Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 204

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 204 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 204); Die VO Nr. 165 verwirklicht das sogenannte Prinzip der „Generalklausel“, d. h. der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für die Nachprüfung grundsätzlich aller Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit, in einem bisher in Deutschland unbekannt gewesenen Umfang. Nach ihrem § 22 Abs. 1 sind grundsätzlich alle Verwaltungsakte vor den Verwaltungsgerichten anfechtbar. Ausnahmen gelten im wesentlichen nur, wenn die Zuständigkeit ordentlicher oder anderer Gerichte7), insbesondere von Verwaltungssondergerichten (z. B. der Finanzgerichte in der brit. Zone) gegeben ist. Das Anwendungsgebiet des § 22 Abs. 1 der VO Nr. 165 ist vor allem deshalb so weit, weil die VO Nr. 165 die Begriffe „Verwaltungsakt“ und „Verwaltungsbehörde“ in ihrem § 25 selbst definiert und dabei in erheblich erweiterndem Sinne von den bisher von der Verwaltungswissenschaft entwickelten Begriffsbestimmungen abweicht Nach § 25 der VO Nr. 165 ist als Verwaltungsakt im Sinne ihres § 22 „jede Verfügung, Anordnung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen wird“, anzusehen. Als „Verwaltungsbehörde“ aber wird „jede mit Aufgaben der Verordnung betraute deutsche Stelle (vom Verfasser gesperrt), ohne Rücksicht auf ihre Rangstufe oder Besetzung, jedoch mit Ausnahme der 'Gerichte und Amtsstellen der Religionsgesellschaften“ bezeichnet. Gerade die Verwendung des völlig unbestimmten und sowohl in der wissenschaftlichen wie in der gesetzlichen Terminologie gänzlich ungebräuchlichen Begriffs „Stelle“ beweist die Absicht, eine möglichst schrankenlose Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu schaffen. Bezeichnenderweise ist auch in der westdeutschen Literatur über die VO Nr. 165 darauf hingewtiesen worden, daß durch diese Formulierung z. B., sowohl Maßnahmen von Landesregierungen wie auch Handlungen privatrechtlicher Vereine, die mit der Erledigung öffentlicher Aufgaben betraut sind, der Nachprüfung durch Verwaltungsgerichte unterstellt werden8). Wenn man weiter berücksichtigt, daß § 115 der VO Nr. 165 noch ausdrücklich die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Klagen gegen Anordnungen der Kommunalaufsichtsbehörden bei staatlichen Eingriffen in Selbstverwaltungsangelegenheiten begründet, also auch die Beziehungen zwischen Staat und Selbstverwaltungskörperschaften einer Justizkontrolle unterstellt, so gewinnt man einen Eindruck von der politischen Funktion und Macht der Verwaltungsgerichte. So wie Art. 93 des Bonner Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht zum letztlich entscheidenden Organ in staatsrechtlichen Fragen macht, so macht die Generalklausel, wie sie jetzt die VO Nr. 165 formuliert, die Verwaltungsgerichte zur letzten Instanz in allen Verwaltungsfragen. Nun könnte dieser Feststellung entgegengehalten werden, daß es sich ja bei der Nachprüfbarkeit von Verwaltungsakten durch die Verwaltungsgerichte stets nur um die Rechtmäßigkeitskontrolle handele, daß jedoch die Verwaltungsgerichte keinerlei Eingriffsmöglichkeit in das weite, gerade der Verwaltung eigentümliche Gebiet der Zweckmäßigkeitsentscheidungen hätten. Dieser Einwand ist zwar prinzipiell richtig, verliert aber praktisch weitgehend seine Bedeutung durch die nähere Umschreibung des Nachprüfbarkeitsbereichs der Verwaltungsgerichte gegenüber Verwaltungsakten in der VO Nr. 165. Die Verordnung gestattet nähmlich den Verwaltungsgerichten nicht nur die Nachprüfung von Rechtsfragen im eigentlichen Sinne, sondern faßt darunter auch die sogenannte Ermessensüberschreitung und den Ermessensmißbrauch, also die Fälle, in denen Verwaltungsbehörden bei der ihnen im Bereich der Zweckmäßigkeitsentscheidungen zustehenden Ermessensfreiheit einen die gesetzlichen Schranken überschreitenden oder unsachlichen Gebrauch gemacht haben. Es wird abzuwarten sein, wie weit die Verwaltungsgerichte in ihrer Praxis jetzt bed der Annahme von Ermessensüberschreitungen oder Ermessensmißbrauch gehen. Jedenfalls bieten diese Begriffe die Möglichkeit zu sehr weitgehenden Eingriffen der Verwaltungsgerichte in die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden. Noch weiter geht die Zulassung der unbegrenzten Nachprüfung der Ermessensfrage durch die 1) § 22 Abs. 3, § 25 Abs. 1 der VO Nr. 165 der Brit. Mil.-Reg. 8) Vgl. z. B. Lehmann in „Deutsche Verwaltung“ 1948, S. 134. Verwaltungsgerichte nach der VO Nr. 165 gegenüber Festsetzungen des Strafmaßes bei Verwaltungsstrafen. Und schließlich darf nicht übersehen werden, daß die VO Nr. 165 neben der Feststellungsklage9) im § 24 noch eine generelle Klage auf Vornahme von Verwaltungsakten zuläßt, wenn ein Antrag an eine Verwaltungsbehörde abgelehnt oder über ihn innerhalb von zwei Monaten ohne ausreichenden Grund nicht entschieden worden ist. Es ist daher im Prinzip vollkommen zutreffend, wenn festgestellt worden ist, daß diese Regelung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der des § 13 GVG entspreche und damit für den Bereich des öffentlichen Rechts eine ebenso generelle Justizzuständigkeit schaffe, wie dies § 13 GVG für den Bereich des Privatrechts tue10 *). Wenn Loening hierin allerdings die Krönung des „Rechtsstaates“ sieht11), dann bedarf es einer Klarstellung dessen, was er unter „Rechtsstaat“ versteht. Er verwechselt offenbar die Begriffe „Rechtsstaat“ und „Justizstaat“, und nimmt außerdem den Begriff „Rechtsstaat“ rein formal, ohne jede Beziehung zum gesellschaftlichen und politischen Inhalt des jeweiligen Rechts. Dazu wird bei der Betrachtung der Zusammensetzung der westdeutschen Verwaltungsgerichte und ihrer bisherigen Tätigkeit noch einiges zu sagen sein12). Hier sei zur Kennzeichnung der grundsätzlichen Tendenz der westlichen Besatzungsbehörden und ihrer deutschen „Gehilfen“ die politische Entscheidungsgewalt ihrer mit gutem Grund ihr volles Vertrauen genießenden Justizbürokratie zu sichern, noch auf das Kuriosum hingewiesen, daß die VO Nr. 165 selbst künftige Einschränkungen der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit ausschließen will. Sie erklärt in ihrem § 22 Abs. 2 alle (d. h. also auch künftige) deutschen (vom Verfasser gesperrt) Vorschriften, die die Eingriffsbefugnisse der Justizbürokratie in die Verwaltung z B. also auch gegenüber Maßrlahmen etwa demokratisch gewählter Verwaltungsorgane einschränken könnten, für unbeachtlich. Das in einer solchen Bestimmung des Besatzungsrechts zum Ausdruck kommende „Vertrauen“ zu deutschen Justizorganen dürfte allerdings angesichts des Inhalts und Zwecks der derzeitigen Politik der westlichen Militärregierungen alles andere als ein Beweis für den nationalen demokratischen Charakter dieser Justiz sein. Die politische Funktion, welche die die „Generalklausel“ handhabende Verwaltungsjustiz in Westdeutschland haben soll und hat, oder anders ausgedrückt der gesellschaftliche Inhalt des von Loening13) so gefeierten westdeutschen „Rechtsstaates“ läßt sich sehr klar aus der personellen Zusammensetzung der Verwaltungsjustiz (die der der übrigen Justiz einschließlich des Bundesverfassungsgerichts durchaus entspricht) und aus dem Charakter ihrer Rechtsprechung erkennen. Nach der VO Nr. 165 stellt die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen völlig selbständigen zweistufigen Gerichtsapparat dar, dessen Angehörige unmittelbar dem Ministerpräsidenten unterstellt sind und auf rein bürokratischem Wege ernannt werden. Die Verwaltungsrichter sind mit allen überkommenen Richterprivilegien ausgestattet, d. h. sie sind echte Berufsbeamte mit besonders garantierter Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit. Alle hauptamtlichen Richter der ersten und zweiten Instanz und auch die nebenamtlichen Richter der zweiten Instanz (bei den Oberverwaltungsgerichten) müssen Volljuristen sein. Die Verwaltungsrichter unterliegen einem grundsätzlichen Verbot politischer Tätigkeit. Auch die ehrenamtlichen Beisitzer dürfen, wie ausdrücklich bestimmt wird, nicht auf Grund ihrer politischen Einstellung gewählt werden. Alle in der Verwaltung tätigen Personen, einschließlich Regierungsmitgliedern, Landtagsabgeordneten, Bürgermeistern, Kreisrats- oder Gemeinderatsmitgliedem sind von jeder auch ehrenamtlichen Mitwirkung an den Verwaltungsgerichten ausgeschlossen14). Für die Vertretung von Rechtsuchenden vor den Verwaltungsgerichten wird die Einrichtung der „Ver- °) § 52 der VO Nr. 165 der Brit. Mil.-Reg. t°) Vgl. Loening in „Deutsche Verwaltung“ 1949, S. 88. U) a. a. O. 12) Vgl. unter III und V. 13) a. a. O. 14) § 18 der VO Nr. 165 der Brit. Mil.-Reg. 304;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 204 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 204) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 204 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 204)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Maßnahmen der operativen Diensteinheiten zur gesellschaftlichen Einwirkung auf Personen, die wegen Verdacht der mündlichen staatsfeindlichen Hetze in operativen Vorgängen bearbeitet werden Potsdam, Duristische Hochschule, Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache Rechtliche Voraussetzungen und praktische Anforderungen bei der Suche und Sicherung strafprozessual zulässiger Beweismittel während der Bearbeitung und beim Abschluß Operativer Vorgänge sowie der Vorkommnisuntersuchung durch die Linie Untersuchung zu treffenden Entscheidungen herbeizuführen, bringen Zeitverluste, können zu rechtlichen Entscheidungen führen, die mit der einheitlichen Rechtsanwendung im Widerspruch stehen, und tragen nicht dazu bei, eine wirksame vorbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der subversiven Angriffe, Pläne und Absichten des Feindes sowie weiterer politisch-operativ bedeutsamer Handlungen, die weitere Erhöhung der Staatsautorität, die konsequente Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der geltenden Befehle und Weisungen im Referat. Bei Abwesenheit des Leiters der Abteilung und dessen Stellvertreter obliegt dem diensthabenden Referatsleiter die unmittelbare Verantwortlichkeit für die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen im Untersuchungshaftvollzug. Es ergeben sich daraus auch besondere Anf rde rungen, an die sichere rwah runq der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten.

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