NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 130 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 130); ?Dabei ergibt sich jetzt eins: welcher Typ eines Bewerbers individuell geeignet ist und wie er zu ermitteln ist, das ist durch die erfahrungsreiche Arbeit der Pruefungskommissionen geklaert; welche Anforderungen an die Kandidaten in persoenlicher Hinsicht Alter, Vergangenheit, Vorbildung zu stellen sind, darueber herrscht Einverstaendnis. Wie ihre Urteilsfaehigkeit, ihre Aufnahmefaehigkeit auf Grund schriftlicher oder muendlicher Pruefung beurteilt werden koennen, dafuer sind Methoden entwickelt, ueber die auf der Tagung eingehend berichtet wurde. Im Vordergrund steht jedoch ein anderes Problem, das auf der Tagung besonders herausgestellt wurde: das der sozialen Zusammensetzung der Teilnehmer an den Lehrgaengen insgesamt, d. h. des noch ungenuegenden Anteils des Arbeiterelements. Dieses Problem ist eng verknuepft mit der auch jetzt immer noch erhobenen Klage, der Nachwuchs ?sei erschoepft?. Haelt man sich vor Augen, dass es nach der Volkszaehlung vom 29. Oktober 1946 in der sowjetischen Besatzungszone 7 637 319 Arbeiter und 2 428 754 Angestellte gibt, so zeigt sich, dass beide Fragen praktisch auf dem gleichen Weg geloest werden muessen: einmal sind die Arbeiter noch nicht entsprechend ihrem Anteil an der Bevoelkerung vertreten, andererseits ergibt es sich aus ihrer absolut groesseren Zahl, dass sie in erster Linie den Nachwuchs stellen koennen. In der sozialen Zusammensetzung der Lehrgaenge ist zwar seit dem ersten Lehrgang eine gewisse Entwicklung zugunsten des Anteils der Arbeiter zu beobachten. Der zweite Lehrgang2) setzte sich, nach dem frueheren Beruf der Teilnehmer betrachtet im Zonendurchschnitt wie folgt zusammen: Arbeiter 28% Angestellte 64% Sonstige 8%. Dabei sei auch hier der Hinweis wiederholt3) dass sich unter den frueheren Angestellten ein gewisser Anteil von Menschen befindet, die Arbeiterkinder sind, aber gerade wegen ihrer persoenlichen Begabung sich den ihnen materiell erreichbaren Angestelltenberufen zugewandt hatten. Dass dieser Anteil nicht unbeachtlich ist, beweist die Gliederung nach dem Stand des Vaters. Nach dem Stand des Vaters unserer ueblichen Bewertung der sozialen Herkunft , ergibt sich fuer den zweiten Lehrgang folgende Zusammensetzung: Arbeiter 64% Angestellte 27% Sonstige 9%. Fuer die zur Zeit laufenden Lehrgaenge ergeben sich folgende Zahlen: Frueherer Beruf: Arbeiter 37,5% Angestellte 49% Sonstige 12,5%. Beruf des Vaters: Arbeiter 57% Angestellte 20% Sonstige 23 %4 5). Im Vergleich dazu sei auf die Zusammensetzung aehnlicher Lehrgaenge in Polen hingewiesen, die die Tagespresse vor kurzem veroeffentlichte. Danach3) setzen sich diese Lehrgaenge (deren Dauer auf fuenf bis zehn Monate angegeben wird), wie folgt zusammen: 45% Arbeiter, 28% Bauern, 9% Geistesschaffende, waehrend der Rest anderen schaffenden Schichten entstammt. (Auch in Rumaenien6) sind seit kurzem entsprechende Juristenschulen von einjaehriger Unterrichtsdauer eingerichtet, deren Teilnehmer ebenfalls aus allen Bevoelkerungskreisen stammen). Die Ursachen fuer die noch immer ungenuegende Heranziehung von Arbeitern (Bauern sind noch so gut wie gar nicht erfasst) liegen in einem individuellen und in einem gesellschaftlichen Faktor: Die Bewerber, die aus Angestelltenberufen kommen, erfuellen leichter als bisherige Arbeiter die formalen Voraussetzungen der Aufnahme. Es ist nicht zu bestreifen, dass ein Teil der Mitglieder der Aufnahmekommissionen dazu neigt, die bereits vorhandenen formalen Fertigkeiten zu ueberschaetzen und deshalb vollgeeignete Bewerber aus der 2) Fuer den ersten Lehrgang fehlt es an genauem Zahlenmaterial in dieser Hinsicht, der Anteil der Arbeiter war jedoch hoeher als beim zweiten. 3) Vgl. Benjamin bei Fechner, Beitraege zur Demokratisierung der Justiz, Berlin 1948, S. 172. 4) Die bei Fechner a. a. O. S. 172 angegebenen Zahlen liegen hoeher, da die Gesichtspunkte der statistischen Erfassung anders gegliedert waren. 5) Vgl. ?Vorwaerts" Nr. 66 vom 19. Maerz 1949. 6) Vgl. ?Neues Deutschland? Nr. 49 vom 27. Februar 1949. Arbeiterschaft, die anfangs schwerfaelliger im Denken und im muendlichen Ausdruck sind, zurueckzuweisen. Wichtiger erscheint uns aber noch der gesellschaftliche Faktor: Es geht nicht nur darum, dass in mehr oder weniger grosser Zahl sich meldende einzelne Arbeiter zurueckgewiesen werden, sondern dass sie sich ueberhaupt nicht in entsprechendem Verhaeltnis melden. Dabei liegen die Schwierigkeiten nicht, wie haeufig angenommen wird, so sehr in den Besonderheiten des Richterberufs (Anforderungen und wirtschaftliche Schwierigkeiten der Ausbildung, Furcht vor der Verantwortung, vor der oeffentlichen Kritik, vor Presseangriffen usw.), sondern sie haben ihre letzte Ursache in einer allgemeinen gesellschaftlichen Erscheinung unserer Zeit: in der Verschuettung des Klassenbewusstseins der deutschen Arbeiterschaft durch zwoelf Jahre Naziterror7) mit ihren Folgen der Passivitaet und Indifferenz. Deshalb steht die Frage der Gewinnung von Nachwuchs aus der Arbeiterschaft auch nicht nur fuer die Justizberufe: Noch laengst nicht machen Arbeiter- und Bauemkinder, machen junge Arbeiter und Bauern von den Moeglichkeiten des Studiums an Vorstudienanstalten und Universitaeten in dem Masse Gebrauch, wie es ihnen eroeffnet ist. Bei der Gewinnung der Neulehrer bestand, wie sich aus verschiedenen Gespraechen mit Sachkundigen ergab, die gleiche Zurueckhaltung der Arbeiterschaft. Wir muessen zugeben, dass wir selbst in diesem Punkt zu optimistisch waren. Wir nahmen in der ersten Haelfte des Jahres 1948 an, dass der Neuaufbau unserer Zone, wie wir ihn bis dahin kannten, allein schon genuegend Kraefte voll Schwung und Elan freimachen wuerde, die zur Uebernahme von Funktionen auch in der Justiz bereit waeren?). Es hat sich inzwischen gezeigt, dass es eines besonderen Anstosses bedurfte, um diese Passivitaet zu ueberwinden. Der entscheidende Hebel zur Ueberwindung dieser Muedigkeit und Gleichgueltigkeit ist in der Aktivistenbewegung angesetzt. Sie wird sich nicht sofort unmittelbar foerdernd in unserem Sinne auswirken: einem Teue der Arbeiter-Aktivisten wird zunaechst die Tatsache ihres jetzigen hoeheren Verdienstes davon abhalten, sich auf die Schulbank zu setzen, sich geistig anstrengen zu muessen, um nach einem Jahr als Richter vielleicht nicht wesentlich mehr zu verdienen (obgleich in diesem Zusammenhang gerade die Bedeutung und Auswirkung des neuen Tarifvertrages herausgestellt werden muss, der jeden Richter und Staatsanwalt mit einem Grundgehalt von 700 Mark beginnen laesst?). Im ganzen gesehen wird aus der Aktivistenbewegung jedoch das neue Klassenbewusstsein der deutschen Arbeiterschaft erwachsen und daraus die Bereitschaft zur Uebernahme, verantwortlicher Staatsfunktionen ueberhaupt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass wir nun auf den Nachwuchs aus der Arbeiterschaft warten sollen, bis sich dieser Umbruch in deren Bewusstsein voll ausgewirkt hat. Es bestaetigt sich vielmehr, dass die Methoden, die zur Gewinnung von Arbeitern bereits entwickelt sind und ueber die auf der Tagung berichtet wurde, weiter ausgebaut werden muessen, und zwar in doppelter Richtung: a) allgemein: Wecken des Interesses und des Sich-Verantwortlich-Fuehlens jedes einzelnen Buergers fuer die Justiz; b) unmittelbares Ansprechen der Arbeiter in Betriebsversammlungen durch Absolventen und Schueler der . Lehrgaenge, die selbst Arbeiter waren. Waehrend die Loesung des allgemeinen Teils dieser Aufgabe im Rahmen der Arbeit der Justiz liegt Justizausspracheabende, oeffentliche Rechenschaftslegung ist die unmittelbare Gewinnung der neuen Kraefte nach wie vor Sache der Parteien und Massen- 7) Vgl. Grotewohl, Die Politik der Partei und die Entwicklung der SED zu einer Partei neuen Typs, Berlin 1949, S. 6. 3) Vgl. Benjamin hei Fechner, S. 183. 3) Der Tarifvertrag fuer die Beschaeftigten der oeffentlichen Betriebe und Verwaltungen vom 1. Februar 1949 hat Richter und Staatsanwaelte im Vergleich zum Besoldungsschema der RBO um eine Stufe gehoben: der Amtsrichter, Landrichter und der Staatsanwalt stehen nicht mehr dem Regierungsrat, sondern dem Oberregierungsrat gleich.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Feindes sowie zur Erarbeitung anderer politisch-operativ bedeutsamer Informationen genutzt wurden, ob die Leitungstätigkeit aufgabenbezogen entsprechend wirksam geworden ist ob und welche Schlußfolgerungen sich für die Qualifizierung der Arbeit mit Anforderungs bildern zu geiben. Bei der Erarbeitung: von Anforderungsbildern für im muß grundsätzlich ausgegangen werden von der sinnvollen Vereinigung von - allgemeingültigen Anforderungen auf der Grundlage der exakten Einschätzung der erreichten Ergebnisse der Bearbeitung des jeweiligen Operativen Vorganges, insbesondere der erarbeiteten Ansatzpunkte sowie der Individualität der bearbeiteten Personen und in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Das sind eng und exakt begrenzte gesetzliche Festlegungen; das Nichtvorliegen des Verdachts einer Straftat kann gegebenenfalls noch unter Berufung auf Strafgesetzbuch begründet werden und bei Jugendlichen kann in den gesetzlich bestimmten Fällen des gemäß von der Einleitung eines Ermittlunqsverfahrens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Strafverfolgung besteht darin, optimal zu sichern, daß der betreffende Jugendliche eine unmittelbare staatliche Reaktion auf seine gesellschaftsschädliche Handlungsweise erlebt, um daraus die erforderlichen Schlußfolgerungen zu ziehen.

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