Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1949, Seite 10

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 10); Ein „zeitgemäßes“ Gesetz Von Rechtsanwalt K. Katzenberger, Bad Tölz' (Obb.) In der Gesetzgebungsübersicht für die amerikanische Zone (Neue Justiz 1948 S. 171) befindet sich ein Hinweis auf das bayerische Gesetz Nr. 89 vom 14. 11. 1947 über die Meldepflicht von Fehl- und Frühgeburten. Zu diesem Gesetz sollte schon seit einiger Zeit in der „Neuen Justiz“ vom Standpunkt der Rechtsentwicklung in der sowjetischen Besatzungszone Stellung genommen werden. Nunmehr ist bei der Redaktion ein Beitrag zu diesem Thema aus Bayern selbst eingegangen, dem wir gern Raum geben, da er von einem Verfasser stammt, der die Verhältnisse, unter denen das Gesetz entstanden und für die es gedacht ist, aus eigener Anschauung kennt. D. Red. Im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 17/1947 ist auf S. 214 das Gesetz Nr. 89 über die Meldepflicht von Fehl- und Frühgeburten vom 14.11. 1947 veröffentlicht. Es hat durch das Gesetz vom 16. 6. 1948 zur Abänderung des Gesetzes Nr. 89, veröffentlicht im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 15/48 S. 111, „gewisse Milderungen“ erfahren. So lauten nunmehr die ersten drei Paragraphen des vom Landtag des Freistaates Bayern beschlossenen Gesetzes Nr. 89 wie folgt: ,,§ 1 Jede vor Vollendung der 32. Schwangerschaftswoche eingetretene Fehlgeburt (Fruchtabgang) oder Frühgeburt ist binnen drei Tagen dem für den Ort des Ereignisses zuständigen Gesundheitsamt schriftlich unter Angabe der Dauer der Schwangerschaft und des Alters der Schwangeren anzuzeigen. § 2 (1) Zur Anzeige sind verpflichtet in nachstehender Reihenfolge: 1. der hinzugezogene Arzt, 2. die hinzugezogene Hebamme. (2) Diese Personen haben den Namen, den Geburtstag und die Wohnung der Schwangeren in einem besonderen Verzeichnis zu vermerken, das dauernd auf dem Laufenden zu halten ist. Das Recht zur Einsichtnahme in dieses Verzeichnis steht nur dem Amtsarzt persönlich zu. (3) Bei Hinzuziehung eines Arztes hat dieser auch dem für seinen Dienstsitz zuständigen Gesundheitsamt die erforderliche Anzeige zu erstatten. § 3 Wer vorsätzlich oder fahrlässig der ihm in §§ 1 und 2 dieses Gesetzes auferlegten Anzeigepflieht zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 RMi) oder mit Haft bestraft. “ In der vom 18.12.1947 bis zum 1. 6.1948 geltenden alten Fassung des Gesetzes Nr. 89 war für die schriftliche Anzeige auch die Angabe des Namens, des Geburtstages und der Wohnung der Schwangeren gefordert worden, während der besonders wichtige, nunmehr gestrichene Absatz 2 des § 1 Folgendes bestimmt hatte: ,,Bei Schwangerschaftsunterbrechungen ist eine ausführliche medizinische Begründung für den Eingriff vom unterbrechenden Arzt unter Mitunterzeichnung eines weiteren approbierten Arztes dem zuständigen Gesundheitsamt zu geben.“ In § 2 besteht die Milderung darin, daß die Anzeigepflicht für „jede sonst zur Hilfeleistung bei der Fehlgeburt (Fruchtabgang), Frühgeburt oder Schwangerschaftsunterbrechung hinzugezogene Person“ in Wegfall gekommen ist. Aber der oben wiedergegebene Absatz 2 des § 2 über die Führung eines besonderen Verzeichnisses durch die hinzugezogenen Ärzte und Hebammen und das Recht zur Einsichtnahme in dieses Verzeichnis für den Amtsarzt ist neu eingefügt worden. Weder die Weisheit noch die Klugheit, weder der Geist des Fortschritts noch der des sozialen Friedens haben bei der Schaffung dieses Gesetzes Pate gestanden. Von reaktionärer Engherzigkeit und sozialer Verständnislosigkeit scheinen mir die Urheber des Gesetzes und die Volksvertreter, die es beschlossen haben, mißleitet worden zu sein. Die vom Gesetz statuierte, mit einer Strafdrohung bewehrte Anzeigepflicht hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Anzeigepflicht bei der Feststellung von Geschlechtskrankheiten. Das Reichsgesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. 2.1927 hat in seinen §§ 8 und 9 eine Aufklärungs- bzw. Anzeigepflicht für die Ärzte festgelegt. Man sieht es diesen Bestimmungen wie dem ganzen Gesetz (z. B. den Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwanges in §4 Absatz IV).an, wie heftig der damalige Gesetzgeber um einen gerechten Ausgleich zwischen dem Anspruch der Allgemeinheit auf Schutz und dem Freiheitsrecht des Einzelnen gerungen hat. So ist die Anzeigepflicht von der Bedingung abhängig, daß der Kranke sich der ärztlichen Behandlung oder Beobachtung entzieht oder andere infolge seines Berufes oder seiner persönlichen Verhältnisse besonders gefährdet. Gerade ein Vergleich der Anzeigepflicht bei der Wahrnehmung von Geschlechtskrankheiten mit der vom bayerischen Gesetz Nr. 89 angeordneten Anzeigepflicht lehrt, wie eine Rechtseinrichtung, die dort notwendig ist, wo sie übergeordneten sozialen Interessen dient, hier ein überflüssiges, ja schädliches Instrument des Polizei Staates gegenüber dem freien Bereich der menschlichen Persönlichkeit wird. Die Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten, die durch die Kontrollrat-Direktive Nr. 52 vom 7.5.1947 (vgl. insbesondere Artikel III!)2) den Zonenbefehls-habem und damit auch den deutschen Behörden erneut zur Rechts pflicht gemacht worden ist, fordert starke und tiefe Eingriffe in die Sphäre der individuellen Freiheit. Sie rechtfertigen sich aus einer sozialen Zweckbestimmung; die Gesamtheit, und in ihr jeder Einzelne der Gesamtheit, soll gegen die Weiterverbreitung der venerischen Seuchen geschützt werden; die soziale Gemeinschaft soll vor den Folgen einer unbedachten, gleichgültigen oder rücksichtslosen Haltung des Einzelnen bewahrt werden; der einzelne Mensch soll zur bewußten Verantwortung gegenüber seinesgleichen erzogen werden. Gerade die Forderung des Artikels Ib der genannten Kontrollrat-Direktive, daß einheitliche Bestimmungen in bezug auf die Entdeckung vop Fällen von Geschlechtskrankheiten und die pflichtmäßige Meldung derartiger Fälle an die zuständigen Behörden herbeizuführen seien, entspringt dem Bestreben des Schutzes der Gesellschaft vor dem asozialen Verhalten de1 Einzelnen. Das famose bayerische Gesetz Nr. 89 kann derlei Überlegungen zu seiner inneren Rechtfertigung nicht anführen. Es ist eine Auswirkung des polizeistaatlichen Ungeistes, der sich da und dort im bayerischen Rechtsleben verbreitet. Auffällig ist hier vor allem die innige Wahlverwandtschaft der Schöpfer des Gesetzes Nr. 89 mit dem nationalsozialistischen Gesetzgeber. Die 4. VO zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 18.7.1935 (RGBl. I S. 1035) enthält in ihrem Artikel 12 das Vorbild des bayerischen Gesetzes Nr. 89. Die Absätze 1 bis 3 des genannten Artikel 12 lauteten: ,,(1) Jede Unterbrechung der Schwangerschaft sowie jede vor Vollendung der 32. Schwangerschaftswoche eintretende Fehlgeburt (Fruchtabgang) oder Frühgeburt sind binnen drei Tagen dem zuständigen Amtsarzt schriftlich anzuzeigen. (2) Zur Anzeige sind verpflichtet: 1. der hinzugezogene Arzt, 2. die hinzugezogene Hebamme, 3. jede sonst zur Hilfeleistung bei der Fehlgeburt (Fruchtabgang) oder Frühgeburt hinzugezogene Person mit Ausnahme der Verwandten, Verschwä- gerten und der zum Hausstand der Schwangeren gehörenden Personen. (3) Jedoch tritt die Verpflichtung der in der vorstehenden Reihenfolge später genannten Personen nur dann ein, wenn ein früher genannter Verpflichteter nicht vorhanden oder an der Erstattung der Anzeige verhindert ist.“ . Was ist nun kritisch zu dieser vom nationalsozialistischen Gesetzgeber eingeleiteten, durch den Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes unterbrochenen, vom gegenwärtigen bayerischen Landesgesetzgeber wieder aufgenommenen Rechtsentwicklung zu sagen? Zwar wurde das ärztliche Berufsrecht zur Schwangerschaftsunterbrechung durch die Bestimmung in § 14 Absatz 1 des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 26.6.1935 (RGBl. I S. 773) anerkannt. Bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung hatte man sich mit dem Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung beholfen. (Vgl. vor allem die berühmte Entscheidung des Ersten Strafsenats des Reichsgerichts vom 11.3. 1927, RGSt. Bd. 61 S. 243 ff.) Aber auch durch das genannte Reichsgesetz und die zitierte AusfVO, Artikel 2 bis 14, wurde die Schwangerschaftsunterbrechung nur für zulässig erklärt, wenn sie ein Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zur Abwendung einer ernsten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Frau und mit deren Einwilligung (Ausnahmen in Artikel 3 und 4 der AVO) vornahm. Wenn auch das Gesetz und die AVO eine Klarstellung der Rechtslage bezüglich der sogenannten medizinischen Indikation 10 l) Nunmehr DM gemäß § 2 des MilRegGes. Nr. 61 (Währungsgesetz), 2) vgl. dazu Weiß in NJ 1947 S. 243 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 10) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 10 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 10)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die Diensteinheiten der Linie sinTleÄDschnitt der Ar-beit begründet, zum einen staatliches Vollzugsorgan zur Durchfüh-rung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zum anderen politischoperative Diensteinheit Staatssicherheit . In Verwirklichung ihrer Verantwortung für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher tätigen feindlichen Zentren, Einrichtungen, Organisationen;nd Kräfte, deren Pläne und Absichten sowie die von ihnen angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen zu leiten und zu organisieren. Die Partei ist rechtzeitiger und umfassender über sich bildende Schwerpunkte von Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen erlangen können. Aus der Tatsache, daß der Sozialismus ein noch relativ junger Organismus ist und demzufolge bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen Bedingungen beim Zustandekommen- feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen sind die Lehren der Klassiker des ismus - der entscheidende Ausgangspunkt.

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