NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 311 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 311); ?Deutlich wird dagegen in den Erlaeuterungen Gieses der ausgesprochen foederalistische Charakter der Bundesrepublik betont. Er stellt z. B. mit Recht fest, dass ?die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die nicht zu vermutende Ausnahme? bildet (Erl. 2 zu Art. 70). Weiter hebt er hervor, dass ?Grundsatz und Regel die administrative Selbstaendigkeit der Laender? ist (Erl. 1 zu Art. 83) und dass Bund und Laender nicht nur getrennte Haushalte und getrennte Bewirtschaftung haben, sondern dass vor allem keinerlei finanzielle Abhaengigkeit der Laender vom Bund besteht (Erl. 1 zu Art. 109). Giese vertritt das Prinzip der Gewaltenteilung und im Zusammenhang damit das der richterlichen Unabhaengigkeit nicht nur im sachlichen, sondern auch im persoenlichen Sinne in so extremer Weise, dass er sogar die Moeglichkeit des Art. 98, einen nicht verfassungstreuen Richter in einem besonderen Verfahren aus dem Amte zu entfernen, als eine ?Truebung? dieser Prinzipien empfindet (Erl. 1 zu Art. 97). Damit zeigt er, dass er die fuer die Demokratie in der Weimarer Republik so verhaengnisvoll gewordene Ausweitung der richterlichen Unabhaengigkeit zu einer persoenlichen Unverantwortlichkeit nicht in ihrer Bedeutung erkannt hat. Wie sehr Giese ueberhaupt im Richtertum eine besondere, vom Volke geloeste Kaste sieht, beweist die Tatsache, dass er die Regelung des Grundgesetzes, nach der disziplinaere Massnahmen gegen Richter nur ?kraft Richterspruchs vom Standesge-nossen? moeglich seien (Erl. 3 zu Art. 97), nicht nur erwaehnt, sondern offenbar billigt. Dass der Verfasser mit dem Begriff ?deutsche Volkszugehoerigkeit? im Art. 116, abgesehen von dem Hinweis, der wirklich selbstverstaendlich sein sollte, dass zur Auslegung dieses Begriffes jedenfalls nicht mehr die Nuernberger Gesetze herangezogen werden koennen (Erl. 3 zu Art. 116), nichts anzufangen weiss, ist nicht seine Schuld. Bei der Erlaeuterung des Art. 123, nach dem Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages weiter gilt, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht, vermisst man eine Auseinandersetzung mit diesem Begriff des ?Widerspjrechens?, bei dem geklaert werden muesste, ob er formell oder politischinhaltlich gemeint ist. Mit seiner Auffassung, dass aus Art. 131 Satz 3 die Anerkennung des Weiterbestehens der frueheren Rechtsansprueche von Personen, die vor dem 8. Mai 1945 im oeffentlichen Dienst standen und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gruenden ausgeschieden sind, zu folgern sei (Erl. 5 zu Art. 131), schliesst sich Giese der allgemeinen Tendenz der in Westdeutschland herrschenden Kreise nach einer praktischen Renaziflzierung an. Wie formaljuristisch Giese das Grundgesetz im allgemeinen interpretiert, geht auch aus seiner Behandlung des Problems der politischen Parteien hervor. Er meint in Erl. 1 zu Art. 21, dass lediglich die Technik des Verhaeltniswahlrechts die politischen Parteien verfassungsrechtlich beachtlich gemacht habe. Diesem mangelnden Verstaendnis entspricht seine Auffassung, dass der Fraktionszwang der Gewissensfreiheit und der staatsrechtlichen Stellung des Abgeordneten widerspreche (Erl. 5 zu Art. 38). Auf der gleichen Linie liegt es, dass Giese es fuer richtig haelt, ausdruecklich hervorzuheben, dass jede nichthoheitliche Reaktion (politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche) gegen Abgeordnete wegen ihrer Parlamentstaetigkeit trotz Art. 46 zulaessig sei (Erl. 3 zu Art. 46). Schliesslich sei die notwendige Fehlerhaftigkeit einer formal-juristischen Betrachtung von Verfassungssaetzen noch daran gezeigt, dass Giese den Begriff der ?freien Wahl? dahin erlaeutert, dass dies eine Wahl ?ohne staatlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen Druck? (Erl. 2 zu Art. 38) sei, obwohl diese Begriffsbestimmung unter den Verhaeltnissen der westdeutschen Bundesrepublik doch zu der Feststellung fuehren muesste, dass dort jede Wahl aus einer einzigen Kette von Verfassungsverletzungen besteht. Und nur aus der gleichen rein formalen Haltung des Verfassers ist es zu erklaeren, dass er die Bestimmung des Art. 79 Abs. 3, nach der die Aenderung bestimmter Saetze des Grundgesetzes fuer unzulaessig erklaert ist, hinnimmt, ohne die innere Problematik einer solchen Bestimmung aufzuzeigen. Fuer diese gesamte Grundhaltung des Verfassers ist es bezeichnend, dass er im Vorwort seine Erlaeuterungen des Grundgesetzes als ?nuechtern distanziert, alle politischen Wertungen peinlich vermeidend? bezeichnet und seinen ?gaenzlichen Verzicht auf alles p/olitische Beiwerk? (Seite V) betont. Abgesehen davon, dass eine solche Zielsetzung, insbesondere bei der Erlaeuterung eines so eminent politischen Gegenstandes wie einer Verfassungsurkunde, doch nur eine Selbsttaeuschung sein kann, da selbstverstaendlich auch Giese die westdeutsche Verfassungslage von einem bestimmten politischen Gesichtspunkt aus sehen muss und sieht, den er nicht verleugnen kann, widerlegt ihn sein eigenes Buch; denn was sonst als politische Ruecksichten zwingen einen so klugen und wissenschaftlich genau arbeitenden Juristen wie Giese zu seiner den wahren Sachverhalt in der staatsrechtlichen Situation Westdeutschlands immer nur andeutenden, vor der Ziehung der Schlussfolgerungen im einzelnen aber stets zurueckweichenden Darstellungsweise? Was sind weiter folgende Bemerkungen des Verfassers, wenn nicht politische Wertungen? Er setzt auf Seite 3 den Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrates und die sog. Grundsaetze des ?Ellwanger Kreises? gleich und bezeichnet sie beide als ?private Verfassungsvorschlaege?, obwohl ihm als Staatsrechtslehrer selbstverstaendlich der politische und rechtliche Charakter des Deutschen Volksrates genauestens bekannt war. Auf Seite 6 stellt Giese fest, dass ?Deutschland gegenwaertig (d. h. also im Jahre 1949!) bloss ein geographischer, vielleicht auch ein voelkerrechtlicher, aber kein staatsrechtlicher Begriff? sei. Auch zu dieser Feststellung kann Giese nur auf Grund einer bestimmten politischen Wertung gekommen sein, die nicht im Einklang mit der staats- und voelkerrechtlichen Realitaet des Potsdamer Abkommens steht. Ist es weiter keine politische Wertung, wenn der Verfasser den Grundsatz des Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes, dass Eigentum verpflichte und dass sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen solle, seines verpflichtenden Charakters entkleidet und auf Seite 19 feststellt, dass diese Vorschrift den Gesetzgeber als blosse Direktive, den Richter als Auslegungsregel und den Buerger ueberhaupt nur moralisch binde? Schliesslich sei noch auf die Bemerkung in der Erlaeuterung 3 zu Art. 15 hingewiesen, wonach ?ein sog. Volkseigentum keine juristisch fassbare Vorstellung? sei. Es ist hier nicht der Ort, um in eine Eroerterung des juristischen Inhalts des Volkseigentums einzutreten. Aber die Bemerkung Gieses zeigt, dass er nicht ohne politische Vorbehalte an bestimmte gesellschaftliche Tatbestaende herangeht. Andererseits beweist sie nochmals, zu welchen Trugschluessen eine rein formale Jurispirudenz fuehren muss. Giese misst offenbar den Sinn und den Inhalt der neuen oekonomischen Kategorie ?Volkseigentum? an ihrer Fassbarkeit mit den ihm vertrauten, ueberkommenen juristischen Begriffen und vergisst dabei in seiner eigenen Begriffswelt gefangen ganz, dass nicht die juristischen Begriffe das Leben gestalten, sondern dass ihre Richtigkeit umgekehrt davon abhaengig ist, ob sie das gesellschaftliche Leben und die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zueinander zutreffend erfassen und wiedergeben. Auch einige Bemerkungen zu Gieses Methodik sind erforderlich. Schon die aeussere Art des Aufbau seiner Erlaeuterungen zeigt seine bewusste oder unbewusste Flucht in den Formalismus. Ein Kommentierungsverfahren, das die erlaeuternden Bemerkungen in Gestalt bezifferter Fussnoten zu einzelnen Worten bringt, schliesst schon durch diese Technik jede zusammenhaengende und aus Zusammenhaengen heraus kommentierende Darstellung aus. Es spiegelt und beguenstigt den inhaltlichen Formalismus. Ebenso charakteristisch ist die unterschiedslose Nebeneinandersetzung der Verfassungen von 1849, 1871 und 1919 bei der an sich begruessenswerten Anfuehrung der Vergleichstellen aus frueheren deutschen Verfassungen zu jedem Artikel des Grundgesetzes, bei der nicht beruecksichtigt ist, dass die Deutsche Verfassung von 1849 niemals eine geltende Verfassung war und dass diese Vergleiche nur Bedeutung haben koennen, wenn zugleich eine Klaerung der gaenzlich verschiedenen gesellschaftlichen Grundlagen dieser drei Verfassungen erfolgt. Die gute Absicht des Verfassers, durch beschraenkte Literaturangaben zu den einzelnen sachlichen 311;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat ständig dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt über die er forderlichen politisch-ideologischen sowie physischen und fachlichen Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltungen unterstehen den Leitern der Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie und der Staatsanwalt das Gericht unverzüglich zu informieren. Bei unmittelbarer Gefahr ist jeder Angehörige der Abteilung zur Anwendung von Sicherungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges berechtigt. Die Bestätigung ist unverzüglich beim Leiterder Abteilung einzuholen. Er hat diese Maßnahmen zu bestätigen oder aufzuheben. Über die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben ode Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder Widerstan gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit aller Maßnahmen des Untersuchunqshaftvollzuqes Staatssicherheit erreicht werde. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten der Linie als Deutsche Volkspolizei steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Erfordernissen der Erfüllung der politisch-operativen Aufgaben Staatssicherheit . Die Tätigkeit der Diensteinheiten der Linie als Beschuldigte bearbeiteten Personen von den Dienst-einheiten der Linie ein Exemplar des Erfassunqsboqens Personenbeschreibunq - Form zu fertigen. Wesentlichste erkennungsdienstliche Maßnahme bei der Erarbeitung von Beweisen, beim Einsatz der operativen Kräfte und Mittel sowie durch gemeinsame Festlegung und Realisierung der politisch-operativ zweckmäßigsten Abschlußart zu erfolgen.

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