Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 22

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 22 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 22); reformatio in peius entsprang aber vorwiegend nationalsozialistischen Gedankengängen insofern, als dabei der Wille zur Härte zum Ausdruck kam, der in der strafrechtlichen Gesetzgebung nach dem 30. Januar 1933 das Übergewicht erhielt. Vor allem bestehen jedoch gegen die reformatio in peius folgende Bedenken: sie hemmt die Verurteilten beim Gebrauch der ihnen zustehenden Rechtsmittel, weil sie befürchten müssen, ihre Lage dadurch nur zu verschlechtern. Ihr Verbot ist deshalb eine wichtige Schutzbestimmung zunächst zu Gunsten des Verurteilten, in einer Vielzahl von Fällen wohl aber überhaupt eine Bestimmung zur Sicherung objektiver Verfahrensergebnisse, die die Reehtsmittelinstan,z in höherem Maße gewähren kann. Nach Abwägung dieser Umstände ist der Senat im Einklang mit der verbreiteten Rechtsprechung und herrschenden Lehre (z. B. OLG Gera, Urteil vom 11. Dezember 1948, s. „Neue Jusitz“ 1947, S. 104) zu der Auffassung gelangt, daß das Verbot der reformatio in peius (§ 358 Absat 2 also wieder in alter Fassung) Anwendung findet, d. h. daß auch bei anderer rechtlicher Würdigung der Strafausspruch nicht verschärft werden darf. Um etwaige Zweifel auszuschließen, wird noch darauf verwiesen, daß das Prinzip der Unzulässigkeit einer Strafverschärfung nicht bedeutet, daß die Rechtsmittelinstanz in der rechtlichen Beurteilung gebunden ist; sie muß vielmehr den Urteilsspruch ändern, wenn er für rechtlich falsch befunden wird; es darf nur das Strafmaß nicht erhöht bzw. die Straftat nicht verschärft werden. Danach durfte das Landgericht keine höhere Strafe als fünf Jahre Gefängnis auswerfen. Das Urteil ist deshalb insoweit zu ändern. Anmerkung: Vgl. hierzu die Beiträge auf S. 7ff. dieses Heftes. § 338 StPO. Wer nach der Kontrollrats-Direktive Nr. 24 und den entsprechenden Anordnungen der SMAD nicht Richter sein darf, ist im Sinne des § 338 Ziffer 2' StPO kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen. OLG Dreden, Urteil vom 10.9.1948 20. 118/48. Bei dem angefochtenen Urteil hat ausweislich des Protokolls der Amtsgerichtsrat Sch. mitgewirkt. In einem gegen diesen anhängigen Verfahren wegen Fragebogenfälschung hat Sch. zugegeben, den Fragebogen falsch ausgefüllt und verschwiegen zu haben, daß er der NSDAP und der SA angehört habe. Er sei seit 1933 Mitglied der SA in der Dienststellung eines Truppführers gewesen. Nach § 338 Ziffer 2 StPO ist ein Urteil stets als auf einei®Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehn und Im Revisionsverfahren aufzuheben, wenn bei dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft des Gesetzes ausgeschlossen war. Die Direktive des Alliierten Kontroll-rats Nr. 24 bestimmt, daß alle Mitglieder der SA, die zu irgendeiner Zeit einen Offiziers- oder Unteroffiziersrang bekleideten, aus öffentlichen Ämtern zu entfernen sind. Für den Justizdienst sind in Sachsen von der SMA wesentlich weitergehende Anordnungen getroffen worden. Sowohl die Direktive Nr. 24 als auch die noch weitergehenden Anordnungen der SMA sind für die Auslegung von Ziffer 2 des § 338 StPO einem Gesetz gleichzustellen. Das angefochtene Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Zum Gesetz Nr. 10 und zur Direktive Nr. 38 des Kontrollrats (vgl. Nr. 10/11-48 S. 237) Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat die Frage der Beteiligungsform nicht die gleiche Bedeutung wie im sonstigen Strafrecht. Handeln auf Befehl muß nicht strafmildernd berücksichtigt werden. OLG Halle, Urteil v. 5.4.1948. ERKs. 8/48 Die Revision rügt, das Urteil habe nicht festgestellt, ob der Angeklagte als Täter oder Beihelfer oder in einer der anderen in Art. II Zifl. 2 KRG Nr. 10 angeführten Beteiligungsformen schuldig geworden sei. Sie meint, daß eine Feststellung hierzu notwendig gewesen sei, weil sie nicht ohne Einfluß auf die Strafzumessungsgründe gewesen wäre. Eine ausdrückliche Feststellung darüber, ob der Angeklagte als Täter, Mittäter oder Beihelfer oder als sonstiger Beteiligter im Sinne der Zilf. 2 anzusehen ist, findet sich im Urteil nicht, jedoch wird man regelmäßig von der Annahme ausgehen müssen, daß ein Gericht einen Angeklagten, den es verurteilt, als Täter bzw. Mittäter ansieht, wenn.es sich nicht ausdrücklich darüber ausläßt, ob er als Beihelfer, Gehilfe oder in einer sonstigen Beteiligungsform in strafbarer Weise tätig geworden ist. Der Senat nimmt daher an, daß auch im vorliegenden Fall die Strafkammer den Angeklagten als Täter bzw. als Mittäter angesehen hat. Im übrigen ist aber auf folgendes hinzuweisen: KRG Nr. 10 schreibt nicht vor, daß ein Angeklagter, wenn er nicht als Täter oder Mittäter, sondern als Beihelfer oder in einer sonstigen strafbaren Beteiligungsform tätig geworden ist, milder zu bestrafen ist, als ein Täter oder Mittäter. KRG Nr. 10 bestimmt, daß gegen denjenigen, der sich in irgendeiner der in Ziff. 2 angeführten Beteiligungsformen schuldig gemacht hat, die gerechte Strafe aus dem sehr weiten Strafrahmen der Ziff. 3 zu entnehmen ist. KRG Nr. 10 kennt nicht für die Beihilfe usw. einen besonderen, niedrigeren Strafrahmen. Aus diesem Grunde spielt die Frage, ob ein Verhalten als Mit-" täterschaft oder Beihilfe oder sonstwie rechtlich zu bezeichnen ist, nicht die Rolle, die sie im deutschen Strafrecht auf Grund der alten Fassung der §§ 42, 44 StGB, die den Strafrahmen der Beihilfe niedriger begrenzt als den Strafrahmen der Mittäterschaft, gespielt hat. Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ansicht, daß der Angeklagte als Mittäter und nicht als Beihelfer gehandelt hat, wird durch die tatsächlichen Feststellungen des Urteils ausreichend getragen. Wer als Nationalsozialist, wie es hier der Fall ist, an Verbrechen gegen die Menschlichkeit mitwirkt, wird dies regelmäßig tun, weil er eben als Nazi mit der Mitwirkung an diesem Verbrechen seine eigene Sache betreibt, er will politische Gegner verfolgen, weil dies seiner eigenen politischen, den Terror billigenden Einstellung entspricht. Nur in Ausnahmefällen wird daher ein Gericht besonders zu prüfen haben, ob bei einer bestimmten Terrorhandlung ein mitwirkender Nationalsozialist nur als Beihelfer oder Gehilfe tätig war. Im vorliegenden Falle ist weiter noch darauf hinzuweisen, daß derjenige, der körperliche Mißhandlungen einem anderen zufügt, wohl regelmäßig als Täter bzw. als Mittäter dieser Straftaten anzusehen ist. Körperliche Mißhandlungen, vom Angeklagten selbst verübt, hat aber die Strafkammer im vorliegenden Fall als Ausführungshandlungen des dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechens gegen die Menschlichkeit festgestellt. Nach alledem ist die vorstehend erörterte Revisionsrüge unbegründet. Die Revision rügt weiter, das Urteil habe nicht geprüft, ob der Auftrag der SA an den Angeklagten, verhaftete Nazigegner zu fahren, ein „Befehl“ gewesen sei. Diese Prüfung sei erforderlich gewesen* weil ein Befehl nach Art. II Ziff. 4 b KRG Nr. 10 strafmildernd zu berücksichtigen* sei. Es ist nicht ersichtlich, daß der Angeklagte sich auf einen Befehl berufen hat. Mithin kann es nicht eine Gesetzesverletzung bedeuten, wenn das Gericht diese Möglichkeit nicht erörtert hat. Außerdem schreibt Ziff. 4 b nicht vor, daß ein Befehl als strafmildernd berücksichtigt werden muß, sondern nur, daß dies geschehen kann. Im übrigen zeigen die tatsächlichen Feststellungen, die die Strafkammer in ihrem Urteil getroffen hat, daß keine Veranlassung bestanden hätte, den Angeklagten mit einer milderen Strafe zu belegen, wenn er sich auf einen Befehl, an der Verhaftungsaktion teilzunehmen, berufen hätte. Wer, wie der Angeklagte, auf dem Heimwege von der Aktion äußert: „heute hättet ihr im Hohenzollem sein müssen, da haben wir die Strolche kaputtgeschlagen“, und wer dann weiter das Fehlen eines Knopfes an seinem Karabinerhaken voller Stolz damit erklärt, daß dieser Knopf im Kopfe eines solchen Strolches stecken müsse, kann sich für Handlungen, die seinem eigenen terroristischen Sadismus entsprechen, nicht auf einen Befehl berufen. 22;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 22 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 22) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 22 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 22)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit noch vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung weitestgehend ausgeräumt werden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Entscheidungsvorbereitung über die Einleitung von Ermittlungsverfahren und zur Gewährleistung der Rechtssicherheit. Das Strafverfahrensrecht der bestimmt nicht nur die dargestellten Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß der Verdacht einer Straftat besteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsvertahrens.

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