Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 219

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 219 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 219); jeher umstrittene Frage, ob sich das Armenrecht im eigentlichen Eheprozeß auch auf die Anträge auf einstweilige Anordnungen erstreckt, in großzügiger und m. E. gerechterer Weise beantworten können. Die frühere Rechtsprechung hat diese Frage größtenteils verneint. Die Einfügung des § 627 c ZPO durch die 4. DVO zum EheG 38 hatte kostenrechtlich insoweit eine Änderung der Rechtslage gebracht, als nunmehr die Kosten der Verfahren nach § 627 ZPO für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten der Hauptsache gelten. Das ist eine grundlegende Wandlung in der Betrachtung dieser „nebenherlaufenden“ Verfahren. Es wird jetzt betont, daß sie im unmittelbaren inneren Zusammenhang mit der Hauptsache stehen. Ob man daraus schließen kann, daß die allgemein vertretene Ansicht, es würden dennoch für diese Antragsverfahren gesonderte Gebühren fällig, ihre innere Berechtigung verloren hat, kann hier unerörtert bleiben. Erstreckt man das Armenrecht der Hauptsache generell auf diese Verfahren, so ist diese Frage von untergeordneter Bedeutung. Fest steht doch, daß mit derartigen Anträgen fast ausnahmslos Ansprüche geltend gemacht werden, denen eine Dringlichkeit und Berechtigung nur in Ausnahmefällen abgesprochen werden kann. Häufig handelt es sich um „Notwehrakte“, deren Ver-und Behandlung eben nicht bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren hinausgeschoben werden kann. Die sind aber innerlich fest mit der Hauptsache verbunden. Eine grundsätzliche Ausdehnung des Armenrechts auf diese Anträge erscheint mir unter diesen Gesichtspunkten durchaus recht und billig. (Bezeichnenderweise werden diese Verfahren im Geschäftsgang nicht gesondert, sondern nur als Sonderhefte geführt.) Das ist um so eher zu rechtfertigen, als durch die angestrebte Einschränkung der Armenrechtsbewilligung im allgemeinen auch die Möglichkeit eines Mißbrauchs bei der Erstreckung auf diese Nebenverfahren verringert wird. Außerdem kann das Gericht jederzeit das Armenrecht auf die Hauptsache beschränken, wenn es dies für zweckmäßig und gerecht hält. 4. Die Parteivemehmung im Eheprozeß. Sie ist kostenrechtlich gesehen ebenso heftig umstritten. Es erübrigt sich, auf die einander völlig widersprechenden Entscheidungen der OLG und des KG einzugehen, zumal es sich doch ausschließlich um Entscheidungen aus der Zeit vor 1945 handelt (neuere Entscheidungen sind noch nicht bekannt geworden). Da die Gerichte sich nach wie vor nicht darüber klar sind, wann und unter welchen Voraussetzungen bei Parteigehör dm Ehestreit eine Beweisgebühr fällig wird1), steht der Kostenbeamte immer wieder vor der Frage, ob eine Beweisgebühr entstanden ist oder nicht. Nun wird bei einer angemessenen Streitwertfest-setz.ung die finanzielle Belastung der kostenschuld-nenischen Partei sich im Rahmen des Tragbaren halten und gerade der Kostenbeamte soll die Interessen der Staatskasse nicht unbeachtet lassen. Indessen könnte vielleicht diese Streitfrage dadurch an den Hintergrund gedrängt werden, daß der Richter im vorbereitenden Termin durch eingehende Anhörung der Parteien den Sachverhalt bereits soweit klärt, daß eine Parteivemehmung im Streitverfahren auf Sonderfälle beschränkt wird. Die Verwertung der Ergebnisse einer solchen Parteianhörung in den Urteilsgründen ist unbedenklich. Fraglich bleibt nur, ob die Anhörung im Vorbereitungstermin mit späterer Verwertung im Urteil eine Beweisgebühr entstehen läßt. Ich möchte dies verneinen. Zusammenfassend ist aber festzustellen, daß Ansatzpunkt für eine gerechte und soziale Lösung der Frage des Armenrechts und der damit zusammenhängenden Probleme im Eheprozeß die fortschrittliche Ausnutzung der dem Richter nunmehr gegebenen Möglichkeit ist, den Streitwert beweglich festzusetzen. Just.-Ang. Gerhard Friedrich, AG Reichenbach (V) !) Die Beweisgebühr entsteht nur bei formeller Vernehmung der Partei nach § 445 ZPO, nicht aber bei deren bloßer Anhörung mag diese im vorbereitenden Termin oder im Verhandlungstermin erfolgt sein. Den Ausführungen des Verfassers zu Ziff. 4 ist daher nicht beizupflichten. Weiß Bericht über den Fortbildungslehrgang für Strafvollzug in Ichtershausen vom 27. 6. bis 2. 7. 1949 Der von dem Generalstaatsanwalt in der Landes-strafanstalt in Ichtershausen durchgeführte Strafvollzugslehrgang war sowohl in der Vorbereitung als auch in der äußeren Gestaltung durch den Anstaltsleiter derart gelungen, daß gewünscht werden kann, es würden in Zukunft für alle Richter und Staatsanwälte, wenn nicht sogar für alle in der Strafvollstreckung tätigen Justizbediensteten, derartige Lehrgänge eingeführt. Gerade für uns Richter aber, die wir sonst nur am Verhandlungstisch mit dem Gefangenen in Berührung kommen, war die Unterrichtung über die Einzelheiten des Strafvollzugs und der Strafvollstreckung und insbesondere die tagelange Anschauung des Lebens in der Strafanstalt, vor allem aber die Betrachtung des Lebens der Häftlinge und die Gelegenheit zu persönlichen Unterredungen mit ihnen von Mensch zu Mensch, von besonderer Bedeutung für unsere weitere berufliche Tätigkeit. Das erste Referat wurde von dem Referendar Ledenig gehalten, der über die geschichtliche Entwicklung des Gefängniswesens berichtete und dabei vieles brachte, was den meisten Teilnehmern bis dahin unbekannt war. Anschließend sprach der Leiter der Anstalt Ichtershausen, Pahl, über die jetzigen Aufgaben des Strafvollzugs unter besonderer Berücksichtigung der Kontrollratsdirektive Nr. 19. Pahl konnte dabei sowohl seine Erfahrungen aus seiner eigenen Haftzeit wie auch die Erfahrungen verwenden, die er während seiner früheren Tätigkeit im Strafvollzug in Mecklenburg gesammelt hatte. Im Anschluß an dieses Referat wurde die Anstalt Ichtershausen eingehend besichtigt. Dabei nahmen wiir Gelegenheit, uns im einzelnen über den Stand des Verfahrens zahlreicher Untersuchungshäftlinge, von denen wir uns einige vorführen ließen, zu unterrichten. Gerade durch die Überprüfung einiger solcher Fälle wurde uns wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Haftsachen mit größter Beschleunigung zu bearbeiten. Am nächsten Tag sprach der Anstaltsleiter der kürzlich wieder in Betrieb genommenen großen Brandenburger Anstalt für 201 Häftlinge, Locherer, sehr anschaulich und lebendig über Sinn und Zweck des Strafvollzuges, der vor allem der Resozialisierung der Gefangenen durch Arbeit zu dienen habe. Auch bei Locherer merkte man, daß er seine Erfahrungen nicht nur als Anstaltsleiter, sondern auch als Gefangener erworben hatte und daß er sich gerade deshalb mit allen Kräften für eine richtige Gestaltung des Strafvollzuges einsetzt. Locherer wies besonders auf die Notwendigkeit der eingehenden Differenzierung der Gefangenen hin, hob die Bedeutung des Erziehungsgedankens im Strafvollzug und damit die Notwendigkeit hervor, in den Anstalten geeignete Sozialpädagogen einzustellen. Weiterhin wies er mit Recht darauf hin, daß zwar die Arbeit der Gefangenen die wesentlichste Grundlage des neuen Strafvollzuges sei, daß die Arbeit selbst aber nie als Strafe erscheinen dürfe. Am Nachmittag desselben Tages sprach Amtsgerichtsrat Gomolka, Gera, ziemlich nüchtern über die gesetzlichen Grundlagen des Jugendstrafrechts. Um so anschaulicher waren die anschließenden Ausführungen des Leiters des Jugendgefängraisses Eisenach, Wesche, über den Jugendstrafvollzug, der auf Grund seiner Erfahrungen als Leiter dieser Anstalt nachwies, daß die jugendlichen Täter, weil es sich bei ihnen um noch nicht ausgereifte Menschen handele, durch ganz andere Dinge zu beeindrucken seien, als ältere Häftlinge und daß hier der Erziehungsgedanke noch viel mehr in den Vordergrund gerückt werden müsse. Er berichtete, daß jetzt auch in Thüringen die Einrichtung von Jugendwerkhöfen (beispielsweise iri Gräfenwörth bei Gotha) geplant sei, und vertrat den Standpunkt, daß durch die Einrichtung solcher Jugendwerkhöfe das Jugendgefängnis grundsätzlich überflüssig werden würde, da dann geschlossene Anstalten nur noch für ganz besonders gelagerte Fälle erforderlich sein würden. Am 29. 6.1949 wurden uns zunächst in einem Referat des Oberinspektors Seidel, Ichtershausen, die einzelnen 219;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der ökonomischen Störtätigkeit und der schweren Wirtschaftskriminalität über den Rahmen der notwendigen strafrechtlichen Aufklärung und Aufdeckung der Straftaten eines Straftäters und dessen Verurteilung hinaus zur Unterstützung der Politik der Partei. Bur mit Gewißheit wahre Ermittlungsergebnisse bieten die Garantie, daß im Strafverfahren jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger zur Verantwortung gezogen wird. Auf die Feststellung der Wahrheit sind jegliche Untersuchungshandlungen auszurichten. Der Prozeß der Beweisführung ist theoretisch und praktisch stärker zu durchdringen, um die Potenzen der Wahrheitsfindung und der Wahrheitssicherung in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages der und der nachfolgenden Tagungen des der orientieren vor allem auf die weitere Herausbildung und Festigung sozialistischen Rechtsbewußtsein, auf die Wahrung und Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit in unserer gesamten Arbeit zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für unser offensives Vorgehen im Kampf gegen den Feind.

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