Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 205

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 205 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 205); waltungsrechtsräte“, also juristisch vorgebildeter beruflicher Sonderanwälte, wieder belebt. Diese stichwortartige Darstellung der wichtigsten Vorschriften über die personelle Zusammensetzung der Verwaltungsgerichte kennzeichnet ihren Charakter und ihre Aufgabe eindeutig. Diese Gerichte sind angesichts des in Westdeutschland bei der heutigen wirtschaftlichen Situation mehr denn je gesicherten Bildungsmonopols der besitzenden Klassen durch das Erfordernis akademischer Ausbildung für alle hauptamtlichen Richter schon klassenmäßig eine eindeutige Interessenvertretung der wirtschaftlich herrschenden Schicht. Die weitaus meisten der jetzt amtierenden Richter waren überdies in dieser oder jener Form mit dem nazistischen Staatsapparat eng verbunden und kommen aus dessen Gedankenwelt. Darüber hinaus isoliert die soziale Privilegierung und scheinbare Lösung der Richter aus der Tagespolitik diese völlig von den unter den Folgen der alliierten Politik in Westdeutschland schwer leidenden und um ihre nationale und soziale Existenz kämpfenden Massen des Volkes. Diese Isolierung bringt die Richter aber gleichzeitig zwangsläufig in eine ihre innere Freiheit ausschließende wirtschaftliche und geistige Abhängigkeit von den wahren aus- und inländischen Machthabern des von diesen erstrebten westdeutschen Separatstaates, den Exponenten des USA-Imperialismus. Es mag mancher dieser Richter sich subjektiv ehrlich einbilden, nur dem Gesetz oder einer abstrakten Gerechtigkeit zu dienen; objektiv wird er sich angesichts seiner wirtschaftlichen und politischen Lösung von dem seinen nationalen Befreiungskampf gegen diese Machthaber kämpfenden Volk diesen Zwangsläufigkeiten nicht entziehen können. Das bedeutet aber, daß die letzte Kontrolle aller öffentlichen Verwaltungstätigkeit und damit auch die letzte politische und wirtschaftliche Entscheidungsbefugnis einer dem Volk und seinem Schicksal entfremdeten und letzten Endes nur dem über Westdeutschland herrschenden Besatzungsregime verpflichteten Richterkaste übertragen werden, die infolge ihrer privilegierten Stellung jeder persönlichen und politischen Verantwortung gegenüber dem Volk entzogen ist. Man mag im Bonner Verfassungsrecht manche scheindemokratische Regelung eingebaut haben, hier ist einer der Hebel, durch den nach dem Willen der Bonner Gesetzgeber und ihrer Auftraggeber jedes scheinbare demokratische Zugeständnis aus den Angeln gehoben werden kann. In der Statuierung der Generalklausel für eine derartige Verwaltungsgerichtsbarkeit liegt eine staats- und verwaltungsrechtliche Garantie für die Kolonisierung Westdeutschlands, die durchaus ebenbürtig neben ihren völkerrechtlichen Garantien durch Ruhrstatut, Besatzungsstatut und Statut der Hohen Alliierten Kommission für Deutschland genannt zu werden verdient. IV. Es mag zur Kennzeichnung der politischen Rolle so mancher Vertreter westdeutscher Justiz und westdeutscher Juristen am Rande erwähnt sein, daß es in Rechtsprechung und Schrifttum Westdeutschlands Tendenzen gibt, diese durch die VO Nr. 165 begründete antidemokratische Herrschaft der Justiifoürokratie im Wege der Auslegung noch über den Wortlaut der Verordnung hinaus auszudehnen. So versucht man, die Anwendbarkeit der Generalklausel über den Termin des 1.4.1948 hinaus zurückzudatieren, den die der VO Nr. 165 vorausgehende VO Nr. 141 der Brit. Mil.-Reg.19) für die bnit. Zone festgesetzt hatte. Man ist weiter bemüht, vor dem 1.4.1948er-gangene Verwaltungsakte, die an diesem Stichtag nur noch im Rechtsmittelverfahren oder auch bloß im Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren schwebte, mit der Begründung vor den Verwaltungsgerichten noch anfechtbar zu machen, daß eine nach dem 1.4.1948 in einem solchen Verfahren ergehende Entscheidung einen neuen, jetzt nach der VO Nr. 165 anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle. Oder man vertritt die Ansicht, die Nichtigkeit von Verwaltungsakten könne jederzeit, also auch ohne Rücksicht auf den Stichtag des 1. 4.1948, geltend gemacht werden. Alle derartigen Auffassungen lassen deutlich die Absicht erkennen, nach Möglichkeit alle seit 1945 vorgenommenen Ver- 5) VOBl. f. 3. Brit. Zone 1948, a 111 ff. waltungsakte durch die vorstehend charakterisierten Verwaltungsgerichte neu überprüfen zu lassen. Hierdurch sollen offenbar selbst die bescheidenen westdeutschen Demokratisierungsmaßnahmen teilweise revidiert werden. Es ist jedenfalls sehr bezeichnend, wenn selbst in der Hamburger Zeitschrift „Deutsche Verwaltung“1) mitgeteilt wird, daß in Niedersachsen in den ersten Monaten nach dem Inkrafttreten der VO Nr. 165 „ein Ansturm von Klagen“ einsetzte, „die die Aufhebung lange zurückliegender, nach dem damaligen Rechtszustand endgültig abgeschlossener Entscheidungen zum Ziele hatten“, und daß die Verwaltungsgerichte selbst hiergegen einen entschiedenen Kampf führen mußten. V. Die Richtigkeit der im Vorstehenden gezogenen Schlußfolgerung, daß die Einführung der Generalklausel für die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Westdeutschland eine gewollt antidemokratische Maßnahme ist, wird bereits durch einige bisher bekannt gewordene Urteile westdeutscher Verwaltungsgerichte bestätigt. Charakteristisch dafür, welche weitgehenden Befugnisse jetzt den Verwaltungsgerichten in Westdeutschland eingeräumt werden, ist die Tatsache, daß diese das Recht für sich in Anspruch nehmen können, beamtenrechtliche Anstellungs- und Entlassungsakte zu überprüfen. Das Recht der Weimarer Republik kannte lediglich eine Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche von Beamten vor den ordentlichen Gerichten, entzog aber die solchen vermögensrechtlichen Auswirkungen zugrundeliegenden beamtenrechtlichen Akte, abgesehen von dem kaum je beweisbaren Fall der Willkür, jeder richterlichen Nachprüfung. Die westdeutschen Verwaltungsgerichte können jetzt auf Grund der Generalklausel erheblich weiter gehen. Das Hamburger Verwaltungsgericht erkannte bereits die Klage eines entlassenen Beamten auf Wiedereinstellung in den Dienst an* 17), und der Hessische Verwaltungsgerichtshof hielt die Anfechtung einer beamtenrecht-lichen Entlassungsverfügung für zulässig18). An diesen Fällen zeigt sich deutlich, in welchem Umfang die Befugnis zur letzten Entscheidung bei der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte statt von demokratischen Vertretungskörperschaften oder von diesen gewählten oder wenigstens kontrollierten Organen von den politisch völlig unverantwortlichen Verwaltungsgerichten in Anspruch genommen wird. Das zuletzt erwähnte hessische Urteil ist auch insoweit aufschlußreich, als es in einem Nebensatz die Wiederherstellung der deutschen Einheit, wenigstens für absehbare Zeit, kurzerhand abschreibt. In solchen Feststellungen offenbart sich der soziale Charakter und die politische Funktion der westdeutschen Justizbürokratie ebenso deutlich wie in jenem, selbst von offiziellen westdeutschen Kommentatoren abgelehnten skandalösen Urteil desselben Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7.1.194919), durch das diese antidemokratische Justizbürokratie einen der wirklich fort-; schriftlichen Verfassungsgrundsätze der hessischen Verfassung kurzerhand aufhob. In diesem Urteil ging es um die Frage, ob ein hessischer Bürger unter Berufung auf Art. 59 Abs. 1 der hessischen Verfassung, nach dem der Unterricht in allen Schulen unentgeltlich ist, Schulgeldfreiheit für seine Kinder bei Besuch eines Realgymnasiums verlangen könne. Das Gericht stellt in seinem Urteil entgegen dem klaren Verfassungswortlaut fest, daß die hessische Verfassung mit diesem Artikel kein unmittelbar geltendes Recht habe setzen, sondern vielmehr „die endgültige Normierung dem Gesetzgeber habe überlassen und nur dessen Bindung an einen programmatischen Grundsatz habe schaffen“ wollen. Dieses sozial untragbare Ergebnis wird in geradezu grotesker Weise damit begründet, daß nach der Verfassung nicht nur der Unterricht, sondern auch die Lernmittel kostenlos gegeben werden sollten und daß deshalb angesichts der großen praktischen Tragweite und Auswirkung dieser Regelung ihr Charakter als unmittelbar geltendes Recht nicht angenommen werden könne. “) 1349, S. 202. 17) Urtei' v. 10. Juni 1948 in „Monatsschrift für Deutsches Recht“ 1948, S. 261. ls) Urteil v. 7. Januar 1948 in „Deutsche Verwaltung" 1948. S 18 lfl) „Deutsche Verwaltung“ 1949, S. 103. 306;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 205 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 205) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 205 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 205)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel unzweckmäßig, Aufzeichnungen von schriftungewandten Beschuldigten und solchen mit mangelndem Intelligenzgrad anfertigen zu lassen; hier genügt die abschließende Stellunonahme zur Straftat.

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