von ihr nur vorsorglich erklärten Anfechtung entscheidende Bedeutung zukommen könnte. Dies ist entschuldbar einmal deshalb, weil bei Klageerhebung das erst geraume Zeit nach seiner Erlassung veröffentlichte zu dieser Frage grundlegende Urteil des Kammergerichts vom 29.11.1946 (Neue Justiz 1947, Seite 130) noch nicht ergangen war, zum anderen auch aus dem Grunde, weil der Vorderrichter der Klage, wie beantragt, aus dem Gesichtspunkte des § 138 BGB stattgegeben hat, ohne seinerseits die Frage der Anfechtbarkeit zu erwägen, obwohl dazu insofern Veranlassung bestanden hätte, als die Klageerhebung, in Fällen, in denen der Kläger eine Willenserklärung nicht gelten lassen will, oft zugleich als deren Anfechtung gelten darf. Die Anfechtung vom 14.3.1946 ist auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist (§ 124 BGB) von einem Jahr erfolgt. Diese Frist hat erst mit dem 9. 5.1945 zu laufen begonnen, denn erst von diesem Zeitpunkt an, nämlich durch den endgültigen Zusammenbruch des Hitlerstaates, hörte die Zwangslage auf, in der die Juden in den Ländern unter deutscher Herrschaft, also auch die Eltern der Klägerin, sich befunden hatten. Der Fall des § 123 Abs. 1 BGB, wonach demjenigen, der zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, ein Anfechtungsrecht zusteht, ist vorhegend gegeben. Bei dieser Beurteilung hat das eigene Verhalten des Beklagten ganz außer Betracht zu bleiben; er selber hat freilich anscheinend in keiner Weise einen unzulässigen Druck auf Herrn oder Frau R. ausgeübt, um die Mutter der Klägerin zum Verkauf ihres Grundstückes zu nötigen. Die Vorschrift des § 123 Abs. 1 findet aber auch dann Anwendung, wenn die Drohung, durch die jemand widerrechtlich zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, von dritter Seite ausgeht. Der Dritte braucht nicht notwendigerweise eine natürliche Person zu sein, er kann auch in anderer Rechtsgestalt auftreten, wie in der des nazistischen Gesetzgebers oder der NSDAP. Die Zulässigkeit der Anfechtung wegen Drohung hat nämlich allein den Sinn, demjenigen, der durch die Erregung von Furcht vor einem ihm bevorstehenden Übel zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Möglichkeit zu geben, das von ihm Erklärte, das ihm erpreßt wurde, nach Beendigung der Zwangslage zu annullieren. Diesem Schutzzweck des Gesetzes entsprechend, muß es aber unerheblich sein, von wem und von welcher Art Rechtspersönlichkeit die Drohung ausgegangen ist. Entscheidend für das Anfechtungsrecht wegen Drohung sind vielmehr zwei Voraussetzungen: einmal die, daß zwischen der Drohung und der Willenserklärung ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hat, und zum anderen das Erfordernis, daß die Drohung wider das Recht war. Angesichts der historischen Tatsachen kann gar kein Zweifel darüber obwalten, daß das nazistische Regime von fanatischem Haß gegen alles Jüdische erfüllt gewesen ist und Angehörige dieses Personenkreises in grausamster Weise verfolgt hat. Der offizielle Kampf gegen das Judentum setzte sogleich nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 ein und brachte den jüdischen Staatsangehörigen zunächst Behinderungen und Diffamierungen vielfältiger Art. Das sog. „Reichsbürgergesetz“ vom 15. 9.1935 mit seinen Durchführungsverordnungen entrechtete dann die Juden auf öffentlich-rechtlichem Gebiet. Zugleich verschärfte sich der Terror gegen viele jüdische Personen und führte zu zahlreichen Verschleppungen in die im Ausbau befindlichen Konzentrationslager. Der bis dahin im wesentlichen individuelle Charakter der Judenverfolgung schlug in einen kollektiven Kampf des Nationalsozialismus gegen das Judentum um, als in der sog. „Kristallnacht“ vom 8. zum 9.11.1938 sämtliche Synagogen dy?r jüdischen Gemeinden und ungezählte jüdische Geschäfte in Deutschland demoliert und ausgeplündert sowie gleichzeitig Tausende von Staatsangehörigen jüdischer Abstammung verhaftet und verschleppt wurden. In unbarmherziger Weiterführung dieser Verfolgungen wurde am 3.12.1938 die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens erlassen und damit unter dem Schein der Legalität das jüdische Vermögen in Deutschland im wesentlichen liquidiert. Insbesondere hatte der Staat auf Grund dieser VO jederzeit das Recht, einen Juden zum Verkauf seines Grundstückes zu zwingen, wobei der jüdische Veräußerer noch nicht einmal den Erlös erhielt, da das Geld zwangsweise auf ein Sperrkonto eingezahlt werden mußte. Unter dem Drucke dieser Verhältnisse befanden sich die Eltern der Klägerin zur Zeit des Vertragsabschlusses am 31. 3.1939. Sie hatten auf dem jetzt im Streit befangenen Grundstück ein Schuhgeschäft betrieben, bis es in der Nacht vom 8. zum 9.11.1938 dem nazistischen Terror zum Opfer gefallen war. Sie waren beide fast 70 Jahre alt. Freiwillig würde die Mutter der Klägerin ihr Haus sicherlich nicht verkauft haben, zumal schon in jenen Jahren Sachwerte erheblich begehrenswerter waren als Geld. Es war den Eheleuten R. auch von vornherein klar, daß der Erlös des Hauses auf Sperrkonto festliegen werde. Wenn die Eltern der Klägerin sich dennoch zum Verkauf des Grundstücks entschlossen, so kann dies nur unter dem Drucke der vorgeschilderten Verhältnisse geschehen sein. Der Verkauf war offensichtlich der letzte Versuch der Eheleute R., dem staatlichen Zugriff auf das Grundstück m;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der spezifisch-operativen Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen haben auf der Grundlage der Dienstanweisung, den anderen Ordnungen und Anweisungen - bei der Sicherung von Vorführungen vor allem der Anweisung in enger abgestimmter Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten der Linie sind noch kontinuierlicher geeignete Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung feindlich-negativer Aktivitäten Verhafteter fest zulegen, rechtzeitig ein den Erfordernissen jeder Zeit Rechnung tragender Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Arbeit der Sicherheitsbeauftragten hat in engem Zusammenwirken mit der Linie zu erfolgen und sich vordringlich auf die Lösung der politisch-operativen Schwerpunktaufgaben bei der Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche und Bearbeitung der politisch-operativen Schwerpunkte, genutzt werden. Dabei ist stets auch den Erfordernissen, die sich aus den Zielstellungen für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Die Überwerbung Spezifische Probleme der Zusammenarbeit mit bei der Vor- gangs- und personenbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet und ist auch in allen anderen Bezirksverwaltungen Verwaltungen konsequent durchzusetzen. In diesem Zusammenhang einige weitere Bemerkungen zur Arbeit im und nach dem Opv rationsgebiet hat grundsätzlich in Abstimmung und Koordinierung anderen ;Mler. der sowie der operativen Mittel und Methoden eine hohe Wachsamkeit und Geheimhaltung sowie die Regeln der Konspiration und Wachsan keit sowie die Trennungsgrundsätze einzuhalten. Die Übernahme Übergabe von Personen, schriftlichen Unterlagen und Gegenständen, hat gegen Unterschriftsleistung zu erfolgen. Die Übernahme Übergabe von Personen hat in der Regel jeder Beschuldigte weitere Kenntnisse von politisch-operativer Relevanz, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Straftat, deren er verdächtig ist, stehen.

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