Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 106

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 106 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 106); Er verliert bei einem Untergang der Sache sein Eigentum an ihr als einem nützlichen Ding, als Gebrauchswert, behält jedoch den Tauschwert, juristisch die Forderung auf den Kaufpreis. Da die Sache als nützliches. Ding für ihn als Händler keinen Wert hat, sondern ihn nur in ihrer Eigenschaft als Tauschwert interessiert, ist ihm diese „Gefahr“ keine Last. Andere mögliche Zeitpunkte des Gefahrenübergangs sind -der der Übergabe der Sache (§ 446) und der des Abschlusses des Kaufvertrages (periculum est emptoris). Das BGB wählt grundsätzlich den Zeitpunkt der Übergabe (§ 446), beim Versendungskauf den der Auslieferung an den Beförderer. Man sagt, die Verfasser des BGB haben sich für die deutschrechtliche Regelung entschieden8). Die Übergabe sei deswegen als das für den Zeitpunkt maßgebende Kriterium gewählt, weil mit ihr der Käufer die Möglichkeit erhalte, die Sache zu überwachen. Sie haben das Kriterium, das die Römer, denen niemand Lebensklugheit und praktischen Sinn absprechen wird, als entscheidend ansehen, nämlich den Abschluß des Kaufvertrages, nicht anerkannt. Haben das die Verfasser des BGB getan, weil sie sich als „Germanen“ fühlten und den römischen Geist als seelenfremd ablehnten? Selbst die Anhänger der „Volksgeisttheorie“ werden bei solcher Begründung ein Unbehagen nicht unterdrücken können. Warum wurde aber diese Sachlage so verschieden geregelt? Eine Teilantwort ist bereits gegeben. Der Zeitpunkt der Auslieferung konnte erst gewählt werden, als die Beförderung von Sachen ein Gewerbe geworden war. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Möglichkeit der Überwachung der Sache, die das tatsächliche Innehaben zur Voraussetzung hat, nicht immer der tragende Grund der Regelung sein kann. Denn während der Beförderung haben weder d£r Käufer noch der Verkäufer die tatsächliche Sachherrschaft, und doch muß der Käufer die Gefahr tragen. Die Wahl des Zeitpunktes hat ihre objektive Grundlage in der verschiedenen Marktlage des Verkäufers, wie sie sich aus den Arten der warenproduzierenden Gesellschaftsformen ergibt. Die Verschiedenheit der Regelung spiegelt die Verschiedenheit der Stellung des Verkäufers bei einfacher und bei kapitalistischer Warenproduktion wider, wobei unter einfacher Warenproduktion neben der des Handwerkers und des Bauern auch die auf Sklaverei beruhende bezeichnet wird, weil in dieser der tätige Mensch, der Sklave, bloßes Produktionsmittel, juristisch Sache ist. Bei der einfachen Warenproduktion, besonders deutlich bei der des Handwerkers, ist die Produktion individuell. Die Ware trägt die Kennzeichen dieser Herstellungsweise, sie ist ebenfalls individuell. Wenn ein Kauflustiger diese individuelle Ware haben will, ist er bereit, dafür größere Opfer zu bringen. Dieser Sachlage entspricht es, wenn die Gefahr bereits bei Kaufabschluß übergeht. Auch ist der Handkauf ein noch so häufiger und das Bewußtsein beherrschender Vorgang, daß die Angleichung der Regelung naheliegt. Immerhin setzt diese Regelung ein bereits entwickeltes Bewußtsein über den Unterschied zwischen tatsächlicher und rechtlicher Herrschaft über die Sache voraus, in der sich der Doppelcharakter der Ware als Gebrauchswert und Tauschwert äußert. Die „deutschrechtliche“ Regelung, den Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft (Gewere) maßgebend sein zu lassen, entspricht hiernach einem geringer entwickelten Bewußtsein des Doppelcharakters der Ware, weist somit darauf hin, daß die naturalwirtschaftlichen Formen noch das Bewußtsein beherrschten. Der handgreifliche Vorgang des Wechsels der Gewere wird als der entscheidende Zeitpunkt angesehen. Die differenzierte Vorstellung von dem periculum obligationis und dem periculum rei ist noch nicht geläufig. In der kapitalistischen Warenproduktion ist die Stellung des Verkäufers erheblich schwächer als in der einfachen Warenproduktion. Die Ware wird Massenprodukt und ist regelmäßig von vielen anderen Warenbesitzern zu erlangen, die miteinander um den Käufer konkurrieren. Die Stellung des Verkäufers ist allerdings nicht stabil. Sie ist stärker in der Zeit der Konjunktur, schwächer in den Zeiten der Krise, aber ) RGR, § 446, Anm. 4. selbst in der Konjunktur schwächer als die des Verkäufers in der einfachen Warenproduktion, weil in der kapitalistischen Warenproduktion auf Grund der Ausbeutung, der Aneignung des Produktes unbezahlter fremder Arbeit, der Tendenz nach immer mehr Ware angeboten wird, als „Kaufkraft“ vorhanden ist. In der Krise wird diese Tendenz offen sichtbar. Dieser Stellung des Verkäufers entsprechend wählten die Verfasser des BGB die für den Verkäufer ungünstigen Kriterien der Übergabe und für den Fall des Distanzkaufs der Auslieferung. Im Bewußtsein erschien ihnen dies als Anknüpfung an die deutschrechtliche Regelung, für deren Entstehung eine ganz andere Sachlage Ursache war. Die gesellschaftlich notwendige Anpassung der Rechtsnormen der einfachen Warenproduktion, die im klassischen römischen Recht ihren Niederschlag gefunden hatten, an die kapitalistische Warenproduktion vollzog sich im Bewußtsein der Juristen als Kampf der Germanisten gegen die Romanisten. In der Krise ist die Stellung des Verkäufers in der kapitalistischen Warenproduktion am schwächsten. Er ist nicht nur bereit, auf Verlangen des Käufers die Ware zu versenden, wenn der Käufer Gefahr und Kosten der Versendung trägt, sondern er ist sogar bereit, im erbitterten Kampf um den Käufer die Versandgefahr und die Versandkosten zu tragen. Er wird „gefälliger“, weü das sein Handeln bestimmende Motiv, die Realisierung des Profits, es verlangt. In der Rechtstheorie erscheint diese Sachlage im Begriff des „qualifizierten Versendungskaufs“; die Verpflichtung zur Besitz- und Eigentumsverschaffung wird zur Bring- oder Schickschuld. Die gleiche Sachlage findet ihren juristischen Ausdruck darin, daß der Verkäufer bereit ist, die Versendung als „Hauptverpflichtung“ zu übernehmen, was doch nichts anderes bedeutet, als daß der Verkäufer das seinerseits Erforderliche erst getan hat, wenn er Besitz und Eigentum dem Käufer an dessen Wohnsitz verschafft hat. Diese Sachlage kann sich nicht nur allgemein, sondern auch aus der individuellen wirtschaftlichen Lage des einzelnen Warenbesitzers ergeben. Mit dem Nebeneinanderbestehen der Regelung des § 447 und der in den Begriffen des qualifizierten Versendungskaufs und der Hauptverpflichtung erfaßten Regelung hat die Praxis der Gerichte die bewegliche Regelung gefunden, um die Sachverhalte danach entscheiden zu können, wie die Stellung des Verkäufers in Ablauf von Konjunktur und Krise und damit seine Bereitschaft zur Übernahme von niedrigeren oder höheren Unkosten, wie sein „Interesse“ wechselte. Als dritte Möglichkeit besteht noch die des „Zusendungskaufs“, bei dem die „Übergabe“ am Erfüllungsort des Verkäufers erfolgt und dieser sich bereit erklärt, die Ware dem Käufer zuzusenden. Tragender Grund der Regelung des BGB ist, daß der Verkäufer „auf Verlangen des Käufers“, das sich auch aus den Umständen ergeben kann, die Versendung vornimmt. Er handelt im Interesse des Käufers, wenn er die Ware versendet. Deswegen muß der Käufer die Gefahr tragen10). Diese Auffassung konnte sich entwickeln, so lange in der kapitalistischen Warenproduktion die Krisen nur kurze Unterbrechungen des Wirtschaftslebens waren. In der Konjunktur ist die Ware begehrt. Der Käufer ist bereit, die Versandgefahr und die Versandkosten zu tragen. Es macht ihm, da der Absatz gesichert ist, keine Mühe, die Mehrkosten abzuwälzen. Auch ist die tatsächliche Gefahr des zufälligen Untergangs keine beschwerliche Last. Mit dem Eintritt des Kapitalismus in die allgemeine Krise müßte sich diese „Interessenlage“ bald ändern, wenn nicht die allgemeine Krise durch die imperialistischen Kriege verschärft und durch deren Folge, die Vernichtung der „zuviel“ produzierten Waren, wiederum die Marktstellung des Verkäufers zeitweise auf ein fast unerträgliches Maß gesteigert würde. Bei einer unreflektierten Feststellung dieser Sachlage erscheint es in der Gegenwart geradezu „gottgewollt“, daß der Käufer die Gefahr zu tragen habe. Die Regelung des § 446 BGB führt im Zusammenhang mit § 270 I BGB zu dem Widersinn, daß der 106 io) Vergl. hierzu Staudinger § 447, Anm. 4.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 106 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 106) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 106 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 106)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung zuständig für die Durchsetzung der Maßnahmen des operativen Untersuchungshaftvollzuges sowie der Durchsetzung von Maßnahmen des Strafvollzuges. Er hat die Durchsetzung der zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Jugendkriminalitat der Anteil der Vorbestraften deutlich steigend. Diese nur kurz zusammengefaßten Hinweise zur Lage sind eine wichtige Grundlage für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierendan höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzugec und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Dis imperialistischen Geheimdienste der Gegenwart. Vertrauliche Verschlußsache . Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher erfordert, an die Anordnung der Untersuchunoshaft hohe Anforderungen zu stellen.

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