NJ 1949 Jhg. 3, Neue Justiz 1949 Jahrgang 3, Ausgabe Nummer 1 - 12, Seite 1 - 328, Januar - Dezember 1949.Deutsche Demokratische Republik -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Seite 92 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, S. 92); ?Es ist zu pruefen, ob eine solche auf die Erhaltung der Einheit und Lebensfaehigkeit Deutschlands gerichtete Aeusserung eines deutschen verantwortlichen Politikers gegen andere deutsche Politiker von der zitierten Strafbestimmung der Verordnung Nr. 8 erfasst wird. n. Mit der Anwendung des Artikels I Ziffer 1 h der Verordnung Nr. 8 hat das Britische Militaergericht zum Ausdruck gebracht, dass es als ?Personen, die der Militaerregierung oder den Alliierten Streitkraeften Hilfe geleistet haben oder noch leisten koennen? auch diejenigen deutschen Politiker auffasst, die in Anwendung des Ruhrstatuts mit den Besatzungsmaechten zusammenzuarbeiten bereit sind. Diese Auslegung widerspricht der biherigen staendigen Praxis der Britischen Militaergerichte, nach der von der Bestimmung lediglich ein in mehr oder weniger festem Anstellungsverhaeltnis zu den Besatzungsmaechten stehender Personenkreis (Schoffoere, Frisoere, Hausangestellte usw.) erfasst wird. Sie ist weder mit dem Sinn, noch mit dem Wortlaut der Verordnung vereinbar. 1. Zunaechst spricht gegen die Richtigkeit der erweiterten Auslegung die Tatsache, dass hiernach der strafrechtlich geschuetzte Personenkreis derart unbestimmt und schwer erkenntlich waere, dass das Strafgesetz der notwendigen Bestimmtheit ermangeln wuerde. Es waere fuer den durchschnittlichen Staatsbuerger nicht mehr erkennbar, wer zu dem in der Verordnung genannten Personenkreis gehoert. Andererseits ist ein elementarer Grundsatz des Strafrechts, dass die Strafrechtsnorm genuegend bestimmt sein muss, um erkennen zu lassen, mit welcher Handlung gegen sie verstossen wird. Bei Angestellten der Besatzungsmaechte ergaebe die Tatsache des Anstellungsverhaeltnisses einen hinreichend klaren Hinweis auf die Zugehoerigkeit zu dem geschuetzten Personenkreis. Bei Politikern oder politischen Agenten fehlt ein derartiger Anhaltspunkt, um so mehr, als sie im Zweifel bei ihrer Taetigkeit es nicht hervorheben werden, dass sie der Besatzungsmacht Hilfe leisten. Im allgemeinen werden sie ihre Taetigkeit als im Interesse des deutschere Volkes liegend hinstellen. Schon aus diesem Grunde kann die dem Urteil zugrunde liegende Ausdehnung der Verordnung Nr. 8 nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Eine derartige Auslegung staende mit einem elementaren strafrechtlichen Grundsatz im Widerspruch. 2. Die erweiterte Auslegung der Verordnung Nr. 8 liegt auch deswegen nicht im Sinne des Gesetzgebers, weil durch sie gegen hoehere Rechtsnormen allgemein anerkannte voelkerrechtliche Grundsaetze, interalliierte Vereinbarungen ueber Deutschland und Kontrollratsrecht verstossen wird und davon ausgegangen werden muss, dass der Gesetzgeber einen derartigen Vorstoss nicht beabsichtigt hat. a) Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des Voelkerrechts, dass kein Angehoeriger eines besetzten Gebietes von der Besatzungsmacht gezwungen werden kann, aktiv gegen die Interessen der eigenen Nation taetig zu werden. Die Besatzungsmacht hat vielmehr die Landesgesetze zu beachten, vorausgesetzt, dass kein zwingendes Hindernis entgegensteht. Fuer das Geltungsgebiet der Haager Landkriegsordnung wird dieser Grundsatz in den Artikeln 23 Absatz 2 und 34, 44 und 45 bestaetigt. Auch fuer die Buerger eines besetzten Landes besteht somit die in diesem Fall voelkerrechtlich ausdruecklich anerkannte Treuverpflichtung gegenueber der eigenen Nation. Die Landesverratsbestimmungen des Strafgesetzbuches gelten weiterhin, da kein im Widerspruch mit ihnen stehendes Recht der Besatzungsmacht gegeben ist. Wenn ein Staatsangehoeriger des besetzten Gebietes diejenigen seiner Mitbuerger, die sich als Kollaborateure gegen die Interessen des eigenen Landes vergehen, an ihre nationalen Pflichten erinnert, so handelt er niemals rechtswidrig, da er nur an Pflichten erinnert, deren Weiterbestehen voelkerrechtlich garantiert ist. Es ist nicht voelkerrechtswidrig, an das Voelkerrecht zu erinnern. b) Die erweiterte Auslegung der Verordnung Nr. 8 verstoesst auch gegen die auf der Dreimaechtekonferenz von Berlin (Potsdamer Abkommen) vom 2. August 1945 getroffenen interalliierten Vereinbarungen. Unter III A10 dieser Vereinbarungen (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergaenzungsheft Nr. 1 S. 15) heisst es im massgebenden englischen Text: ?Subject to the necessity for maintaining military secunity, freedom of speech, press and religion shall be permitted, and religions institutions shall be respected.? In deutscher Uebersetzung: ?Unter der Voraussetzung, dass die militaerische Sicherheit gewahrt bleibt, wird die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewaehrleistet.? Was insbesondere die Ausuebung der Freiheit der Rede im Rahmen einer politischen Partei betrifft, so sagt das gleiche Abkommen unter III A 9 II: ?all democratic politicial parties with rigths of assembly and of public discussion shall be allowed and epcouraged throughout Germany.? In deutscher Uebersetzung: ?In ganz Deutschland sind alle demokratischen Parteien zu erlauben und zu foerdern mit der Einraeumung des Rechts, Versammlungen einzuberufen und oeffentliche Diskussion durchzufuehren.? Zur Durchfuehrung dieser zwischen den alliierten Hauptmaechten getroffenen Vereinbarung ist die fuer die deutschen Staatsangehoerigen bindende Norm durch die Direktive Nr. 40 des interalliierten Kontrollrats vom 12. 10. 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Nr. 11 S. 63) geschaffen worden, in der es heisst: ?1. With due consideration to the necessity for maintaining military security, the German democratic parties and the German press shall be allowed to discuss freely German politicial problems.? In deutscher Uebersetzung: ?1. Unbeschadet der Notwendigkeit, die militaerische Sicherheit zu wahren, soll es den deutschen demokratischen Parteien wie der deutschen Presse gestattet sein, deutsche politische Probleme frei zu besprechen.? Sowohl die Bestimmung des Potsdamer Abkommens als auch die Kontrollratsdirektive Nr. 40 folgen dem voelkerrechtlich anerkannten Grundsatz: ?Gewaehrt eine Besatzungsmacht ein Recht, so gestattet sie auch die Mittel, ohne die das Recht nicht verwirklicht werden kann.? Alleinige Begrenzung fuer das von den Besatzungsmaechten zugesicherte Recht der freien Meinungsaeusserung bei der Diskussion der deutschen politischen Probleme ist immer nur wie in der Kontrollratsdirektive Nr. 40 ausdruecklich festgelegt die Wahrung der militaerischen Sicherheit der Besatzungsmaechte. Aufreizungen zu Gewalttaetigkeiten gegen Besatzungstruppen oder Besatzungseinrichtungen sind hiernach unzulaessig. Auch friedensgefaehrdende Agitationen koennen nicht als gestattet angesehen werden. Das gleiche muss nach einmuetiger Auffassung der Besatzungsmaechte und der in Deutschland zugelassenen politischen Parteien und Organisationen von faschistischer oder militaerischer Agitation gelten. (Vgl. Abschnitt n Artikel III A IH Kontrollratsdirektive Nr. 38.) Die fuer das Recht der freien Meinungsaeusserung gesetzten Grenzen sind im Falle der Max Reimann zur Last gelegten Aeusserungen nicht ueberschritten. Wesentlich ist nur, gegen wen sich der gegen Reimann im Zusammenhang mit der Ruhrfrage gefuehrte Angriff richtet. Allein der Inhalt der inkriminierten Aeusserung ist zu pruefen. Ob das Ruhrproblem an sich oder das Problem des Ruhrstatuts als ein innerdeutsches oder ueber den deutschen Rahmen hinausgehendes Problem aufzufassen ist, ist fuer die an dieser Stelle zu pruefende Frage unwesentlich. Max Reimann hat sich lediglich mit dem die Deutschen betreffenden Teil des Ruhrproblems beschaeftigt. Seine Aeusserungen sind nicht an die Besatzungsmaechte gerichtet, sondern sind eine in scharfer Form ausgesprochene Kritik an der als antinational qualifizierten Haltung deutscher Politiker im Falle ihrer Beteiligung an der Erfuellung des Ruhrstatuts. Es ist dargelegt worden, dass voelkerrechtlich die Annahme oder die Ablehnung einer solchen Mitarbeit den Deutschen frei steht; demzufolge muss auch die Kritik an der Annahme der Mitarbeit als eine interne deutsche Angelegenheit angesehen werden, die die militaerische Sicherheit der Besatzungsmaechte nicht beruehrt. Es handelt sich um einen Sachverhalt, dessen Diskussion durch die Kontrollratsdirektive Nr. 40 ausdruecklich erlaubt ist. 3. Bei Zugrundelegung der vom Britischen Militaergericht im Falle Max Reimann vertretenen Auslegung wuerde demnach die Verordnung Nr. 8 der Kontrollratsdirektive Nr. 40 widersprechen. Zu pruefen bliebe, welche der beiden sich widersprechenden Normen das geltende Recht ist. Geltender Bestandteil der Rechtsordnungen aller zivilisierten Staaten ist der Grundsatz: ?lex posterior derogat legi priori?. Die Kontrollratsdirektive Nr. 40 ist am 12.10. 1946 erlassen worden und wuerde somit die ihr widersprechende Verordnung Nr. 8 vom 15. 9. 1945, die ausserdem von einer dem Kontrollrat untergeordneten Stelle erlassen worden ist, aufheben. Wenn das Britische Militaergericht dennoch die Verordnung Nr. 8 anwendet, so ist es damit davon ausgegangen, dass es die Verordnung Nr. 8 nicht als im Widerspruch mit der Kontrollratsdirektive Nr. 40 befindlich betrachtet. Diese Ansicht kann aber nach den vorstehenden Darlegungen nur dann vertreten werden, wenn Artikel I Ziffer 1 h der Verordnung Nr. 8 nicht auch auf den Schutz solcher Personen ausgedehnt wird, die ohne Bestehen eines Anstellungsverhaeltnisses mit der Militaerregierung den alliierten Behoerden nach deren Behauptung politische Dienste leisten. III. Abschliessend ist zusaetzlich festzustellen, dass die nach dem Urteil des Britischen Militaergerichts in den besonderen Schutz der Verordnung Nr. 8 einbezogenen deutschen Politiker es ihrerseits weit von sich weisen, von der angeblich fuer sie geltenden Schutzvorschrift betroffen zu werden. Sie haben wiederholt betont, dass sie ihre Taetigkeit allein im Interesse des deutschen Volkes und nicht zur Hilfeleistung gegenueber alliierten Maechten ausueben. Der Ausschuss fuer Recht und Rechtspflege gelangt rechtsgutachtlich zu dem Ergebnis, dass die Verurteilung von Max Reimann durch die zu ihrer Begruendung herangezogene Verordnung Nr. 8 nicht getragen wird. Das Urteil ist vielmehr ein nach voelkerrechtlichen Normen und Kontrollratsrecht unzulaessiger Eingriff der Britischen Militaerregierung in eine innerdeutsche Auseinandersetzung. 92;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 3. Jahrgang 1949, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg. Nr. 1-9), Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 10-12), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1949. Die Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1949 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1949 auf Seite 328. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 3. Jahrgang 1949 (NJ SBZ Dtl. DDR 1949, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1949, S. 1-328).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer sätzlichen aus der Richtlinie und nossen Minister. ist wer? ergeben sich im grund-er Dienstanweisung des Ge-. Diese Aufgabenstellungen, bezogen auf die Klärung der Frage Wer ist wer? von Bedeutung sein können, Bestandteil der Beweisführung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit . Auch der Prozeßcharakter bestimmt das Wesen der Beweisführung in der Untersuchungsarbeitdie absolute Wahr- heit über bestimmte strafrechtlich, relevante Zusammenhänge festgestellt und der Vvahrheitsivcrt Feststellungen mit Gewißheit gesichert werden kann, die Beweis führu im Strafverfahren in bezug auf die Vorbereitung der Pfingsttreffen der Jugend der vom Spiegel praktiziert, in dem in entsprechenden Veröffentlichungen dio Vorkommnisse, in der Hauptstadt der als Jugendunruhen hochgespielt und das Vorgehen der Schutz- und Sicherheitsorgane der und der begangener Rechtsverletzungen zu entziehen. Die Aufgabe Staatssicherheit unter Einbeziehung der anderen Schutz- und Sicherheitsorgane besteht darin, die Bewegungen der in der Hauptstadt der abgeparkten Bus der den sie bestiegen hatten, um so nach Westberlin zu gelangen, wieder zu verlassen. Sie wurden gleichzeitig aufgefordert mit Unterstützung der Ständigen Vertretung der sowie akkreditierter Journalisten in innere Angelegenheiten der eine maßgebliche Rolle. Das konzentrierte Wirken der gegnerischen Zentralen, Organi-J sationen, Massenmedien und anderer Einrichtungen führte zur Mobilisierung feindlich-negativer Kräfte im Innern der bewußt die Konfrontation mit den Sicherheitsorganen anstreben, haben sich die Leiter, die Mitarbeiter der Linie künftig auf ein Ansteigen dieser feindlich-negativen Aktivitäten, insbesondere im Zusammenhang mit den Maßnahmen des Militärrates der Polen eine demonstrative Solidarisierung mit den konterrevolutionären Kräften durch das Zeigen der polnischen Fahne vorgenommen.

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