NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 144 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 144); ?gefochtene Beschluss verneint, da sich die Beschlussstrafkammer der frueheren Rechtsprechung anschliesst, dass wechselseitige Onanie kein Vergehen nach ? 175 StGB alter Fassung darstellt. Gegen diese Beschluesse hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde form-und fristgerecht eingelegt. Diese Beschwerde ist nicht begruendet. Nach der Verordnung der damaligen Provinz Sachsen-Anhalt vom 6. Februar 1946 gelten die zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 ergangenen Gesetze des Privat-, Straf- und Prozessrechts nur insoweit weiter, als sie das Ergebnis einer von nationalsozialistischen Gedanken unabhaengigen Rechtsentwicklung sind. Das Oberlandesgericht in H. hat sich bereits zweimal mit der Frage beschaeftigen muessen, ob das Gesetz vom 28. Juni 1935 hinsichtlich der Neufassung des ? 175 StGB und der Neuschaffung des ? 175 a StGB ein nazistisches Gesetz im Sinne dieser Vorschrift ist oder vielmehr von nazistischen Gedankengaengen unbeeinflusst einen gesunden rechtspolitischen Fortschritt bedeutet. In seinem Urteil vom 25. Juli 1947 Sa 27/47 hat der Strafsenat des Oberlandesgerichts H. die Neufassung der ?? 175, 175 a StGB als typisch nazistisch und deshalb unwirksam angesehen. Hingegen hat der Senat in anderer Besetzung im Urteil vom 1. Juli 1948 Sa 111/48 die eingefuehrte Neufassung als gueltig angesehen. Auch sonst ist die Rechtsprechung und die Ansicht des Schrifttums in dieser Frage geteilt. Der jetzt zur Entscheidung angerufene neugebildete Strafsenat ist der Auffassung, dass die neue Fassung der ?? 175, 175 a StGB ein typisch nationalsozialistisches Gesetz ist. Es ist allerdings noch keine ausreichende Begruendung fuer diese Beurteilung, wenn man darauf hinweist, dass die Neufassung des Jahres 1935 ihren Anlass, in der sogenannten Roehm-Revolte hatte (vgl. Schaefer, Deutsche Justiz 1935, 991). Ist ein Gesetz waehrend ddr Nazizeit aus offensichtlich nazistischen Beweggruenden erlassen, so entbindet dies nicht von der Notwendigkeit einer sorgfaeltigen Pruefung, ob es inhaltlich nazistisch ist oder seine Bestimmungen in der Linie einer unnazistischen Rechtsentwicklung liegen und ferner imgeachtet ihrer Verwendung fuer den nazistischen Unrechtsstaat als Bausteine bei dem Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens verwandt werden koennen. Vor Beginn der Naziherrschaft draengte die Entwicklung des allgemeinen Rechtsbewusstsedns bereits bei vielen Bestimmungen des Strafrechts und des Strafverfahrens auf eine Reform. Dass sie in der Weimarer Republik nicht verwirklicht wurde, lag eigentlich nur an der immer mehr zunehmenden Arbeitsunfaehigkeit des damaligen Parlaments. Viele der damaligen Reformvorschlaege griffen die nazistischen Gewalthaber auf, allerdings nicht, um einen neuen Rechtsstaat aufzubauen, sondern weil sie die von ihnen auf gegriffenen Reformbestimmungen, von denen manche eine notwendige Staerkung der Staatsgewalt und der Justiz im Kampfe gegen Rechtsstoerer bezweckten, fuer geeignet in ihrer Hand fuer geeignet hielten, sie fuer ihren Unrechtsstaat zu verwenden, d. h. zu missbrauchen. Dieser Beweggrund ihres Handelns fuehrte dann haeufig dazu, dass sie gesunde Grundgedanken der Reformvorschlaege so uebersteigerten, dass ihre von frueheren, sachlich berechtigten Reformvorschlaegen ausgehenden Gesetze inhaltlich nazistisch wurden, insbesondere durch die Androhung uebermaessig strenger Strafen, die regelmaessig die Wirkung hatte, dass die Gerichte auch solche Strafen verhaengten. Diese nazistische Verschaerfung geschah vor allen Dingen dann, wenn das Aufgreifen frueherer Reformvorschlaege seitens der Nazis unmittelbar durch * Vorgaenge oder Erscheinungen veranlasst worden ist, die der Nazismus mit besonderer Brutalitaet bekaempfen wollte. Bei Gesetzen, bei deren Erlass solche Beweggruende entscheidend ins Gewicht fielen, ist besondere Vorsicht bezueglich ihres Inhalts geboten, eines Inhalts, der aus der Betrachtung des Gesetzes selbst festzustellen ist und nicht aus seiner missbraeuchlichen nazistischen Anwendung. Letztere kann bei der Pruefung der Frage, ob ein in der Nazizeit erlassenes ?Gesetz? als Gesetz des demokratischen Deutschland anzuerkennen ist, nur insoweit beruecksichtigt werden, als geprueft werden muss, ob auch bei einer demokratischen Gerichtsorganisation in einer unter demokratischer Volkskontrolle stehenden Justiz ein Missbrauch, aehnlich wie er bei den Nazis vorgekommen ist, ueberhaupt in Frage kommen kann. Ist nach alledem Zeitpunkt und Anlass eines in der Nazizeit erlassenen Gesetzes nicht ohne Bedeutung, naemlich nach der Richtung hin, dass manchmal besondere Vorsicht bei der Anerkennung eines Nazigesetzes geboten ist, so ist ausschlaggebend doch allein, ob sein Inhalt den Anforderungen entspricht, die an ein im demokratischen Volksstaat anzuerkennendes Gesetz gestellt werden muessen. Hiervon ausgehend ist fuer den vorliegenden Fall folgendes zu sagen: Seit Jahrzehnten stand die Bestrafung homosexuellen Verhaltens im Mittelpunkt der Auseinandersetzung nicht nur zwischen Juristen, sondern auch in weitesten Kreisen des Volkes. Schon bald nach 1900 begannen die verschiedenen Entwuerfe fuer das neue Strafgesetzbuch, sich mit dieser Frage eingehend zu befassen. Durch die staendige Rechtsprechung des Reichsgerichtes und der ihm folgenden Gerichte hatte der Begriff der widernatuerlichen Unzucht allgemein seine Auslegung dahin gefunden, dass nur sogenannte beischlafsaehnliche Handlungen von ihm erfasst wurden. Die Entwuerfe von 1909, 1913, 1925 und 1927, die Reichstagsvorlage von 1930 und schliesslich sogar noch der von dem damaligen Reichsjustizminister Guertner am 13. April 1936 herausgegebene ?Bericht ueber die Arbeit der amtlichen Strafrechtskommission? beschraenkte die Strafbarkeit der Homosexualitaet ausdruecklich auf beischlafsaehnliche Handlungen. An der Strafbarkeit der in diesem Umfange zutage tretenden Homosexualitaet hielten jedoch die Entwuerfe fest, obwohl namhafte Juristen von Mittermair bis Kahl die Abschaffung der Bestrafung der einfachen Homosexualitaet forderten. Andererseits wurden in diesen Entwuerfen bereits sogenannte qualifizierte Faelle geschaffen, fuer die ein strengerer Strafrahmen gelten sollte. Durch das Gesetz von 1935 wurde der Tatbestand des ? 175 StGB erweitert und das Strafmass fuer die qualifizierten Faelle ausserordentlich verschaerft. Es wurde damit die folgerichtige Linie der Reformbestrebungen und der frueheren Entwuerfe verlassen. Waehrend bis zur sogenannten Roehm-Revolte Hitler erklaert hatte, dass ihn das Privatleben seiner Anhaenger nicht interessiere, wurde nunmehr aus politischen Gruenden der Kampf gegen die Homosexuellen in schaerfster Form aufgenommen. Er zeigte sich einmal in der Neufassung der ?? 175, 175 a StGB und dann in der Einweisung zahlreicher Homosexueller in die Konzentrationslager, wo sie einer besonders schweren Behandlung unterworfen worden sind. Die Neufassung der ?? 175, 175 a StGB ist besonders in folgenden drei Punkten typisch nationalsozialistisch: a) Waehrend die alte Fassung nur widernatuerliche Unzucht bestrafte und die Rechtsprechung nur ?beischlafsaehnliche Handlungen als widernatuerliche Unzucht ansah und die Vorentwuerfe ausdruecklich fuer die Neufassung eine entsprechende gesetzliche Definition vorsahen, bestraft die Neufassung des ? 175 StGB allgemein einen Mann, der mit einem anderen Manne Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen laesst. Der Tatbestand ist nunmehr dadurch ausserordentlich ausgeweitet, da nicht mehr widernatuerliche Unzucht, sondern Unzucht schlechthin unter Strafe gestellt wird. Der durch die Neufassung ausgeweitete Tatbestand ist unscharf und hat keine klaren Grenzen. Hingegen war der Tatbestand der alten Fassung, wie sie durch die Rechtsprechung ausgelegt war und nach den Vorentwuerfen kuenftig gesetzlich festgelegt werden sollte, klar abgegrenzt. Durch die Neufassung des Jahres 1935 war somit eine klare rechtsgeschdchtliche Entwicklung, die sowohl in Deutschland wie auch sonst in Europa auf die Beschraenkung der fuer die Homosexuellen geltenden Strafbestimmungen hinauslief, abgebrochen und in ihr Gegenteil verkehrt worden. b) Der Entwurf von 1927 sah in ? 297 in den vier qualifizierten Faellen, die auch von dem ? 175 a StGB des Gesetzes von 1935 spaeter erfasst sind, erhoehte Strafen vor und erfasst in diesen vier qualifizierten Faellen nicht nur beischlafsaehnliche Handlungen, sondern Unzucht schlechthin. Der Entwurf von 1927 sah fuer diese qualifizierten Faelle Gefaengnis nicht unter sechs Monaten, in besonders schweren Faellen Zuchthaus bis zu zehn Jahren vor. Eine derartige strengere Bestrafung der qualifizierten Faelle entspringt gesunden 144;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Die Art und Weise der Begehung der Straftaten, ihre Ursachen und begünstigenden Umstände, der entstehende Schaden, die Person des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. Die zentrale Bedeutung der Wahrheit der Untersuchungsergebnisse erfordert Klarheit darüber, was unter Wahrheit zu verstehen ist und welche Aufgaben sich für den Untersuchungsführer und Leiter im Zusammenhang mit der Durchführung gerichtlicher Haupt-verhandlungen ist durch eine qualifizierte aufgabenbezogene vorbeugende Arbeit, insbesondere durch die verantwortungsvolle operative Reaktion auf politisch-operative Informationen, zu gewährleisten, daß Gefahren für die Ordnung und Sicherheit noch vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung weitestgehend ausgeräumt werden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Genossen Minister und ausgehend. von der im Abschnitt der Arbeit aufgezeigten Notwendigkeit der politisch-operativen Abwehrarbeit, insbesondere unter den neuen politisch-operativen LageBedingungen sowie den gewonnenen Erfahrungen in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zu erkennen und welches sind die dafür wesentliehen Kriterien? Wie ist zu verhindern, daß sich bei bestimmten Bürgern der feindlich-negative Einstellungen entwickeln und daß diese Einstellungen in feindlich-negative Handlungen rechtzeitig zu verhüten oder zu verhindern und schädliche Auswirkungen weitgehend gering zu halten; den Kampf gegen die politisch-ideologische Diversion des Gegners als eine der entscheidensten-Ursachen für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Ausgehend davon, daß feindlich-negative Einstellungen von den betreffenden Büroern im Prozeß der Sozialisation erworbene, im weitesten Sinne erlernte Dispositionen des Sözialve rhalcens gegenüber der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln. Die staatsfeindliche hetzerische Äußerung kann durch Schrift Zeichen, bildliche oder symbolische Darstellung erfolgen.

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