NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 146 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 146); ?Aus dieser Entwicklung ist zweierlei zu entnehmen: 1. Bis 1933 ist ein eindeutiges Bestreben sowohl in den Reformarbeiten wie auch in der Rechtsprechung und in den Aeusserungen fortschrittlicher Menschen aus allen Kreisen festzustellen, die gewoehnliche Homosexualitaet ganz straflos zu lassen, oder sie zumindest nur in moeglichst engen Grenzen zu bestrafen. Diese Tendenz wirkte sich sogar noch in ? 175 Abs. 2 der Fassung von 1935 aus, nach der bei Jugendlichen in minderschweren Faellen von Strafe abgesehen werden konnte. 2. Ebenso eindeutig feststellbar ist aber die Tendenz, die qualifizierten Faelle die nach Ansicht fortschrittlicher Kreise ueberhaupt die allein strafwuerdigen waren schaerfer zu bestrafen, als es nach dem alten Recht moeglich war. II. Wenn wir jetzt auch hier vor der Entscheidung der Frage stehen, ob der Fassung des Gesetzes, das unter dem Nationalsozialismus erlassen worden ist, oder der alten Fassung der Vorzug zu geben ist, sollten wir uns bemuehen, eine Loesung zu finden, die den beiden soeben aufgezeigten Tendenzen moeglichst weitgehend gerecht wird. Sind doch diese Tendenzen auch heute noch grundsaetzlich anzuerkennen. 1. Es ist nicht moeglich, eine Loesung zu finden, nach der die gewoehnliche Homosexualitaet gar nicht bestraft wird. Das wuerde eine Aenderung des Gesetzes voraussetzen, die im Interesse der Erhaltung der Rechtseinheit Deutschlands bei einem so wichtigen Grundgesetz, wie es das Strafgesetzbuch ist, nur vorgenommen werden darf, wenn ein unabweisbares Beduerfnis fuer sie besteht. Bei aller Anerkennung der Wichtigkeit dieses Problems kann aber ein solch unabweisbares Beduerfnis nicht anerkannt werden. (Es sei aber auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der juristische Pruefungsausschuss fuer Gesetzgebung und Gesetzesanwendung in Berlin bei seinen Vorschlaegen fuer die Neufassung des Strafgesetzbuches durch den Kontrollrat in seinem 106. Beschluss nach heftiger Diskussion zu dem Vorschlag gekommen ist, den ? 175 zu streichen.) Es bleibt also nur die Moeglichkeit, zu versuchen, moeglichst wenige Faelle der gewoehnlichen Homosexualitaet zu bestrafen. Unter diesem Gesichtspunkt muss daher die Frage entschieden werden, ob der alten oder der neuen Fassung des ? 175 der Vorzug zu geben ist. Der Unterschied beider Fassungen liegt wenn man einmal von der gesondert zu behandelnden Sodomie absieht darin, dass nach der alten Fassung die widernatuerliche Unzucht zwischen Personen maennlichen Geschlechts und nach der neuen Fassung der Mann bestraft wurde, der mit einem anderen Manne Unzucht treibt. Nun wuerde man bei unbefangener Betrachtung der beiden Fassungen kaum einen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen feststellen. Es besteht auch kein Zweifel darueber, dass bei dem Erlass eines neuen Strafgesetzbuches grundsaetzlich davon Abstand genommen werden wuerde, mit Begriffen wie ?Unzucht? tvorunter noch immer jede aussereheliche geschlechtliche Betaetigung verstanden wird! oder auch ?widernatuerliche Unzucht? zu arbeiten. Es wird dann erforderlich sein, auf dem gesamten Gebiet der Sittlich keitsdelikte, das einer voelligen Reform bedarf, klarere und der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragende Begriffe zu verwenden. Doch muessen wir uns aber, solange das Gesetz besteht, mit diesen alten, ueberholten Begriffen abfinden und muessen, was wesentlich ist, auch in Rechnung stellen,, welchen Inhalt diese Begriffe im Laufe der Zeit, besonders auch durch eine staendige Rechtsprechung, erhalten haben. Dann gelangen wir aber zu der verschiedenartigen Auslegung der beiden Fassungen, auf die das OLG Halle hinweist: Widernatuerliche Unzucht liegt nur vor, wenn sogenannte b eischlaf aehnliche Handlungen vorgenommen werden; Unzucht treiben umfasst dagegen jede auf geschlechtliche Erregung gerichtete Betaetigung. Es mag mehr als zweifelhaft sein, ob die beiden Begriffe, fuer sich allein betrachtet, zu einer solchen Auslegung zwingen. Darauf kann es aber bei der Aufstellung von Richtlinien fuer die praktische Rechtsanwendung nicht ankommen. Hier muss man vielmehr den Inhalt und die Auslegung von Begriffen so beruecksichtigen, wie sie historisch geworden sind. Man kann also dem erstrebten Ziel, moeglichst wenige Faelle der Homosexualitaet zu bestrafen, dadurch am naechsten kommen, dass man die alte Fassung des ? 175 anwendet. Man kann das sachlich auch damit recht-fertigen, dass man die Veraenderung dieses Tatbestandes durch das Gesetz von 1935 mit der Begruendung, die das OLG Halle gegeben hat, als nazistisch bezeichnet. Es entfaellt damit allerdings die Moeglichkeit der Anwendung des an sich fortschrittlichen Abs. 2 des ? 175 neuer Fassung. Doch wird man bei verstaendiger Anwendung des RJGG und des ? 153 StPO genuegend Moeglichkeiten finden, um von der Durchfuehrung von Strafverfahren dieser Art gegen Jugendliche abzusehen. 2. Wendet man ? 175 in der alten Fassung an, so muss die Sodomie deren Strafwuerdigkeit mindestens so zweifelhaft ist, wie die der gewoehnlichen Homosexualitaet ebenfalls wieder nach ? 175 bestraft werden. Damit wird ? 175 b neuer Fassung gegenstandslos. 3. Wuerde man aus dem bisher gewonnenen Ergebnis die Folgerung ziehen, dass es, wenn man den ? 175 in der alten Fassung anwendet, auch notwendig sei, von einer Anwendung des ? 175 a abzusehen, so wuerde man damit von vornherein darauf verzichten, auch der zweiten, der oben erwaehnten beachtenswerten Tendenzen bei der Behandlung dieses Problems Rechnung zu tragen. Man wuerde keine Moeglichkeit haben, die qualifizierten Faelle besonders scharf zu bestrafen. Diese Konsequenz braucht aber nicht gezogen zu werden. Es ist durchaus moeglich, die Frage der Anwendung von Gesetzen, die im Dritten Reich erlassen worden sind, dahin zu beantworten, dass einzelne Vorschriften eines solchen Gesetzes - - und auch einer Gesetzesaenderung anzuwenden sind und andere nicht. Bei der Methode, mit der die Herren des Dritten Reiches von alten Reformvorschlaegen Gebrauch gemacht haben und auf die das OLG Halle in seinem Urteil mit Recht hinweist, ist es nicht selten, dass die Gesetze ihrem Inhalt nach teils fortschrittliche und teils rueckschrittliche Gedanken zum Ausdruck brachten. Es ist also selbstaendig zu untersuchen, ob ? 175 a wegen seines nazistischen Charakters nicht mehr angewandt werden kann. Dabei ist zunaechst festzustellen, dass der Zweck dieser Vorschrift naemlich die qualifizierten Faelle schwer zu bestrafen der zweiten der zu beachtenden Tendenzen gerecht wird. Das OLG Halle will den ? 175 a trotzdem nicht anwenden und fuehrt zur Begruendung dieser Ansicht zwei Gesichtspunkte an: a. Zunaechst weist es darauf hin, dass die Strafandrohungen sich gegenueber dem Entwurf von 1927 dahin geaendert haben, dass nach dem Entwurf von 1927 die Regelstrafe Gefaengnis war und nur in besonders schweren Faellen auf Zuchthaus erkannt werden konnte, waehrend nach der Fassung von 1935 die Regelstrafe Zuchthaus ist und mir bei mildernden Umstaenden eine Gefaengnisstrafe in Betracht kommt. Das ist zweifellos eine Verschaerfung. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Verschaerfung den entsprechenden Strafvorschriften zum Schutze der Frauen sowohl im ? 17If (Ausnutzung von Abhaengigkeitsverhaeltnissen) wie im ? 176 (Noetigung zur Unzucht) entspricht. Hinzu kommt aber, dass die Mindeststrafe nach der Fassung von 1935 (3 Monate Gefaengnis) geringer ist als nach der Fassung des Entwurfes von 1927 (6 Monate Gefaengnis). Insoweit kann man also sogar von einer Milderung der Strafe sprechen. Aus diesem Grunde kann der erste Gesichtspunkt des OLG Halle nicht als entscheidend angesehen werden. b. Hinsichtlich des zweiten Gesichtspunktes koennen an sich Zweifel bestehen. Hier geht es darum, ob es richtig ist, die Schutzgrenze fuer junge Menschen auf 18 Jahre oder auf 21 Jahre festzulegen. Es kann hierzu zunaechst auf den Beschluss des Reichstagsausschusses verwiesen werden, der die Schutzgrenze ebenfalls auf 21 Jahre festgesetzt hatte. Ebenso war es in dem fortschrittlichen Gegenentwurf von 1911. Es handelt sich hier um ein allgemeineres Problem, bei dem es darum geht, ob dem Bestreben, Jugendlichen einen moeglichst weitgehenden Schutz zu geben, der Vorzug zu geben ist gegenueber dem Bestreben, die Homosexualitaet in moeglichst geringem Umfange zu bestrafen. Beide Bestrebungen sind beachtenswert. Es kann aber weder die eine noch die andere Ansicht zu dieser Frage als nazistisch angesehen werden, so dass auch dieser zweite vom OLG Halle zur Begruendung 146;
Dokument Seite 146 Dokument Seite 146

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Strafverfahrens die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung ständig zu prüfen. Die entscheidende zeitliche Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Strafverfahren der ergibt sich aus der Tatsache, daß Ermittlungshandlungen, wie zum Beispiel bestimmte Untersuchungsexperinente, zur Nachtzeit durchgeführt und gesichert werden müssen. Diese Orte sind deshalb durch verdeckt oder offen dislozierte Sicherungskräfte zu sichern, in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit entsprechend den unter Ziffer dieser Richtlinie vorgegebenen Qualitätskriterien wesentlich beizutragen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen und die Persönlichkeit des Beschuldigten und des Angeklagten allseitig und unvoreingenommen festzustellen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X